Arcade Fire – Funeral
Punkte: 137
Die Legende besagt, dass auf einem der ersten Konzerte des kanadischen Septetts David Bowie, Eric Clapton und David Byrne beieinander standen und vor Begeisterung den Mund nicht mehr zubekamen. Zumindest von Bowie ist das Zitat überliefert, dass „Funeral“ sein wichtigstes Album für die einsame Insel sei. Dort gehört, würde man sich mit „Funeral“ noch einsamer fühlen als sowieso schon. Denn obwohl viele Songs mit behutsam eingeflochtenen Hoffungsschimmem umgarnen, ist das Grundgefühl der Platte ein ersticktes Jauchzen tragischer Helden, die nicht anders können, als die Welt in all ihren ernüchternden Details zu entlarven. Ob Politik, Liebe oder Tod – hier wird nichts beschönigt oder handzahm zurecht geschliffen; es ist vielmehr, wie es ist. Was dabei hilft, ist die Poesie, die es einem ermöglicht, auch in Momenten dunkelster Melancholie einen Silberstreif zu erzeugen.
Dass dieses Werk, das die bis heute endlos heiß gehandelte Musikszene Montreals auf die Landkarte rockmusikalischer Initialzündungen hob, dieses Wechselspiel aus Traurigkeit und Hoffnung, Romantik und Pragmatismus dermaßen beherrscht, hat einen banalen Hintergrund: Es wurde aus Liebe und Tod geboren. Die Liebe kam, als sich die beiden Bandgründer Regine – clever, sexy, schelmisch, treibend und resolut unmodisch. Chassagne und Win Butler auf einer Vernissage über den Weg liefen; Butler verliebte sich erst in ihre Stimme und kurz darauf in die Person dazu. Nachdem das Paar Arcade Fire gegründet hatte und am ersten Album arbeitete, kam sodann der Tod hinzu: Innerhalb weniger Wochen starben drei enge Familienangehörige. So drängten sich die bestimmenden Themen förmlich auf und wurden in ein schillerndes Poesie- und Klangbett gelegt, das in seiner bezugsoffenen Unkategorisierbarkeit einmalig ist. Denn so sehr die Texte mit zauberhaften Bildern arbeiten – die vier Teile des „Neighbourhood“-Zyklus der Platte sind nichts anderes als euphemistische Umschreibungen für die Auseinandersetzung mit dem Tod – so sehr kennt ihre Musik keine Grenzen.
Vom Protest-Folk der Sechziger über Momente dunkler Siebziger-Romantik im Stile von Roxy Music oder XTC und schwarzsehenden Tanzpop Marke New Order bis zur jungen Gilde geschichtsbewusster Americana-Barden: Arcade Fire vermengen all diese Zutaten zu einem morbid jubilierenden Requiem der Sinnsuche. Ganz nach dem Motto: Es geschieht zwar viel Kacke – aber so lange wir darüber singen können, geht’s uns doch gut.