Arbeit, Freizeit, Motorsport
"Geh doch nach Berlin" für frustrierte Großstädter, "Ich bin kein Amerikaner" für Demonstranten: Das Trio Angelika Express hat für alle den richtigen Song
Die Band Angelika Express mag es gern schnell und direkt. Die Schnittchen stehen noch nicht auf dem Tisch, da schleudern die drei einem schon einen Satz entgegen, der vor einem Jahr in dieser Zeitschrift stand und den sie auswendig hersagen können: „Werden besser sein, wenn sie irgendwann echte Probleme haben“, hatte der Rezensent damals über das erste Album der Kölner geurteilt „Als ob wir noch Teenager wären“, empört sich Sänger und Gitarrist Robert Drakogiannakis grinsend. Er ist 37. Schlagzeuger Alex Jezdinsky und Bassist Jens Bachmann sind beide 29. Echte Probleme haben sie trotzdem nicht Höchstens, dass seit einem Jahr ihr Privatleben zu kurz kommt, der Tourstress ungesunde Ernährung mit sich bringt, trotz des Deals mit Sony fürs neue Album ,^4lltagfiir alle“ nur ein kleines Budget zur Verfügung stand und Angelika-Express-Texte ständig missverstanden werden. Seit die zackig-zickige Spotthymne „Geh doch nach Berlin“ zum Mini-Hit wurde, den in den Indie-Diskos Hamburgs, Kölns und Münchens die Gutfrisierten freudig mitsingen, fühlen sich Robert, Jens und Alex permanent genötigt, zu erklären, dass sie gar nichts gegen die Hauptstadt haben und Berlin nur als Chiffre fürs Szene-Hinterher-Gerenne verwenden.
Das Neo-Mod-Trio hat also Glück, ausgerechnet aus Köln zu kommen, einer Stadt, die musikalisch bisher eher mit Karneval und Elektronica auf sich aufmerksam machte. Solche Vorurteile kompensiert man mit Selbstbewusstsein und einem adretten Auftreten: „Anzüge zu tragen ist ziemlich praktisch, weil man sich vor Konzerten nie fragen muss, was man heute anziehen soll“, sagt Jens. Und obwohl Angelika Express trotz gehobenen Alters noch als Newcomer wahrgenommen werden, die „vor allem live“ gut sind, zeigen sich die Stars und Halb-Stars der deutschen Gitarren-Szene gerne mit ihnen: Auf der ersten Platte gastierte Peter Hein von Fehlfarben, beim neuen Album singt Gaudia Kaiser von den Moulinettes mit, und neulich nach dem Auftritt im Feierwerk in München hat man mit dem Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller zu Iron Maidens „The Number Of The Beast“ satanisch gerockt.
Im Bandbus geht es ruhiger zu. Obwohl sie vor kurzem die zornige EP „Ich bin kein Amerikaner“ gemacht haben, hören Angelika Express zwischen Basel und Itzehoe gerne Elliott Smith, Johnny Cash oder America. Musik, mit der man zwar in Würde alt werden kann, wie Jens es sagt, die aber noch keine Spuren im Repertoire der Band hinterlassen hat. Stattdessen findet auf jedem „Alltag für alle“-Song weiterhin mindestens ein knackiger Slogan Platz. „Hinter den Frisuren: Stillstand, mon amour“, reklamiert Robert im nervösen „Feierabend of Destruction“, „Bring mich weg von Arbeit, Freizeit, Motorsport“, im zielstrebig ziellosen „Nimm mich mit“. Produzent Jem Iässt Angelika Express mehr nach Powerpop als nach Punkrock, abwechslungsreicher und weniger ungestüm als auf dem Debüt klingen – aber auch unverbindlicher.
Das Trio hat, so gut es ging, dagegen gehalten und vor den Studioaufnahmen nur einen Nachmittag im Proberaum verbracht. „Die Band zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht perfekt ist, aber von der Spontaneität lebt“, sagt Robert „Wir sind eher Action-Painter als Landschaftsmaler“, beteuert Alex. Schnell und direkt halt.