Appletree Garden Festival 2013 – Wortakrobatik und Indie-Tanz-Gymnastik
Im ruhigen Diepholz begeisterten am Wochenende Kakkmaddafakka, Crystal Fighters. Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi, Shout Out Louds und viele weitere Bands.
edes Jahr verwandelt sich die Kuhwiese von Bauer Landgraf im beschaulichen Diepholz für ein Wochenende mit 4500 Besuchern beim Appletree Garden Festival in ein buntes Zelt-Dorf voller glitzernder, glücklicher und gutgelaunter Menschen. Die Indie-Fans pilgern alljährlich in den Diepholzer Bürger Park um gute Musik zu genießen, sich umsonst mit der Bimmelbahn zum Freibad shuttlen zu lassen und bis in die Nacht auf der bunt erleuchteten Waldlichtung des Festivals zu tanzen.
Dieses Jahr begann das sonst zweitägige Festival schon am Donnerstag, was im Vorfeld auf Facebook für Unmut sorgte, sich dann aber als sehr gute Entscheidung seitens der Veranstalter erweisen sollte. Auf der neuen Zeltplatzbühne begeisterten die Mighty Oaks, Roosevelt und Fuck Art Let’s Dance bei schönstem Sonnenschein. Ein voller Campingplatz und die gute Stimmung am ersten Abend sorgten hoffentlich dafür, dass es nächstes Jahr auch schon am Donnerstag losgeht.
Wortakrobatik und Indie-Tanz-Gymnastik – der Freitag beim Appletree
Am Freitag startete das Appletree mit Mozes and the Firstborn, die mit rumpeliger Surfgitarren-Musik überzeugten. Mit ihrem Song “I Got Skills“ haben die Jungs schon einen Hit in petto und sorgten direkt zum Festival-Auftakt für gute Laune. Vor einem noch kleinen Nachmittagspublikum – der Rest vergnügte sich im Freibad oder beim Flunkiball-Spielen – sorgten Trümmer mit deutschen Texten für sanftes Fußwippen und Mitsummen und erinnerten dabei ein wenig an Blumfeld.
Weiter ging es auf der voller werdenden Waldbühne mit den tanzbaren Indie-Hits der Generationals, die das Publikum für den bis dahin unbekannten Secret-Act Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi in Stimmung brachten. Bei denen wurde es dann auch richtig voll und Jubelstimmung brach bei der intelligenten Wortakrobatik der Band aus: “Hallo Appletree, Hallo alle die sich vor den andern Dingen verneigen, Hallo Dinge die gleiten und andere Dinge zerreißen, andere Dinge dazu verleiten sich mit anderen Dingen zu streiten, Hallo alle Dinge die unfassbar übertrieben flauschig sind, alle die bewiesen jedoch schier unglaublich sind, Hallo Moleküle und Hallo Quanten, Alles was es gibt ruf ich auf mit mir zu tanzen!“. Dieser Aufforderung wurde gerne gefolgt.
Nach diesem euphorischen Musik-Intelligenz-Ausbruch spielte Honig auf, der akustisch und allein bereits beim Immergut Festival begeistert hat. Mit Band sorgte der Sänger dieses Mal wieder für gute Musik, die vom Sound an einen glücklichen Bon Iver erinnerte. Besonders überzeugend waren am Freitag Efterklang, die sich begeistert vom Festival und den Besuchern zeigten (“You can really camp beside you’re car? Thats great! I’ve never seen that before!“) und deren Sound perfekt zur Stimmung auf der von Lichterketten erleuchteten Waldlichtung passte. Nach diesen ruhigeren Tönen sorgten dann Kakkmaddafakka für einen euphorischen Abschluss mit einer sehr gelungenen Mischung aus alten und neuen Songs. Bei “Your Girl“ ging es schließlich mit dem Stagediven los und die einstudierte Tanz-Gymnastik-Choreografie der Back-Tänzer sorgte für Jubelschreie und Zugabe-Rufe, die natürlich gerne erfüllt wurden. Insgesamt, trotz dickem Gewitter am Nachmittag, ein gelungener erster Tag.
Weltuntergangsstimmung und Crystal Fighters – der Samstag beim Appletree
Am Samstag starteten The Fog Joggers unter einem bedrohlich schwarzen Himmel mit Songs die klangen, als ob es Mando Diao nie gegeben hätte. Während des Auftritts gab es eine Unwetterwarnung. Passend zum letztem Ton der Band ging es schließlich mit Weltuntergangs-Regen und Gewitter los, sodass die Camping-Plätze für die Dauer des Unwetter evakuiert wurden. Weggeflogene Pavillions, abgesoffene Zelte und nasse Schlafsäcke taten der Stimmung trotzdem keinen Abbruch und es dauerte nicht lange, bis sich die Sonne wieder blicken ließ.
Auf dem verschlammten Gelände übernahmen Fenster, BRNS und Jacco Gardner, die das nasse Publikum wieder zum trocknen brachten. Im Anschluss spielten The/Das, die aus Spaß einen Pavillion auf der Bühne aufgebaut hatten. Für den Nachmittag war die Band allerdings etwas zu elektronisch abgehoben, man hätte die Jungs lieber nachts um zwei auf der Waldbühne gesehen. Am Nachmittag sorgte dort DENA mit Songs die ein wenig an M.I.A erinnerten für gute Stimmung, auch ihr hätte ein späterer Zeit-Slot besser gestanden.
The Thermals überzeugten anschließend routiniert mit rockigeren Tönen während auf dem Zeltplatz überall diskutiert wurde, wer wohl der Secret Act des Samstags sein würde. Von Kraftklub über Miss Li bis zu den Born Ruffians wurde alles vermutet. Als dann allerdings die Crystal Fighters die Bühne betraten wurden die letzten Vögel aus der Baumlichtung mit euphorischen Schreien weggekreischt.
Die Band überzeugte das tanzwütige Publikum ab dem ersten Song. Nach ihrem Auftritt im letzten Jahr wurde schnell klar: das hier ist eine Art Heimspiel für die sichtlich gut gelaunten Londoner. Vom neuen Album CAVE RAVE überzeugte besonders “You & I”, dessen Lyrics vom Publikum lauthals mitgesungen wurden: “Happy?, spinning, clapping, laughing, dancing In the blackness of magic / Get it, have it, bag it / Throw yourself on the airplane / Fly like magic“, und so weiter.
Nach dem Auftritt der Crystal Fighters war klar: die Shout Out Louds würden es, trotz Headliner-Status, schwer haben. Die Band schien deshalb auch ein wenig eingeschüchtert und das Publikum ein wenig müde, zum Beginn des Sets keine gute Kombination. Bei Klassikern wie „Fall Hard“ oder „The Comeback“ wurden dann allerdings noch mal die letzten Tanzreserven mobilisiert und begeistert mitgesungen. Die bessere Abschlussband wären die Crystal Fighters dennoch gewesen.
Nach drei Tagen im beschaulichen Diepholz bleibt die romantische Festival-Erkenntnis: mit Sonne im Gesicht, einem geteilten lieblichen Weißwein-Tetrapack und der richtigen Musik im Ohr ist glücklich sein für einen Moment plötzlich ganz einfach. An dieser Tatsache ändern auch keine Sturmwarnungen und Zeltplatz–Evakuierungen etwas. Das Appletree Garden Festival ist und bleibt eine Art cooles, jährliches Klassentreffen, bei dem man freundlich von den Nachbarn vom letzten Jahr begrüßt wird während man sein Zelt aufbaut.