Anti-Rock? – Überzeugten beim Frankreich-Gastspiel auch ohne Crowdpleaser-Rituale: MGMT und die Kings Of Leon
PARIS, LE ZENITH.
Dass in Paris kein Mensch MGMT kennt, merkt man spätestens, als es für die Zeile „I’ll move to Paris, shoot some heroin and fuck with the stars“ keinen Szenenapplaus gibt. Trotzdem ist das hier eine weitere Station einer interessanten Evolution. Vor einem Jahr wurde aus dem Dachkammer-Frickler-Duo MGMT eine Band. Seither sind sie ständig auf“ Tournee, und langsam findet die Gruppe eine Sprache. Zunehmend profilieren sich Andrew van Wyngarden und Ben Goldwasser als jamselige Hippie-Psychedeliker in der Tradition der mittleren Pink Floyd. Dass sie sich kaum trauen, ins Publikum zu schauen oder selbiges mit mehr als schüchternen Worten zu bedenken, passt da schon fast ins Konzept. Auftritt Kings Of Leon. Beinahe unbemerkt sind die linkischen „Brüder“ der Strokes eine große Band geworden. Einige Tage zuvor waren sie einer der Headliner beim größten Festival Europas im britischen Glastonbury, heute kommen immerhin geschätzte 4500. Unbedingt verdient, aber ein paar Grundregeln des Großhallen-Rock hat die Band noch nicht verinnerlicht-und wird dies hoffentlich auch nie tun. Der Einmarsch der Helden zum „Lacrimosa“ aus dem Mozart-Requiem klappt noch sehr gut. Zudem haben sie bei einigen Liedern einen wirklich tollen Sternenregen. Aber niemals würden etwa U2 mit einem völlig unbekannten Song beginnen! KOL hingegen eröffnen mit „Crawl“, der ersten Single vom kommenden Album „Only By The Night“. Mit verzerrtem Bass und Fugazi-haften Gitarren klingt der Song so räudig, wie die Zähne der Nutten am Pigalle aussehen, also ganz famos.
Zwar gibt es bei der aktuell besten Gitarren-Rockband der Welt keine Westkurven-Reißer, aber Hits haben sie trotzdem. So folgt „California Waiting“ auf Molly’s Chambers“, das großartige „On Call“ auf „The Bücket“. Live sind die furchtbar ernst guckenden KOL – ähnlich wie MGMT – eher eine distanzierte Band. Aber dass sie weniger rockistisch sind, als ihr Klischee-überladenes öffentliches Bild vermuten lässt, macht eben auch ihren Charme aus. Nur hier mutiert ein siebenminütiger Song ohne Refrain zum Highlight eines Arenakonzerts: Nach dem ebenfalls neuen „Manhattan“ singt die ganze Halle enthusiasmiert den Fade-Out-Chor von „Knocked Up“. „God bless you all, we are Kings Of Leon“. Einmal zur Begrüßung und jetzt zum Abschied – das muss reichen an öffentlicher Ansprache. Und das bloß keiner mitklatscht!