60 Jahre „Another Side Of Bob Dylan“: Steiles Qualitätsgefälle
Bob Dylans viertes Werk gilt als Interims-Platte und wird nur sehr selten berücksichtigt, wenn das Hohelied auf seine Großtaten angestimmt wird.
Nicht mehr Protest-Folk und noch unbeflügelt von musikalischen Ambitionen, sind die Songs auf „Another Side Of Bob Dylan“mal brutal, mal rührselig, stets aber höchst privat und selbstreferentiell.
Er habe es satt, so verlautbarte der Dichter damals, das Sprachrohr einer Generation zu geben oder andere unziemliche Erwartungen zu bedienen. Was ihn freilich nicht hinderte, das gesamte Album an einem einzigen Juni-Abend des Jahres 1964 aufzunehmen, damit es rechtzeitig zur Vertretertagung von Columbia vorgelegt werden konnte.
Das Qualitätsgefälle der Songs ist untypisch steil und reicht vom sublimen „To Ramona“ bis zu Talkin‘ Blues-Nonsense wie „Motorpsycho Nitemare“.
Für die Byrds indes erwies sich Bob Dylans andere als Schokoladenseite. Gleich fünf der elf Songs erfuhren die patentierte Rickenbacker-Veredlung, darunter das erst in der Byrds-Fassung unter die Haut gehende, sensuelle „Spanish Harlem Incident“, das selbstkritische, ja purgatorische „My Back Pages“ und „All I Really Want To Do“, in der Dylan-Fassung lachhaft verjault und verjodelt, von den Byrds auf Folk-Rock poliert, von Cher (!) sehr schön auf Pop getrimmt.