Andi Brehme: Ein Gospel für den Beidfüßigen
Brehme war ein cooler solider Typ, dem eine Pop-Aura zu unwichtig war
Andreas „Andi“ Brehme ist tot. Der gebürtige Hamburger, der trotz diverser Anbahnungen nie im Hamburger Profi-Fußball gespielt hat, weder beim HSV, noch beim FC Sankt Pauli (Altona 93 und Barmbek-Uhlenhorst lassen wir hier mal weg), erlitt in der Nacht zum 20. Februar einer Herzattacke. Er verstarb im jungen Alter von 63 Jahren.
Nach „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer ist Brehme nun der zweite große, diesjährige Todesfall im deutschen Retro-Fußball. Der „Beidfüßige“, wie Brehme aufgrund seiner erstaunlichen Rhythmus- und Koordinationsfähigkeiten oft genannt wurde, ist im Gegensatz zum „Kaiser“ ein Sportsmann ohne explizite Pop-Aura geblieben. Weder Protzi-Tätowierung, noch „P1“-Fame während seiner München-Arä.
Zu seinen wesentlichen Stationen als Sportsmann gehörte der seinerzeit oft unbesiegbare „Betze“ (in Kaiserslautern), die „Arroganz Arena“ (in München) und San Siro (in Milano).
Die schmucklose Elfmeter-Nummer des gelernten Außenverteidigers im WM-Endspiel 1990 (Deutschland vs Argentinien) läuft seit gestern auf Dauer-Rotation auf allen Öffentlich-Rechtlichen Radiostationen.
Es bleibt dem ehemaligen HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl („Hamburg, meine Perle“) vorbehalten, einen der wenigen Pop-Bezüge zu Sportsmann Brehme erzeugt zu haben. Mit seinem Spaß-Projekt Barmbek Gospel Singers widmete die hanseatische Rampensau „dem Andi“ bereits im Jahr 1996 eine Hymne.
Brehme fuhr weder tiefer gelegte Maseratis in Glitzer-Lackierung, noch sind Eskapaden aus Mailänder Discos mit Models und seidenhemdigen Italo-House-Größen bekannt. Solide Fußball spielen zu können reichte ihm vollends.
Da er im heimatlichen Norden verschmäht wurde, zog es ihn Richtung Südwesten: 1980 ging er zusammen mit Kicker-Kumpel Sigmund Malek in den Ludwigspark, zum damaligen Zweitligisten 1. FC Saarbrücken.
In den Chroniken findet sich dazu eine geschichtsträchtige „11-Freunde“-Anekdote. Brehme wurde beim „Move“ nach Saarbrooklyn vermittelt von Trainerlegende Felix Magath, der in seiner langen Karriere ebenfalls mal an bei den Saarfranzosen gekickt hat.
Tempi Passati.
Ansonsten finden sich auf allerlei Sozialen Medien die handelsüblichen Abschiedsgrüße auf den stets freundlichen und positiv engagierten „Lebensmenschen“ Brehme.
Die italienische Torwartlegende Dino Zoff kondolierte genauso wie Uli Hoeneß, der vierzehn Jahre vor der nüchternen Brehme-Großtat im Wendejahr 1990 beim EM-Finale 1976 in Belgrad einen Elfmeter in den serbischen Nachthimmel ballerte. Die alte Bundesrepublik verlor dadurch das Finale.
Das Wiedervereinigungs-Deutschland gewann wiederum wenige Monate nach dem Mauerfall unter der Ägide von Beckenbauer dann die WM. Beidfüßer Brehme behielt die Nerven. Stoff aus dem (Kicker-)Legenden gestickt werden.
„Ich bin unendlich traurig über diese schockierende Nachricht. Keiner von uns wird Andreas Brehme je vergessen, denn er ist viel mehr als das Siegestor im WM-Finale in Rom“, so Hoeness auf der Website von Bayern München. „Wir haben einen großartigen Menschen und einen treuen Freund verloren.“