Andrews Traum

Erst die Blitzkarriere, dann fast das Ende: Es ist zuletzt einiges passiert bei der australischen Band Wolfmother. Drei Jahre nach dem Durchbruch probiert der als Einziger von der alten Besetzung verbliebene Sänger Andrew Stockdale nun einen Neuanfang mit anderen Musikern. Wir begleiteten die neue alte Band einen Tag mit der Kamera und gingen auch der Frage nach, wie vital diese Konstellation ist.

Wolfmother sind zwar eine Rock-Rockband, aber die entsprechenden Klischee-Zuweisungen lassen sie sich nicht so ohne weiteres überstülpen. Nachdem ein ursprünglich ani Hamburger Hafen geplantes Shooting wegen des plötzlichen Wintereinbruchs zu riskant erschien, wollten wir die Band in einem rocktypischen Milieu knipsen: dem Hamburger Kiez mit seinen Rotlichtbars und Halbweltkaschemmen.

Doch nach einem Vormittag voller Tücken, in dessen Verlauf eine Terrorwarnung im Zug des anreisenden Reporters, eine Last-Minute-Absage des Managements für die Rotlicht-Location sowie ein verspätet aus der Dusche kommender Andrew Stockdale sämtliche Pläne zunichte machten, stehen wir nun in einem ordinären Fotostudio im Schanzenviertel. Eigentlich eine B-Lösung, ist bei genauer Betrachtung kaum ein besserer Ort denkbar, um mit dieser Band zu arbeiten. Denn in der Musik von Wolfmother materialisiert sich zwar einerseits auf perfekte Art der hedonistische Geist des Hard-Rock der Siebzigerjahre – den entsprechenden Lebensentwurf hat der eher nüchterne Andrew Stockdale jedoch nicht adaptiert.

Dieser Mann beißt keiner Fledermaus den Kopf ab, und er gibt auch keine Kokain-Partys. Stattdessen hat er ein pragmatisches Überlebensmodell in Zeiten der Krise entwickelt, indem er ohne die ideologischen Berührungsängste der Altvorderen haufenweise lukrative Deals eingeht. Keine neue Band war zuletzt so oft in Werbespots, Videospielen und Film-Soundtracks zu hören wie Wolfmother, aktuell sind sie in eine groß angelegte Kooperation mit einem Schnapshersteller involviert.

Auch sonst ist Stockdale ein Freund pragmatischer Entscheidungen: Als der schon längere Zeit schwelende Streit mit den Gründungsmitgliedern Miles Heskett und Chriss Ross im August 2008 eskalierte und man sich voneinander trennte, blies Stockdale nicht lange Trübsal, sondern ersetzte die Renegaten kurzerhand durch neue Musiker. „Wir haben keinen Kontakt mehr“, sagt Stockdale über die Freunde, mit denen er Wolfmother 1999 zunächst als Hobby-Band gegründet hatte. „Das ist ein abgeschlossenes Kapitel, man liest ja auch ein Buch nicht wieder von vorne, wenn man es durch hat.“

Jenes Kapitel war das vorläufige Ende einer der beachtlichsten Karrieren der letzten Jahre. Als sich das Jahr 2006 dem Ende neigte, hatten die Australier auf Einladung von Led Zeppelin bei deren Einführung in die „Hall Of Farne“ gespielt, 1,5 Millionen Alben verkauft und einen Grammy verliehen bekommen. All das wollte Stockdale nicht aufgeben: „Ich stand immer hinter Wolfmother und dem, wofür diese Band und ihre Musik steht. Diesen Traum wollte ich weiter träumen. Ich wollte auf keinen Fall zulassen, dass wir eine Ein-Album-Band hleiben.“

Ian Peres, Aiden Neineth und Dave Atkins sind nette Menschen, die beim Fototermin für alle Tee kochen. Mit ihnen hat Stockdale auch einer mehrmonatigen Vorproduktionsphase schließlich „Cosmic Egg“ aufgenommen. Eine beängstigend perfekte Rockplatte, auf der der Sänger sein an Robert Plant geschultes Organ variabler zum Einsatz bringt als noch auf dem Debüt. Wer auch nur eine kleine Schwäche für den Hardrock der Siebziger hat, wird nicht unberührt bleiben von dieser Musik.

Abends, nach einem Konzert im Knust, sitzt diese neue alte Band, die noch gar keine Band ist, im Backstageraum und trinkt Wasser. Bald geht es ins Hotel – der nächste Tag bringt Interviews, ein Konzert sowie eine weitere Promotion-Veranstaltung für den Schnapsfabrikanten.

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