Anarchistischer Crossover-HipHop aus Braunschweig: Such A Surge formulieren die Sehnsucht nach Wandel
Die niedersächsische Stadt Braunschweig war bislang nicht bekannt als HipHop-Hort. Seit jedoch Matthias Lanzer auf seinem Klein-Label „Rap Nation“ einen Sampler mit Liedern von State Of Department, der Jazzkantine und anderen aufgenommen hat, rappelt es nicht mehr nur in Jugendzentren und Schulen. Die großen Plattenfirmen senden ihre Talentprüfer aus, um das Potential der Provinz zu sondieren. Sie stoßen auf eifrige Bands, die gerade dem Teenager-Alter entwachsen sind und mit Entschlossenheit und Naivität einer Welt der Wunder und Zeichen entgegenblicken, in der alles möglich scheint So wie das Sextett Such A Surge.
Such A Surge sind sind an der Peripherie von HipHop und Heavy Metal aufgewachsen. Mit 15 Jahren war Bassist Axel Horn „ein ganz normaler Metal-Freak“. Er lauschte den satanischen Platten von Slayer und Metallica, trug Kutte und lange Haare und drosch mit seiner Clique auf „Instrumente für 40 Mark und Kochtöpfe“ ein. Metal folgt immer noch dem Mythos von der Kleinstadt-Rebellion gegen Mama und Papa, die Jugend-Codes aber befanden sich bereits im Umbruch. Er sei in den Death Metal abgerutscht, sagt Axel. „Da war es üblich, anders als die normalen Metals kürzere Haare und Skater-Klamotten zu tragen.“
Dann erschienen in ihrem Übungsraum die Rapper Michel Begeame und Oliver Schneider, der vorher bei State Of Departmentz skandiert hatte. Axel fand in ihnen seine Bestimmung, „mich in andere Musikrichtungen zu entwickeln, nicht nur das Metal-Bild zu fahren“. Heute ist Anderssein das Ende aller Gewißheiten.
Am Anfang hatte Oliver nach Amerika gestarrt „Als ich Hip-Hop hörte, war noch nicht alles so beweglich. Dann wollte ich nicht mehr nur mit einem DAT-Recorder rumhantieren, sondern richtige Musik machen.“ Trotz vieler „Bierchen“ hat es ein halbes Jahr gedauert, bis die letzten „Berührungsängste der beiden Fraktionen im Gruppengefühl aufgegangen sind. Jugendliche wollen sich mit etwas identifizieren“, erläutert Oliver seine Neigung zur Rap-Uniform aus Baseball-Kappe und Sneakers. „Aber es sollte die Individualität erkennbar bleiben. Wenn man sich in der Szene verliert, ist das wie bei einer Sekte.“
In „I’m Real“ rappt Oliver sein Manifest: „Werde mich befrein vom Klischee, weil ich nicht auf sowas steh/ Gruppenzwang, du hast einen Stempel auf der Stirn/ In der Masse kann man nicht mehr sehn, was für ein kleiner Wicht du wirklich bist/ Deshalb bin ich lieber Anarchist“ Ihr Ausbruch ist ein Aufbruch ins Allgemeine, wo sogar die Anarchie ihren Platz hat.
Es rührt, wie Such A Surge auf ihrem Debüt „Under Pressure“ ihre Selbstfindung in bewußt gewählten Metaphern wie „Ich springe über meinen Schatten“ und „Gegen den Strom“ banalisieren – an der Wahrhaftigkeit dessen ist trotzdem nicht zu rütteln. Im Pubertären, das hier seinen Ausdruck findet, liegt der Wunsch nach Wandel. Oliver formuliert in „Ich bin ein Träumer“, einer gelungenen Jazz-Rap-Ballade, das Ungefähre in der Übertreibung:
„Wir haben einen Traum, genau wie Martin Luther King/ Und wir träumen vom Fliegen/ Wir sind ein Wunder, das Wirklichkeit wird.“ So klagen Such A Surge ihr Recht auf Träume ein: „Ich sehe den Song wie ein Kind, daß bei den Hausaufgaben aus dem Fenster schaut und mit den Gedanken abschweift Ich träume halt davon, das es nicht zu spät ist – wofür auch immer.“ Was Such A Surge spielen, ist nicht sehr gewagt, aber gut Sie spielten bereits vor Mucky Pup, und in Frankreich erhielten sie bei einem Konzert mit Dog Eat Dog viel Zuspruch. Noch steht unter dem Hinweis auf „T-Shirts, Longsleeves, Kapuzenpullis, Regenjacken, Hats & Socks“: „Alle Artikel sind limitiert auf 150 Exemplare!“