American Psycho
von Mary Harron ab 7. September
Ich nutze ihren hilflosen Zustand, streife die Handschuhe ab, reiße ihr den Mund auf, schneide mit der Schere ihre Zunge heraus -…)Blut schießt aus Bethanys Mund, und ich muss ihren Kopf halten, damit sie nicht erstickt. Dann ficke ich sie in den Mund, und nachdem ich abgespritzt und meinen Schwanz rausgezogen habe, gebe ich ihr noch mehr Tränengas.
aus „American Psycho“ von Brett Easton Ellis, 1991
Wie zeigt man das Unfassbare? Brett Easton Ellis‘ umstrittener Bestseller, gerühmt für sein radikales Gesellschaftsbild und seine sprachliche Brillanz, deswegen aber auch verhetzt, da er im mitleidlosen Ton Sexismus und die Gewalt gegen Frauen verherrliche, galt sofort nach seinem Erscheinen als heißer Kinostoff aber ebenso als unverfilmbar. Zu verstörend und direkt sind die morbiden Triebe der hedonistischen Hauptfigur Patrick Bateman, einem eleganten Schnösel an der Wall Street, als dass es eine filmische Entsprechung geben könnte. Der Yuppie will größer sein als Gott – und ist monströser als Hannibal Lecter.
Ellis selbst hatte ein Drehbuch verfasst, das Produzent Edward R. Presstnan („Die Krähe“) als „reinsten Porno, der mit einer Musical-Szene endet“ beschreibt. Acht Jahre hat er gebraucht, um die Adaption von „American Psycho“ zu realisieren. Bereits 1992 interessierte sich Johnny Depp für die Rolle, mit Jonathan Demme, David Cronenberg, Oliver Stone, sogar Stanley Kubrick wurden alle Regisseure gehandelt, die dafür überhaupt mal denkbar schienen. Pressman entschied sich für die ehemalige Rockjournalistin und Dokumentarfilmerin Mary Harron, die 1996 mit „I Shot Andy Warhol“ ihr Regiedebüt gegeben hatte und den Briten Christian Bale als Bateman favorisierte. Die Produktionsfirma Lion’s Gate wollte allerdings einen Star und lancierte 1998, Leonardo DiCaprio wäre nicht abgeneigt und wolle Martin Scorsese oder Danny Boyle für die Regie. Doch dann wählte Hollywoods Engelsgesicht die ähnliche, aber angenehmere Rolle in Boyles „The Beach“. Nun konnte Harron beginnen – mit Bale und der Auflage, das Budget dürfte nicht höher als zehn Millionen Dollar sein. Das ist die Hälfte der Gage, die DiCaprio offeriert worden war.
Dennoch ist alles adäquat exquisit: die Büros und Bars, die Anzüge und Kleider von Vivien Westwood und Cerruti (Ralph Lauren und Calvin Klein wollten nicht einen Serienmörder zum Sexsymbol ausstatten) und vor allem die Dialoge. Drehbuchautorin Guinevere Turner hat die Schlüsselmomente des Romans kongenial verdichtet zum desperat-satirischen Psychogramm eines schönen, schizophrenen Scheusals, das alles hat, noch mehr will und nichts fühlt, exzellent bebildert von Andrzej Sekulas („Pulp Fiction“) raumgreifender bis klaustrophobischer Kamera. Batemans klinisch-kühle Küche blitzt vor Chrom und Stahl wie seine Mordmesser, und ebenso scharf seziert Harron dessen Oberflächlichkeit. Etwa als er und Kollegen sich mit erlesenen Visitenkarten übertrumpfen wollen. Auf allen steht „Vizepräsident“. Entsetzt starrt er auf das zarte Weiß von Paul Aliens (Jared Leto) Karte. Er lädt ihn in sein Apartment ein, zieht einen durchsichtigen Regenmantel über den Maßanzug und erschlägt den Störenfried seiner Geltungssucht mit einer neuen, gewiß nicht billigen Axt. Blut spritzt an die Wand, auf den Mantel, in Batemans Gesicht Der Rest würgt im Kopf.
Wo heute nach Bildern vom Balkankrieg jovial zum Bericht über eine Automesse übergeleitet wird, ist der Film so zeitgemäß wie damals der Roman und zugleich die Antithese zu Streifen, in denen Schädel digital zerplatzen. Bereits der Vorspann illustriert das Spiel mit dem Schein. Als wäre es eine Arbeit von Saul Bass, dessen Titelsequenz zu Hitehcocks „Psycho“ die Messerattacke in der Dusche andeutet, rinnt hier rote Flüssigkeit auf weißem Hintergrund. Man glaubt an Blut – doch es ist Soße auf einem Teller. Bateman sitzt mit seinem neureichen Klüngel in einem Luxus-Restaurant. Man schwatzt („Ist das nicht Donald Trump?“) von Frauen als „Hardbodies“, schnupft Koks auf dem Klo und ödet sich fürchterlich an. Ihr unerhört lässiger Snobismus gipfelt in Sätzen wie „Ich habe zwar keinen Hunger, aber ich hätte gerne irgendwo einen Tisch.“ Fixpunkt ist der In-Tempel Dorsia, in den sogar Batemans biedere Sekretärin (Chloe Sevigny) will, der aber für Monate ausgebucht ist. Dann fühlt sich das urbane Alpha-Männchen Bateman so gedemütigt, dass es andere erniedrigen muss, Penner, Portiers oder Prostituierte. Als das Ritual („Was machen wir heute?“) mal wieder beginnt, erklärt Bateman: „Ich hätte Lust, einer Frau das Gesicht zu zermanschen.“
Norman Bates war in „Psycho“ auf seine Mutter fixiert, Bateman hat lediglich sein Spiegelbild, das er mit Körperlotions, Krafttraining und materiellem Fetischismus unbarmherzig zur perfekten Maske formt, in die Bale perfekt schlüpft. Und was Beethovens geniale Kompositionen in Kubricks „A Clockwork Orange“ waren, sind Bateman die mediokren Hits von Genesis, Huey Lewis und Whitney Houston. Als Allegorie auf den Kapitalismus ist er zugleich Apologet und Opfer. Ein reiches Nichts und lächerlicher Narziss, der seine Neurose ins Unerträgliche steigert, indem er tötet. Das glaubt ihm keiner. Es ist seine Mitleid erregende Phantasie, ein Hilfeschrei in der konsumgeilen Konformität.