American Psycho
Songwriter Elvis Perkins hat mit seinem Erbe zu kämpfen. Sein Vorname weckt Erwartungen, sein Nachname Erinnerungen
Dies ist sein richtiger Name. Auch wenn Elvis Perkins schon einmal zu oft als müder „Rockabilly-Witz“ wegsortiert wurde. „Es war eine Herausforderung“, sagt der 32jährige Songschreiber mit der John-Lennon-Eier-Brille und dem Gestus des schüchternen Bibliothekars von nebenan. „Diese monolithische Figur, der andere Elvis, der damit gespielt hat, Mister Costello und was bedeutet das für mich, als Musiker? Ich musste herausfinden, wie es ist, mit diesem Namen zu existieren und dabei ich selbst zu sein.“
Einmal, als das gar nicht mehr funktionieren wollte, flüchtete er in die Wüste von New Mexico, um dort „damit zu experimentieren, nicht mehr Elvis zu sein“. Doch „Brooke“, sein zweiter Vorname, war dann irgendwie auch nicht das Richtige. A boy named Brooke.
Er erinnert sich an vorwurfsvolle Telefonate mit seiner Mutter, die auch nicht mehr wusste, wie sie auf Elvis kommen konnte und sich halbwegs dafür entschuldigte. Bis Elvis Frieden mit Elvis machte. „Letztlich ist der Name so gut wie jeder andere. Er klingt ganz gut und sieht nicht so übel aus.“
Elvis war und ist das Eine — der „genetische Fingerabdruck“ einer archetypischen Künstler-Familie das Andere. Als jüngster Sohn von Anthony „Psvcho“
Perkins, der schon 1992 an AIDS verstarb, und der Schauspielkollegin und Fotografin Berry Berenson, die ihm leider schon neun Jahre später im Alter von 53 Jahren folgen musste (an Bord des American Airlines Flight 11, der an jenem leuchtenden Septembermorgen ins World Trade Center krachte). Eine Herkunft, in der sich die Tragik der Weltgeschichte spiegelt – und mit der man erst mal zurecht kommen muss.
Elvis‘ Bruder Osgood spielt zwar auch Schlagzeug, aber er ist „die Abzweigung zum Film gegangen, ich die zur Musik. Ich wusste, dass ich dies tun will – weil ich es für mich gesehen habe und weil es alles ist, was ich tun kann. Aber bin ich gut genug? Werde ich dem Familiennamen gerecht? Solche Fragen, Gedankenspiele, viel selbstauferlegter Druck. Aber letztlich ist das alles Illusion.“ Elvis Perkins hat einige Jahre gebraucht, bis er zu dieser Einsicht kam.
So reichen die ältesten Songs auf dem späten Debüt „Ash Wednesday“ bis ins Jahr 2000 zurück. Und wer weiß, wäre nicht eines schönen Tages ein Musikerkollege mit dem schönen Namen Ethan Gold in sein von Selbstzweifeln geplagtes Leben getreten, als Freund, Förderer, Arrangeur… „Er sah wohl einfach, dass ich es selbst nicht auf die Reihe bekommen würde und meinte, dass er ein paar passable Ideen hätte.“ Eine davon war immerhin, die komplette Band von Van Morrisons „Astral Weeks“ anzuheuern. „Aber das wurde dann doch zu teuer für mich“, lacht Perkins. Immerhin reichte es dann noch für Gary Mallaber, der auf dem nachfolgenden, ebenfalls klassischen Morrison-Album – „Moondance“ – getrommelt hatte. „Das nächstbeste Ding“ also.
Das nächstbeste für die zeitlupenhafte Karriere des Elvis Perkins, dessen Lieder sich über diesen Silben schleifenden und dehnenden Gesang bewegen? Beschleunigung! Seit einem Jahr ist er nun fast non-stop auf (US-)Tour, während er hierzulande ein für ihn schon altes Album als neues Ding zu promoten hat. Da bleibt die Suche nach ein bisschen „quiet, dead time“ fürs Songschreiben oft vergeblich. Notfalls greift er sich ein paar ältere Lieder, die liegengeblieben sind. „Manche“, sagt Elvis Perkins, „kann ich nicht mehr spielen, bei anderen scheine ich nicht mehr die Person zu sein, die sie damals geschrieben hat. Oder die Form stimmt nicht mehr. Aber ich kann den Tag vor mir sehen, da ich mich selbst als jüngere Person covere.“ Klingt doch ganz gut: Elvis plays Perkins.
Anfang August wird das noch nicht sein. Da sieht eine Woche im neuen Leben des Elvis Perkins so aus: Gig auf dem Lollapalooza-Festival, Auftritt mit den befreundeten Cold War Kids im Madison Square Garden, dazwischen noch sein Debüt beim Folk-Festival in Newport. Da haben schon ganz andere Künstler Anzeichen von Schizophrenie gezeigt.