Amber Heard: Warum sie „unbedingt“ in die Berufung will
Nach dem Prozess ist vor dem Prozess: Es geht um letzte Wahrheiten und sehr viel Geld. Das sagen US-Rechtsexperten
Im Brieftaschen-Battle mit ihrem Ex-Ehemann Johnny Depp ist Amber Heard klar zweite Siegerin. Sie ist nicht mal ansatzweise so flüssig wie ihr Kontrahent, der siegreiche Pirat der Hollywood-Gagen. Nach übereinstimmenden US-Medienberichten kann die „Aquaman“-Actrice die ausstehende Zeche von 10,4 Millionen Dollar „Schadenersatz“ vorerst nicht zahlen. Diese kreuzverrechnete Summe war bekanntlich der pekuniäre Endpunkt nach dem Urteil im spektakulären Verleumdungsprozess in Fairfax/Virginia.
Und so spricht nach dem Motto: „Nach dem Prozess ist vor dem Prozess“ einiges für Verlängerung des derben Spektakels. Heard-Anwältin Elaine Bredehoft hat in der News-Sendung „Today“ des TV-Senders NBC angekündigt, dass ihre Mandantin „unbedingt“ Berufung gegen das am letzten Mittwoch verkündete Urteil einlegen will. Für die Geschworenen ging es um komplexe Abwägungen: Redefreiheit, Vorsatz oder Rufschädigung standen ebenso auf der Agenda wie die Glaubwürdigkeit der Schauspielerin sowie die gegenseitigen Missbrauchsvorwürfe. Die Juristin sprach im Fernsehen von „einigen ausgezeichneten Gründen“ dafür.
Eine Anfechtung des Spruches würde Amber Heard erst einmal Luft verschaffen. Auch und gerade in finanzieller Hinsicht.
Nun erbrachte eine Expertenumfrage des amerikanischen Nachrichtenmagazins „Time“ unter Rechtsexperten ein eher uneinheitliches Einschätzungsbild, wie die Chancen in einer Neuauflage stehen. Grundsätzlich gehen die Befragten davon aus, dass Heards Team argumentieren wird, dass während des Prozesses ein Rechtsfehler gemacht wurde. Sie werden versuchen, das Urteil mit der Begründung aufzuheben, dass die Geschworenen durch Dinge beeinflusst wurden, die sie außerhalb des Gerichtssaals gesehen und gehört haben.
Die Geschworenen schienen die Geschichte von Depp glaubwürdiger zu finden. Berufungsgerichte wiederum neigen dazu, Glaubwürdigkeitsurteile von Geschworenen zu überprüfen, gerade wenn die Schlussfolgerung der Jury insgesamt widersprüchlich erscheint.
Wie auch immer sich Heards Team entscheidet, ein Berufungsgericht wird so bald kein Urteil fällen. „Es wird ein langer, teurer Prozess“, sagt David Ring, ein Anwalt für Zivilprozesse in Los Angeles gegenüber der „Time“. Er und andere Experten schätzen, dass die Berufung mindestens zwei Jahre dauern wird. „Jeder oder Jede, der/die Berufung einlegt, hat erstmal einen schweren Stand“, sagt wiederum Rebekah Sullivan, eine spezialisierte Anwältin für Familienrecht aus Washington, D.C.
Weitere Kollegen spekulieren, dass diese Aktion Heard weitere Hunderttausende Dollar kosten wird, zusätzlich zu den bereits gezahlten Anwaltskosten. Einige Quellen sprachen summa-summarum von sechs Million Dollar. Bei der Scheidung von Depp bekam sie 2016/2017 sieben Millionen Dollar zugesprochen. Diese wollte sie vollumfänglich spenden. Doch im Zuge der neuerlichen Querelen wurde die finanzielle Decke schnell zu kurz für sie.
L.A-Anwalt Ring abschließend: „Wenn man mit einem Urteil in zweistelliger Millionen-Dollar-Höhe konfrontiert wird, muss man das wahrscheinlich so verfolgen.“