Als Bandleader in der „Harald-Schmidt-Show“ ist er bekannt geworden – aber Helmut Zerlett kann auch anders
Diskutieren Sie so was auch immer? Zu Hause oder auswärts beim Urinieren? Na und, ist er denn nun doof, Deutschlands Tele-Talkabout Nr. 1? Oder nur ein Fall für teutonische Meckermänner, die in jeder Geschmacklosigkeit gleich das Ende des guten abendländischen Geschmacks zu inhalieren glauben? Für Helmut Zerlett ist der Fall klar: „Am Anfang haben die Leute gefordert: Schmidt muß bissiger werden. Offensiver. Dann macht er das. Und die Böttinger läuft weg. ‚Hilfe, er hat mich geoutet.‘ Ich habe die Böttinger auch geschätzt als Grimme-Preisträgerin. In der Show hat sie bloß die Mitleids-Tour gefahren.“ Helmut Zerlett, 39, ist Bandleader, Komponist, musikalischer Direktor und in Sat 1-Salär stehender Co-Moderator des Herrn S. in dessen (nicht ganz) alltäglicher TV-Show mit zunehmendem eigenen Entertainment-Anteil. Er hat ungefähr 27 Nebenbeschäftigungen und weitere Leidenschaften, ein eigenes Studio und als Mitglied der Unknown Cases ein Stück Dancefloor-Geschichte mit der Maxi „Masimbabele“ geschrieben. Die Nummer, gerade remixed und bis heute 120000 mal verkauft, ist zum Blueprint für die Abteilung Ethno-Disco geworden.
Zerlett spielt Keyboards in der Live-Band von Westernhagen, bastelt Ambient-Tracks, schreibt Songs für Nina Hagen, macht eine Platte mit der Enkelin von Jesse (ja, dem) James und so fort. Ach so, und manchmal packt er nach der Schmidt-Show sein Keyboard unter den Arm und jammt mit ein paar Freunden mitten in der Nacht im Kölner Club „Herbrand’s“. Zerlett: „Der Versuch von Momentkompositionen.“ Er ist der Hans Jump in allen Gassen. Das ist nun eine Anspielung auf seinen alten Kosenamen „Jumpy“, den er einer schwer zu erinnernden Etappe in seinem Leben verdankt, die er nur kurz kommentiert: „Das waren die Drogen-Zeiten, lange vorbei. Wer mich von damals kennt, nennt mich Jumpy. Für meine Freunde heute bin ich Helmut.“ Japan-Restaurant, Mittagstisch. Helmut Zerlett delektiert sich an knusprigem, in Teig ausgebackenem Gemüse. Der Chef des Hauses stellt eine Kiste mit grünen und roten Kräutern auf unserem Tisch. „Das sind Shiso, sehr vitaminreiche Blätter, die in Japan wachsen“, erläutert Zerlett. Der Blick aus dem stoppelbärtigen, humorvollen Gesicht signaliert Vorfreude. Dann ein Satz wie aus der Jahresbroschüre des Bundesgesundheitsministeriums: „Ausgewogene Ernährung, Sport und Pausen sind für mich ganz wichtig.“ Aber eben auch eine Antwort auf das geballte Programm: all die Auftritte, die Tourneen, die Studio-Termine und der Schmidtsche Wahnsinn, Live-on-tape-Produktionen von Tic Tac Toe bis Willy De Ville.
Zerlett über sich und seinen großen Bruder im Geiste: „Schmidt und ich sind fast gleich alt. Wir haben ähnliche Roots, wir sind beide Kinder der 70er Jahre. Wir hörten Led Zeppelin, Free und Santana. Ich habe dabei die ersten Joints geraucht.“ Und wo werden heute nach der Show die letzten Joints geraucht? „Wir treffen uns, wenn alles im Kasten ist, nach 21 Uhr an der Apollo-Bar auf ein paar Kölsch. Schmidt ist ein musikbegeisterter Mensch. Wenn er abschalten will, kommt er manchmal schon nachmittags zu den Proben der Band runter und hört uns stundenlang zu.“ Die Begeisterung ist gegenseitig – ein Lob des Herrn: „Schmidt ist ein Meister der Improvisation, wenn ich sehe, was an Gags vorher abgesprochen ist und was später kommt. Klar, er eckt an, er tritt Leuten auf die Füße. Aber er nimmt sich selbst dabei nicht aus.“ Gibt es demnächst noch mehr Zerlett bei Schmidt als Entertainer zu erleben? „Das wird auch in Zuschauerbriefen gefordert. Wir haben kürzlich eine Sequenz gedreht: Ich träume, ich sei der große Interviewer und erzählte Witze. Sprechrollen sind aber ganz schön heftig für jemanden wie mich, der sich nomalerweise über Musik mitteilt. Eine tolle Erfahrung auf jeden Fall“ Für einen zweiten Feuerstein aber ist Zerlett wohl doch zu blond(iert)… „Kein Mißverständnis bitte, ich will kein zweiter Feuerstein sein. Ich bin kein Komiker.“ Welchen Stellenwert hat die Harald-Schmidt-Show für einen, der zwischen Soundtracks für Fassbinder-Filme, „Lollo Rosso“-Musik und einer Jule-Neigel-Produktion schon verdammt viel Verschiedenes unter seinen Fittichen hatte? „Ich mache die Schmidt-Show nicht wegen der Kohle. Ein Fulltime-Job, den du nicht wirklich willst – das funktioniert nicht Es macht mir Spaß. Wenn mir etwas keinen Spaß mehr macht, würde ich sofort aufhören.“ Das gilt auch fürs Engagement bei Westernhagen: „Eine richtig gute, 13köpfige Band.“ Klare Verhältnisse. „Das war für mich die Prämisse, bevor ich bei Schmidt anfing: Keine Top 30 spielen, die Stücke auf meine Art arrangieren. Ich wollte Band-Identität. Daß die Leute auch wegen der Band kommen. Und das habe ich erreicht.“