Alpinkatze am Mount Everest
Der sprichwörtliche Tag danach: Im Winter 1994/1995 muß sich Hubert von Goisern so ähnlich gefühlt haben wie Topmanagen die nach Jahren voller hochbezahltem Dauerstreß plötzlich weiße Blätter im Kalender vor sich haben. Psychologen wissen darum aus den Leidensgeschichten unzähliger Gekündigter und Aussteiget Goisern, müde von der permanenten Tretmühle aus Tourneen und Studiosessions, war im Begriff nach zehn Jahren seine Band Alpinkatzen aufzulösen, mit der er binnen weniger Jahre die verschlafene Welt des Austropop auf den Kopf gestellt hatte. „Ich war nur auf Output programmiert gewesen, und wollte mal wieder dazu kommen, Bücher zu lesen, andere Menschen zu treffen, neuen Ideen kennenzulernen, andere Musik zu hören – aber außer dem Wunsch, mit dem Medium Film zu arbeiten, hatte ich keine konkreten Vorstellungen“, so erinnert sich der Musiker aus dem Alpendorf Goisern.
Dieser unbewußten inneren Bereitschaft schreibt Goisern heute zu, daß ihn innerhalb von zwei Jahren gleich zwei starke Frauen zu ungewöhnlichen Projekten in exotischen Gegenden anregen konnten. Die 40jährige Exil-Tibeterin Tseten hatte Goisern bereits im November ’94 gebeten, eine Konzertreise tibetischer Musiker durch Österreich als Moderator zu unterstützen. Im Mai 1995 fand sich Goisern mit der „Free-Tibet“-Aktivistin am Fuße des Mount Everest wieder. Die nicht zuletzt durch den an ihr Leben angelehnten Hollywood-Film „Gorillas im Nebel“ mit Sigourney Weaver berühmt gewordene ferhaltensforscherinjane Godall hingegen wurde Goisern Ende 1994 vorgestellt, als er gerade das Abschieds-Livealbum seiner Alpinkatzen abmischte. Im Februar 1997 besuchte Goisern die Engländerin in ihrem legendären Forschungslabor in Gombe am Taganjika See im Tansania.
Beide Reisen hatten für den Künstler aus der Alpenrepublik auch politische Implikationen: „Tseten hatte mir während unserer ersten Zusammenarbeit soviel Grauenvolles über die Unterdrückung ihres Volkes durch die Chinesen erzählt, daß in mir auch Zweifel wachgeworden waren. Da hab‘ ich ihr gesagt: „Tseten, ich glaub‘ dir nicht alles, was du erzählst – wir fahren da jetzt hin, du kennst es auch nur vom Hörensagen, schließlich warst du nie dort, seit du als Zweijährige mit deiner Familie dieses Land verlassen hast“ Die entsagungsreiche Expedition mit gefälschten Visa konfrontierte Goisern „mit einem unglaublich repressiven System. Die westliche Berichterstattung ist in Details zwar einseitig, aber im Generellen stimmt das Bild, das vermittelt wird. Die Chinesen versuchen, das religiöse und damit auch kulturelle Rückgrat der Tibeter zu brechen.“
Um auf die Tragik im Himalaya aufmerksam zu machen, hat Goisern mit im Exil lebenden Künstlern des Tibetan Institute Of Pertorming Arts in Indien und Salzburg das Album Jnexil“ aufgenommen. „Ich hab ihnen erzählt, wie ich für meine eigenen Lieder Motive der Volksmusik aus dem verstaubten Heimatmuseum herausgeholt und mit Texten und Klängen versehen habe, die der heutigen Zeit entsprechen. Ich habe den Tibetern vorgeschlagen, dasselbe mit ihrer Musik zu machen, um nicht nur Ethno-Spezialisten und werdende Buddhisten zu erreichen.“
Von seiner Reise zu Jane Goodall brachte er den bereits im ORF und im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentarfilm „Von Goisern nach Gombe“ mit, ein von ihm angeregtes Porträt der Primatenforscherin und Umweltaktivistin. „Sie strahlt eine absolute Magie aus, ist eine Performerin mit einem großen Bühnenbewußtsein – darin sind wir uns total ähnlich“. Mit diesem Film wollte Goisern den politischen Kampf Goodalls für den Arten- und Umweltschutz unterstützen. Sein jetzt unter dem knappen Titel „Gombe a veröffentlichter Soundtrack dagegen ist von der Primatenforschung inspiriert: Jane hat mir von einem Labor in Afrika erzählt, wo Schimpansen in Käfigen gehalten werden. Sie wolle dort eine Musikanlage installieren lassen, um die Tiere mit Stimuli zu versorgen. Dafür wollte sie zwei Knöpfe haben, damit die Schimpansen wählen können, ob sie lieber Mozart oder Michael Jackson hören wollen. Ich hab gesagt, es muß noch ein dritter Knopf drauf, damit die Schimpansen sich selber hören können. Leider gab es so etwas noch nicht Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, eine Nummer aus lauter Tierlauten zu machen – aber keine bloße Geräuschcollage, sondern richtige Musik! Das war dann der erste Track für das Album.“