Alles außer Americana
MICH MIT JOSÉ GONZÁLEZ und Tobias Winterkorn über die Musik ihrer Band Junip zu unterhalten, ist ungefähr so rätselhaft, wie einen Film ihres Landsmanns Roy Andersson zu schauen. Es wird wenig gesprochen, geschweige denn preisgegeben, und doch meint man hinter der wortkargen Oberfläche der Gesichter hin und wieder eine Geste wahrzunehmen. Ein zustimmendes Kopfnicken ist da schon als Gefühlsausbruch zu werten. Zum Beispiel, wenn man zufällig auf eine Inspirationsquelle stößt. „Man muss schon sehr genau hinhören und unsere Songs in ihre Einzelteile zerlegen, um unsere Einflüsse hören zu können“, sagt Keyboarder Winterkorn.
Wobei der Begriff des Keyboarders bei ihm viel zu kurz greift. Auf „Junip“, dem zweiten Album des schwedischen Trios, konstruiert Winterkorn vielmehr fantastische Klangflächen, mal lichtdurchflutet, mal hypnotisch pulsierend oder düster-wabernd. Aber Junip funktionieren nicht als Zitatmaschine, auch wenn man zwischen den Tönen immer mal wieder Brian Eno, Air, Kraftwerk oder irgendeinen Krautrock-Verweis zu hören glaubt. Lange bevor Junip mit ihrem Debütalbum „Fields“ im Jahr 2010 den Indie-Pop aus seinem Koma rissen, ging es der Band mehr um Sounds als um Songs. González und Schlagzeuger Elias Araya hatten sich in Göteborg kennengelernt und in einer Hardcore-Band abgemüht, bis sie auf Winterkorn trafen und 1998 oder 1999 -genau wissen sie das nicht mehr – Junip gründeten. „Wir wollten Musik machen, die sich von dem abheben sollte, was wir im Radio oder in den meisten Konzerten hörten“, erklärt González. Deshalb verzichteten sie auf Bass und E-Gitarre. Winterkorn ergänzt:“Wir wollten nicht so wie all die anderen Bands klingen, die einen Americana-Sound hatten.“ Da sich der Trendzeiger zu Beginn der 2000er-Jahre eher auf Roots als auf Reflexion einpendelte, schienen Junip mit ihrer musikalischen Vision in der falschen Zeit. Sie nahmen eine Auszeit. Winterkorn arbeitete als Lehrer, Araya studierte. Nur González schaffte es, mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, veröffentlichte 2003 sein erstes Soloalbum „Veneer“ und spielte seine todtraurigen Folk-Oden plötzlich in den verschiedensten Ecken der Welt.
Erst 2005 rauften sich Junip für die EP „Black Refuge“ wieder zusammen. Doch es sollte weitere fünf Jahre bis zum ersten Album dauern. Inzwischen scheint González fast erleichtert, dass er nicht mehr allein umherziehen muss. „Bei Junip kann ich auch mal einen Schritt zurücktreten. Es passiert etwas, auch wenn ich mal nicht meine Gitarrensaiten berühre. Wenn wir jammen, wird jeder von uns Teil eines Ganzen.“ Es sind diese Teile, die Junip immer neu zusammensetzen und einen unverwechselbaren Sound erzeugen, der Klangwelten entfernt ist vom retrospektiven Synthie-Pop.