Alle Matze Knop!
Wie man die überschaubare Gäste-Liste bei den Polit-Talk-Shows noch weiter reduzieren könnte
Kürzlich veröffentlichte die „Bild“-Zeitung eine Nomenklatur mit den am häufigsten in Polit-Talk-Shows vertretenen Menschen der letzten Jahre. Demnach ist der frühere CDU-Generalsekretär, spätere Renegat, Afrika-Wanderer und „Attac“-Fan Heiner Geißler der häufigste Gast bei „Maischberger“, „Anne Will“, „Hart, aber fair““ und „Maybrit Illner“. In den sogenannten Nischen-Kanälen plaudern auch noch Heiner Bremer und Claus Strunz, aber dort sitzt dann eher Personal wie Andrea Nahles oder Volker Kauder.
Dass Heiner Geißler am häufigsten in den Studios disputiert, glaubt man gern – der kapitalismuskritische Katholik ist gerade 80 Jahre alt geworden, sein Gesicht hat den Faltenwurf und die Verästelungen des späten Adenauer, und allmählich entwickelt er die Weisheit und Gelassenheit von Philosophen wie Schopenhauer, Yoda und Professor Hastig. Wenn er die Ohren aufklappt, könnte er noch heute von Berggipfeln segeln wie früher mit dem Gleitschirm. Geißler erinnert daran, dass Jesus arm war und in der Bibel vor Reichtum gewarnt wird, er verweist auf die Schicksal von Hartzern, die von 400 Euro im Monat leben sollen. Frivolen Zynikern und Mathematikern hält er Anstand und Vernunft entgegen; im Alter ist er nicht mehr so polemisch und ätzend.
Geißlers natürlicher Antipode ist Hans-Olaf Henkel, der Marktliberale, Mittelstandsfreund, Steuerverächter und – noch immer wissen es zu wenige! – fünfte Beatle. Er war es, der als junger Existenzialist im Hamburg der frühen Sechziger mit Astrid Kirchherr, Klaus Voormann, Stu Sutcliffe und den Beatles herumzog. Henkel trug damals schwarze Rollkragenpullover und sah schon beinahe so aus wie 50 Jahre später – doch etwas muss mit ihm passiert sein, als er in die Industrie ging, deren Verbands-Sprecher er später wurde. Er ist Hobby-Segler.
Etwas Strenges, Hanseatisches umweht den Freiheitskämpfer, doch anders als der gewöhnliche Segler ist Henkel kein schweigsamer Mensch, sondern redet überall mit. Um die heimische Währung zu schützen, würde er die Griechen mit Ouzos bezahlen lassen und in Deutschland die Reichsmark einführen; Arbeitsuchende würde er persönlich umschulen und motivieren, und Zweiflern schleudert er entgegen, Deutschland habe den üppigsten und gnädigsten Sozialstaat der Welt, deshalb studierten hier alle zu lange. Auch findet er, dass diejenigen, die kein Geld haben und folglich keine Steuern zahlen, verdammt noch mal wenigstens damit zufrieden sein sollen, dass andere für sie den Laden schmeißen, während sie nicht mal Zwetschgen pflücken wollen.
Auf den Rängen folgt das erwartete Stammpersonal: der leutselige CSU-Kuschelbär Horst Seehofer, die nackte Links-Kanone Gregor Gysi, der harmonieliebende Hedonist Klaus Wowereit, die „Was wird aus mir?“-Egomanin Heide Simonis, der Icke-Baumarktkomiker Mario Barth und die krampfige Grünen-Mamsell Renate Künast – ein Auditorium des finalen Schreckens, der Politik als Wurstbude und Volkstribunal. Seit er staatstragend geworden ist, fehlt Guido Westerwelle in den Runden, aber ein 25-jähriger Liberaler, der sich als künftiger Parteivorsitzender empfiehlt, findet sich immer.
Ganz meinungsstark auch: der „stern“-Zwischenrufer Hans-Ulrich Jörges als Gulaschkanone der Demokratie, der tutige Amerikafreund Henryk M. Broder, der sauertöpfische Polit-Blockwart Arnulf Baring und der Schauspieler Walter Sittler, der in den USA aufgewachsen ist und in Deutschland ein Internat besuchte und deshalb zu mindestens zwei brisanten Themen im Zettelkasten liegt. Zur Not gehen auch dieser Tierfilmer vom ZDF (zu animalischem und menschlichem Verhalten), Dieter Kürten (zum „Sportstudio“), Reinhold Messner (zu jedem Thema) und Dieter Kronzucker, seit fünf Jahrzehnten Korrespondent (zu früher), Peter Hahne (zum Gefühl der guten Laune) und Richard David Precht („über die fünfte Wurzel des Satzes vom einfachen Grunde der Moral“).
„Waldis WM-Club“ in der ARD lehrte uns aber kürzlich, dass dieser überschaubare Figurenkreis noch weiter verkleinert werden sollte. Der heimtückische, chauvinistische und bissige Paul Breitner, die ahnungslos daherschwatzende Gouvernante Bärbel Schäfer und der zunehmend entrückte Kultur-Urlauber Harald Schmidt bilden mit dem sensiblen Gesprächsleiter Waldemar Hartmann ein Panel, das an die Güte von Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen“ erinnert. Wie bei der damaligen Kult-Runde wurde bei Waldi offenbar schon vor der Sendung gepichelt – und irre Gastauftritte von Howard Carpendale, einem heiser schwadronierenden Box-Trainer und dem peinlich unwitzigen Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ machten das Glück der Sinnlosigkeit vollkommen.
Und Matze Knop imitiert die Fußballer, Trainer und Vereinspräsidenten. Den Christian Wulff, wiewohl ohne Eigenschaften, kriegt er noch hin. Und alle anderen auch!