All Saints – Sinners And Saints
Auf dem zweiten Album werkeln All Saints am künstlerischen Ausdruck
Besser als die All Saints, soviel ist mal klar hat in den vergangenen Jahren niemand Chart-tauglichen R&B betrieben; jenseits der so obligaten wie dämlichen Vergleiche mit den Spice Girls oder welcher Retortenkomödien sonst noch brauchten die vier britischen Damen nicht lange, um den eigenen Anspruch aufs musikalische Stehvermögen mit den entsprechenden Taten zu untermauern: „Never Ever“ und das zugehörige Debütalbum gaben dem verloren geglaubten Genre der Girlgroups seine Würde zurück und besorgten die beste Gebrauchsmusik, die man zu der Zeit bekommen konnte.
Mehr noch als das Debüt profitiert das neue Album „Saints And Sinners“ von dem Mut der All Saints zu Stilvielfalt und persönlichem Ausdruck: „All Hooked Up“ macht mit einem silbrigen Gitarren-Lick und herrischen Wirten Lust auf mehr, „Love Is Love“ vermengt gekonnt aktuelle R&B-Standards mit dem Dance-Pop der 80er Jahre, und „Dreams“ umgarnt mit feinsinnigen Melodien. Das alles wird getragen von den bekannten Klanggerüsten des Superproduzenten William Orbit, der auf „Saints…“ noch ganz ungeniert seine Standards anwendet – wohlwissend, dass das neue Album von Madonna ein anderes Design bekommen sollte.
Die Tugend der All Saints, sich ihre Musik selbst zu machen, ist nun aber auch gleichzeitig der Schwachpunkt: Zu wenige der neuen Songs schaffen es aus dem Wald des eigenen kreativen Stückwerks auf die helle Lichtung eines inspirierten Momentes, wie „Never Ever“ einer war. Freilich mag man das Gesamtkunstwerk lobpreisen und dem Tonmaterial entsprechend einen nur anteiligen Platz zuweisen, aber das funktioniert nur von weitem; einmal allein mit dem Album der All Saints, ist man bald die ewigen Glissandi und das immer gleiche R&B-Timbre leid.
Nichtsdestotrotz gibt es Großtaten zu beklatschen. Da wäre etwa das sensible „I Feel You“, ein Lied von Mel an das Kind und den Liebsten, das uns die zum Werk motivierenden Gefühle nachspüren lässt, oder das hinlänglich bekannte „Pure Shores“, zu dem Di-Caprio in „The Beach“ verwirrt durchs vermeintliche Paradies stapfte. Den Höhepunkt aber besorgt erwartungsgemäß die musikalische Visionärin des aparten Quartetts: Shaznay Lewis schrieb „Black Coffee“ im Alleingang, und ein tolles Lied ist’s geworden. Die ohnehin betörende Melodie glüht in dem purpurnen Licht von Orbits träumerischer Apparatarchitektur, und dazu besingt Shaz gewohnt charmant die Schönheit des Moments. Wir singen mit.