„Alien: Romulus“-Regisseur Fede Alvarez: „Giger wäre sehr stolz“

Mit „Alien: Romulus“ möchte Regisseur Fede Alvarez das totgesagte „Alien“-Universum aufleben lassen.

Damit hatte er nicht gerechnet: Vor 15 Jahren stellte der in Montevideo, Uruguay, aufgewachsene Fede Alvarez einen Kurzfilm auf YouTube. „Ataque de Pánico!“ – auch bekannt als „Panic Attack!“. Er zeigt den dramatischen Angriff riesiger Roboter und außerirdischer Kampfgleiter auf seine Heimatstadt. Nur wenige Tage später wurde sein E-Mail-Postfach mit Mails von Hollywood-Produzenten überschwemmt, die ihn nach Los Angeles einluden und ihm Projekte anboten. Drei Jahre später drehte er „Evil Dead“, eine brutale, von Horrorfans gefeierte Neuinterpretation von Sam Raimis Kult-Horrorfilm „Tanz der Teufel“ aus dem Jahr 1981, voller Blut und Gewalt. Zuvor hatte die Filmreihe 20 Jahre lang brach gelegen.

Nun versucht sich Alvarez mit seinem Film „Alien: Romulus“ an der Wiederbelebung einer weiteren legendären Filmreihe – der 1979 von Ridley Scott gestarteten „Alien“-Saga. Der Originalfilm mit Sigourney Weaver in der Hauptrolle gilt heute als einer der wichtigsten Filme des Genres. Darin landet die Besatzung eines Raumfrachters auf dem Rückweg zur Erde auf einem Planetoiden, wo sie ein abgestürztes außerirdisches Raumschiff entdeckt. Im Film wird einer der interstellaren Trucker von einem Wesen angegriffen, das sich auf seinem Gesicht festsetzt und ihm ein Alien in die Brust einpflanzt – das später aus ihm herausbricht und Jagd auf die Besatzung macht. Eine Filmszene, die heute ebenso berühmt wie berüchtigt ist. Der Film war seinerzeit ein Überraschungserfolg und begründete Ridley Scotts Ruf als Filmemacher.

Für die Fortsetzungen wurden ebenso renommierte Regisseure verpflichtet, die ihre ganz eigenen Aspekte einbrachten. Daher gehen die Meinungen der Fans über diese Filme weit auseinander. Als Scott selbst 2012 mit „Prometheus“ und dann 2017 mit „Alien: Covenant“ zur „Alien“-Reihe zurückkehrte, waren diese Filme nicht das, was viele erwartet hatten: zu verkopft, zu mythologisch aufgeladen, zu wenig mit dem ursprünglichen „Alien“-Film verbunden.

Alvarez wollte sich nun auf die Ursprünge der Filmreihe besinnen. „Alien: Romulus“ ist zwischen „Alien“ und „Aliens“ angesiedelt und dreht sich um eine Gruppe junger Planetenkolonisten, die eine verlassene Raumstation plündern wollen. Grusel, Horror und starke Bilder bestimmen den Film – und viele Effekte, die ohne Computeranimation und mit wenig digitaler Nachbearbeitung auskommen.

Für viele ist die „Alien“-Saga nicht irgendeine Filmreihe, sondern ein Meilenstein des Science-Fiction-Kinos. Regisseure wie Ridley Scott, James Cameron und David Fincher haben ihr den Stempel aufgedrückt. Andere sind damit gescheitert – wie etwa Neill Blomkamp, der seinen eigenen „Alien“ nicht verwirklichen durfte.

Fede Alvarez

ROLLING STONE traf Fede Alvarez zum Interview. Kinostart von „Alien: Romulus“ ist am 15. August 2024.

Mr. Alvarez, Wie groß war die Vorfreude und wie groß die Angst und Panik, an einem „Alien“-Film zu arbeiten?

Ich hatte keine Angst. Da war auch keine Panik. Ich dachte, ich schaffe das schon. Ich weiß selbst nicht warum, aber ich war eigentlich die meiste Zeit ziemlich entspannt. Vielleicht war ich sogar ein bisschen leichtsinnig. Aber wer zu viel Angst hat oder zu unsicher ist, um einen Film zu machen, der wird nie einen drehen. Es gibt keinen sicheren Weg, einen Film zu produzieren. Jedesmal muss man etwas riskieren.

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Der größte Druck, den ich gespürt habe, war einfach, etwas Gutes abzuliefern. Letztendlich geht es bei jedem Film darum, dass sich die Leute zwei Stunden lang darauf einlassen, eine Geschichte anzuschauen. Ich verlange da viel, und ich hoffe, dass es die Geschichte wert ist. Und für einen Cineasten, der Filme liebt, gibt es nichts Schlimmeres als einen Film, der einfach nicht gut ist. Das ist der größte Druck, da kommt er her. Aber natürlich gibt es auch einen gewissen Nervenkitzel. Vor allem, wenn man mit diesen Regisseuren in einem Atemzug genannt wird. Aber ganz ehrlich: Für mich ist es einfach das Wichtigste, wenn jemand einen gesehenen Film wirklich toll findet.

Es gibt einen Mann, ohne den es das Alien nicht gäbe: den 2014 verstorbenen Künstler HR Giger, der die Kreatur erdacht hat. Er war sehr enttäuscht, dass sie nach dem ersten Film viel von ihrer Persönlichkeit und ihrer Metaphorik verloren hatte. Es war nur noch ein Monster und nicht mehr dieses elegante, aber auch erotisch aufgeladene Raubtier. Was würde Giger wohl von dem Alien in Ihrem Film halten?

Ich glaube, Giger wäre sehr stolz. Zumindest hoffe ich das. Wir haben uns sehr stark an sein Originaldesign gehalten. Es ist in vielerlei Hinsicht einfach sein Alien, das man hier auf der Leinwand sieht. Es ist sein Geschöpf. Natürlich gibt es einige Veränderungen, die wir für vorteilhaft hielten und die mit der Entwicklung der Figur zu tun haben. Aber wir haben uns sehr auf die grundlegenden biomechanischen Aspekte konzentriert, die es definieren.

Wir scheuen uns auch nicht zu zeigen, wie sich das Xeno[morph] fortpflanzt. Wir zeigen ganz explizit, warum der Facehugger auf das Gesicht seines Opfers springt, was er dann macht. Etwas, das normalerweise abseits der Kamera passiert. Ich denke, das ist wichtig. Ich tue es, weil ich möchte, dass das Publikum einfach versteht, warum diesen Leuten passiert, was ihnen passiert. Es ist wichtig, das zu zeigen, weil es Teil des Schreckens ist. Weil es einfach furchterregend ist. Und dann ist da dieser Kokon an der Wand … in dieser einen Szene. Aber ja, ich denke, Giger wäre zufrieden und stolz, das zu sehen. Es gibt viele Aspekte, bei denen wir versucht haben, dem ursprünglichen Material treu zu bleiben. Das betrifft nicht nur Giger, sondern auch Ron Cobb und andere. Man sieht die Arbeit einiger legendärer Designer im Film, weil wir zu ihren Ideen und Designs zurückgekehrt sind. Sie hatten viele Ideen, die es nicht in den Originalfilm schafften, die wir aber jetzt aufgegriffen haben. Vieles in [Romulus] basiert auf ihren alten Konzeptzeichnungen.

Sie haben auch sehr stark auf Practical Effects gesetzt, oder? Also weniger Computeranimation und mehr gebaute Modelle und Animatronik.

Auf jeden Fall! Ich wollte, dass alles, was man mit praktischen Effekten machen kann, auch mit praktischen Effekten gemacht wird. Und das ist echt viel. Denn es macht etwas mit einem Film, wenn die Dinge echt sind. Wo CGI die bessere oder die einzige Lösung war, haben wir natürlich darauf gesetzt. Und manche Szenen waren so nur mit Computereffekten möglich. Aber ich hoffe, dass die Leute, wenn sie den Film sehen, spüren, dass vieles echt ist. Wir haben etwa viele Miniaturen von Hand gebaut, die wir dann eingescannt und für einige große Szenen digital verwendet haben.

Wir hatten etwa Ian Hunter dabei, der den Mars für „Total Recall“ gebaut hat, als er noch total jung war. Er hat auch die Szene mit dem Tumbler [auf den Dächern] in „Batman: Begins“ umgesetzt, er war bei „Interstellar“ dabei. Er hat für uns die Raumschiffe als Miniaturen konstruiert. Wir hatten ferngesteuerte Facehugger am Set, die wahnsinnig detailliert sind. Wir hatten ein Alien, eine große Animatronic, die an einem Teleskopkamerakran hing, so dass sie springen und sich wahnsinnig agil bewegen konnte. Wir hatten sogar Phil Tippett an Bord, der uns bei einigen Animations- und Bewegungsproblemen unterstützte. Es war ein echtes Privileg, dass er uns geholfen hat.

„Was Ridley damals machen wollte, war ein „Texas Chainsaw Massacre“ im Weltraum“

„Alien: Romulus“ soll also eine starke Rückbesinnung auf die Ursprünge der „Alien“-Filme sein. Wie war in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Ridley Scott? Er hat den ersten Film gedreht. Aber er hat später auch „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ gedreht, die von den Fans eher kritisch aufgenommen wurden, weil sie mehr in Richtung Schöpfungsmythologie gingen, weg vom Horror.

Ja, das stimmt. Ich wollte zur ursprünglichen Form zurückkehren. Man muss bedenken: Als „Alien“ in die Kinos kam, hat den Film niemand sofort als das Meisterwerk erkannt, das er ist. Das kam erst später. Was Ridley Scott damals machen wollte, war ein „Texas Chainsaw Massacre“ im Weltraum. Ein echter Exploitation-Film, Horror in Reinform. Ich glaube, mit der Zeit, wenn man älter wird, fängt man an, solche Filme anders zu sehen. Man entdeckt und schätzt andere Facetten, die sie großartig machen – die psychosexuellen Aspekte, die subtilen Untertöne. Man fängt an, diese Dinge mehr zu schätzen als die anderen.

Scott hat sich zuletzt auf den intellektuell anspruchsvollen Teil konzentriert und dabei die Essenz etwas vernachlässigt. Also den Horror, die krasse Exploitation, das was den ersten Film stark definiert. Ich persönlich liebe beide Aspekte. Beides gehört zu „Alien“. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich versucht habe, ein paar Schritte zurückzugehen. Ich wollte ehrlich damit umgehen, was „Alien“ ist. Ich wollte den weniger anspruchsvollen Teil würdigen, der seine gruselige Natur ausmacht, der ihn damals zu dem Midnight Movie machte, den man einfach gesehen haben musste.

Das passt auch sehr gut zur Besetzung des Films: Es sind junge Erwachsene, die von ihrem eher deprimierenden Planeten abhauen, um eine vermeintlich verlassene Raumstation zu plündern, wo dann alles schiefläuft. Das erinnert etwas an Stephen King.

Da mag etwas dran sein. Aber ich muss auch sagen: Ich neige generell dazu, das Leben junger Erwachsener und prägende Momente in ihrem Leben zu inszenieren. Einfach, weil es auch für mich eine sehr wichtige Zeit war. Es war eine Zeit, in der ich die größten Veränderungen in meinem Leben erfahren habe, in meinen frühen Zwanzigern. Ich glaube, das ist die Phase, in der du langsam anfängst, erwachsen zu werden, wo du wirklich beginnst, die Welt zu sehen. Als Teenager ist man dagegen noch völlig verwirrt, das ist ein interessanter Übergang. Manche Jugendliche fühlen sich da noch verloren. Andere versuchen noch herauszufinden, ob ihre Eltern toll sind oder nicht.

Aber es gab auch eine Szene in „Aliens“, die es nicht in die erste Kinofassung geschafft hat, die ich aber irgendwann gesehen habe. Man sieht ein paar junge Leute, die durch einen Korridor in [der Planetensiedlung] Hadley’s Hope rennen. Damals, lange bevor ich „Romulus“ drehen wollte, habe ich mir überlegt, was wohl mit ihnen passieren würde. Wie diese Kinder in so einer Kolonie aufwachsen, die ihnen nichts zu bieten hat. Ein Ort, der nur ein toter Fels im All ist, wo es erst in 50 Jahren eine Atmosphäre geben wird. Menschen sind nicht dafür geschaffen, so zu leben und das einfach hinzunehmen. Sie wollen ausbrechen. Sie wissen, dass das System für sie nicht funktioniert.

Das ist es, was ich im Kopf hatte. Wenn du in einem Dritte-Welt-Land aufwächst, oder wenn du in einem kleinen Dorf außerhalb einer großen Stadt aufwächst, dann willst du mehr, du willst etwas entdecken, du willst über das hinausgehen, was deine Umgebung dir bietet. Auch wenn man dafür etwas total Dummes tun muss. Und ich glaube, dass sich ein großer Teil des Publikums in diese jungen Leute hineinversetzen kann, egal wie alt sie sind. Denn sie werden genauso wenig Ahnung haben, wie sie die Situationen im Film überleben könnten, wie die jungen Leute auf der Leinwand.

Die „Alien“-Reihe ist dafür bekannt, dass es unzählige Drehbücher für Filme gibt, die nie gedreht wurden. Darunter sind Skripte von Autoren wie William Gibson und David Twohy oder Regisseuren wie Vincent Ward und Stuart Hazeldine. Dazu kommen Comics, Romane und Hörspiele. Haben Sie sich damit befasst?

Oh ja, ich habe während meiner Recherchen und der Vorproduktion so viel gelesen. Bevor ich das erste Wort [für „Alien: Romulus“] geschrieben habe, habe ich mir alles angesehen, was ich finden konnte. Allein mit den Comics habe ich Stunden verbracht. Und dann die Romane. Es gibt einfach so viel. Manches ist wirklich toll, manches nicht. Ich habe so viel gelesen, dass in meinem Kopf alles zu einem großen Brei zusammengeflossen ist. Ich kann das alles gar nicht mehr richtig auseinanderhalten und sagen, was jetzt [welcher Roman oder welches Comic] war.

„Eine Welt wie die von „Alien“ sollte sich wie ein Fenster in eine andere Dimension anfühlen“

Derzeit arbeitet der Produzent Noah Hawley, bekannt durch die Serie „Fargo,“ an einer Serie, die im „Alien“-Universum spielen soll. Er hat gesagt, dass für ihn – und damit für seine Serie – „Prometheus“, „Alien: Covenant“ und damit wohl auch die Comics, Bücher und Videospiele nicht kanonisch sind – also praktisch nicht existieren. Wie ist das bei Ihnen?

Ich glaube, ich habe mich wirklich gut eingelesen. Ich habe wirklich nachgeforscht. Und deswegen möchte ich auch glauben, dass alles, was ich da [in den Büchern und Comics.] gelesen habe, irgendwie stimmt. Dass es diese zusammenhängende Welt bildet. Natürlich kann man für sich eine Entscheidung treffen, die die Regeln für einen ändert – das ist eine kreative Entscheidung. Aber ich möchte daran glauben: Je besser wir unsere Geschichten erzählen, desto mehr Verbindungen können hergestellt werden, desto stärker wird das Fundament [des „Alien“-Universums] und desto glaubwürdiger wird es.

Eine Welt wie die von „Alien“ sollte sich wie ein Fenster in eine andere Dimension anfühlen, in der alles echt sein kann, in der das, was diesen Leuten passiert, echt ist. Das ist auch der Grund, warum ich es normalerweise nicht mag, bekannte Stars zu casten. Denn sobald man einen Star auf der Leinwand sieht, ist die Illusion weg. Vor allem, weil diese Menschen heute so exponiert sind, man erfährt ständig etwas über ihr wirkliches Leben. Das macht es schwierig, mit ihnen so ein Fenster in eine andere Dimension zu öffnen.

Gehört auch „Blade Runner“ dann in diese Dimension? Es gibt schließlich die Theorie, dass „Alien“ und „Blade Runner“ in einem gemeinsamen Universum spielen.

Ich glaube, es wäre aus rechtlichen Gründen etwas schwierig zu behaupten, dass es eine Tatsache ist. Aber ich denke, es gibt definitiv einige Hinweise, die darauf hindeuten. Es gibt so einige Elemente, die „Alien“ und „Blade Runner“ gemeinsam haben. Und natürlich hat Ridley [Scott] beide Welten erschaffen. Für mich teilen sie sich ein Universum. Zumindest möchte ich das glauben. Aber da „Alien“ und „Blade Runner“ verschiedenen Studios gehören, ist das heute leider etwas schwierig. Es ist eine komplizierte Situation.

Michael Förtsch
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