Aktion direkt
Chad Stokes Urmston von State Radio ist ein Mann für die Basis. Mit seiner letzten Band, den Polit-Reggae-Folkies Dispatch, schuftete er sich vom kleinen Jugendzentrum bis zum Arena-Act, wo er allerlei Politisches skandierte, Korruption anprangerte und soziale Missstände zuhauf thematisierte. Urmston hat die Agitationswut der US-amerikanischen Hardcore- und Straight-Edge-Bands der späten Achtziger und den feierlichen Freiheitswillen der Reggae-Altmeister, möchte Bewegungen initiieren und die Dinge generell zum Besseren wenden. Das kommt nur noch selten vor, und es ist etwas ungemein Sympathisches, Animierendes in dieser völligen Abwesenheit von Ironie und Apathie.
Auch seine aktuelle Band, State Radio, lebt von dem Willen zum Inhalt, zur Aktion, zum praktischen Protest. Doch Stokes ist kein wütender Straßenkämpfer, auch wenn der Straßenkampf immer eine Option zu sein scheint, sondern ein freundlicher Kerl mit offenbar sehr großen Energievorkommen für andere Menschen. Das wird bei den langen Gesprächen mit Fans nach den Shows ebenso deutlich wie beim Interview und bei vielen konkreten Aktionen seiner Band. Die geschehen übrigens planvoll: Um bei ewigen Tourneen nicht in der Musikmühle stecken zu bleiben – Urmston hat bei Dispatch erlebt, wie Anspruch und Wirklichkeit auseinanderdividiert werden können —, werden in den jeweiligen Spielorten von langer Hand Aktionstage mit Band und Fans organisiert, von denen meist Leute nachhaltig profitieren, der es brauchen können.
Dem zweiten Album, „Tear Of The Crow“, hat Tchad Blake seinen Stempel aufgedrückt, die Mixtur aus Hardcore, Reggae und Indie-Rock aber mit viel Charakter ausgestattet. „Wir waren lausig vorbereitet“‚, seufzt Urmston, „nach dem ersten Take hat Tehad sein Regiemikro ausgeschaltet-ich wette, er hat seinen Toningenieur entsetzt angesehen und sich innerlich auf eine schlimme Produktion eingestellt.“ Es wurde dann aber doch eine gute, druckvolle, inhaltlich engagierte Platte. State Radio entlarven die Familie Bush als US-amerikanisches Grundübel, beklagen den Horror von Darfur und verschaffen diversen Skandalen öffentliches Gehör – mit vielen Hochgeschwindigkeits-Attacken, aber auch klaren Refrains und einem beschwörendem Fernweh wie bei Bob Marley. „Das Ziel von State Radio ist, Leuten mit unseren Inhalten zu erreichen, während sie unsere Musik genießen. Ich will niemanden vor den Kopfstoßen, sondern hoffentlich ein paar Leute über gewisse Zustände aufklären.“
Ein anderer Beleg für Stokes kreative Aufruhr ist „How’s Your News?“, ursprünglich ein selbst gemachter 30-minütiger Film, jetzt eine für MTV konzipierte Nachrichtensendung, in der behinderte Menschen um die Welt reisen und selbst die Inhalte bestimmen. Die Geldgeber sind Matt Stone und Trey Parker von „South Park“. „Solange die Leute an uns glauben und wir selbst den Eindruck haben, etwas Gutes geben zu können, machen wir weiter – mit allem, was uns einfällt.“