Adele: So war das Auftaktkonzert in München
Auf der gigantischen Bühne bleibt die Musik doch der strahlende Mittelpunkt der Adele-Welt. Ein Glück!
Eigentlich sollte es nur um die Musik gehen, natürlich. Schließlich hat Adele vier gute bis großartige Alben gemacht, sie singt wie keine Andere – und wenn sie das live tut, ist es immer ein Ereignis. Zuletzt war sie 2016 in Deutschland zu sehen. Nun also zehn Konzerte in München, die einzigen in Europa.
Und die gigantischen Zahlen lenken einen doch erst mal ein bisschen ab: 400.000 Quadratmeter ist die „Adele World“ groß, das Gelände wurde extra für die Sängerin gebaut. (Ökologische Fragen schießen einem durch den Kopf, da nützt auch das Adele-Pub nichts – ein Nachbau von The Good Ship in Kilburn, wo sie ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben hat.) Es gibt ein Karussell, ein Riesenrad, einen Markt – noch mehr Kirmes als beim gleichzeitig stattfindenden Wacken-Festival also. Und hier ist auch fast alles schwarz: die Stühle, die Toilettenhäuschen, die Mülleimer. Stylish! 74.000 Fans gucken am Auftaktabend auf die 300 Meter breite Bühne, hinter der sich eine Leinwand wie ein Filmstreifen windet (oder „like a big hug“, wie Adele später sagen wird).
Am Auftaktabend sieht all das beeindruckend aus – und noch schöner ist es, dass es dann gar nicht mehr um all das Gewese drumherum geht, nämlich ab dem Moment, als Adele zu „Hello“ die Bühne in München betritt. Plötzlich zählt nur noch die Musik. Es ist ihre Welt, wir leben nur darin.
Regen beim Auftaktkonzert von Adele in München
Nach „Rumour Has It“ muss sie allerdings erst mal die lange Schleppe ihres Kleids loswerden, wegen Stolpergefahr. Lustigerweise hat wohl bei all den gigantischen Kulissen niemand daran gedacht, dass es in Süddeutschland im Sommer gern mal regnet. Und genau als Adele anfangen sollte, hatte es wie aus Gießkannen geschüttet. Sie kam dann etwas später, aber die Bühne war noch tropfnass, genau wie alle Zuschauer:innen. Ein Dach war bei dem weitläufigen, aber recht flachen Pop-up-Stadion nicht drin.
Egal, spätestens ab der ersten Klavierballade, „Easy On Me“, ist einem wieder warm, und Adele hat ihr Publikum im Griff. Ihre Stimme sowieso, doch es ist besonders faszinierend, wie sie gleichzeitig eine perfekte Zeremonienmeisterin gibt (Heiratsantrag im Publikum, einen Siebenjährigen auf die Bühne holen, T-Shirt-Kanonen: alles dabei), die ihre Gesten präzise einsetzt – und dann zwischen den Songs so unverstellt redet, als säße sie immer noch im Pub. Sie lässt uns wissen, wie „fucking scared“ sie ist, dass ihr BH nicht richtig sitzt und sie so viel erzählt, weil sie ja kaum noch aus dem Haus kommt. Wenn nicht einfach ihr Gesicht in Großaufnahme gezeigt wird, sondern Videos, lenken die doch etwas ab. Man verliert die echte Adele dann fast aus den Augen. Bei „Oh My God“ halb so schlimm, sowieso das schwächste Stück des Abends.
Die großen Momente sind immer die, wenn Adele so herzzerreißend singt, dass einem kaum auffällt, wenn plötzlich die Streicher einsetzen und alles noch bombastischer wird. Auch die neunköpfige Band mit den drei Background-Sängerinnen spielt stets eine Nebenrolle. „Je betrunkener Ihr seid, desto besser bin ich“, sagt Adele – aber es braucht in München kein Bier aus einem eigens entworfenen Adele-Krug, um zu hören, dass sie einmalig ist – gerade weil sie nie übertreibt. Sie singt aus vollem Herzen, nicht um anzugeben. Zum ersten Mal seit acht Jahren gönnt sie dem Publikum wieder ihren ersten Hit „Chasing Pavements“. Die Naivität von damals hat sie natürlich verloren, aber sie kann sich immer noch problemlos hineinversetzen.
Zum Ende zieht die Show noch mal an, „Skyfall“ und „Set Fire To The Rain“ klingen jetzt schon wie Klassiker, noch berührender ist das melancholische „When We Were Young“. Vor „Someone Like You“ erzählt sie mit Tränen in den Augen, wie dieser Song für sie alles verändert habe – und nach „Rolling In The Deep“ beschließt ein standesgemäßes Feuerwerk den Abend. Das größte Spektakel bleibt trotz allem Adeles Stimme – sie ist der Mittelpunkt der Adele-Welt. Ein Glück!