ABSOLUTE POWER von Clint Eastwood
Die dunklen Seiten der Macht Gene Hackman hat der Maske des gierigen Biedermanns und hemdsärmligen Emporkömmlings sein Gesicht aufgedrückt. In Sidney Lumets Drama „Power“ (1986) war er ein korrupter konservativer Kandidat für das Amt des Senators. In dem Thriller „No Way Out“ war er aufgestiegen zum Verteidigungsminister, der nach seinem Eifersuchtsmord an seiner Geliebten zum weinerlichen Risiko wird für seinen Assistenten und Bewunderet, dessen Vertuschungsaktion an einem aufrechten Offizier scheitert. Bevor der Intrigant sich erschießt, belehrt er den Rivalen: „Du hast nicht begriffen, was Macht bedeutet“
„Absolute Power“ führt alle diese Motive vor und bis ins Weiße Haus. Safeknacker Luther Whitney (Clint Eastwood) will sich mit seinem Einbruch in die Washingtoner Villa des Milliardärs Sullivan (E.G. Marshall), der auf den Bahamas urlaubt, seine letzten Tantiemen für einen lukrativen Lebensabend besorgen. Er öffnet einen Geheimraum, der Juwelen und Geld enthält – und einen Venezianischen Spiegel, durch den man ins Schlafzimmer blicken kann. Unerwartet betritt ein älterer Mann mit einer jungen Frau das Gemach. Beide sind betrunken. Im TresorkabufF beobachtet Luther, wie sie miteinander schäkern, sich ausziehen, bis der Kerl beim Grapschen plötzlich grob wird. Mit sadistischer Lust schlägt er ihr ins Gesicht und würgt sie. Sie ergreift einen Brieföffner, will auf ihn einstechen, da stürmen zwei Männer herein – und erschießen sie. Es folgt eine Dame, die den verwirrten Freier beruhigt und kühl alle Sputen beseitigt Collin (Bennis Haysbert) und Burton (Scott Glenn) sind Agenten vom Secret Service, Gloria Russell (Judy Davis) ist Stabschefin des US-Präsidenten Alan Richmond. Und der ist klar, Gene Hackman.
Leinwand neu im KinoClint Eastwood ist ein eider statesman des Kinos, einer der letzten dieser Art und in seinem Weg und Wirken ohnehin einzigartig. Als Sergio Leone mit seinen Italo-Western auf die amerikanische Heimadegenden zielte, war Eastwood der Namenlose am Abzug. Mit Don Siegels „Dirty Harry“ trug er den Lakonismus und Nihilismus des wortkargen Wanderers und Waffenfetischisten von der Prärie in die Großstadt. Er gründete die Produktionsfirma Malpaso, was übersetzt Fehltritt heißt, und machte fast alles richtig. Er drehte noch Western, als dieses Genre längst tot war, und er beerdigte es, indem er es mit „Erbarmungslos“ als Abgesang auf Mythos und Machismo noch einmal aufleben ließ. Früher latente Selbstironie erstickte er mit seinen Tränen in „Die Brücken am Fluß“. Die Demontage zementierte aber zugleich seinen Ruf als einsamer Wolf.
Der bleibt er auch als Senior, wie er in seiner verdunkelten Wohnung ißt, beim Zeichnen im Museum mit milder Ironie dem Flirt einer jungen Blondine ausweicht und um Töchter Kate ringt, die sich von ihm entfremdet hat. Dies ist nicht ohne Peinlichkeit, zumal er damit auch moralisch der Widerpart ist zu Richmond und dem greisen Sullivan, dessen Gattin die Tote war. Da nur Luther für den raffinierten Bruch in Frage kommt, wird er auch als Mörder verdächtigt. Er will sich absetzen, als er im Fernsehen Richmonds Rede hört, in der er seinem Mentor Sullivan sein Beileid vorheuchelt. Das erträgt Dirty Harry natürlich nicht, stellt die Tasse mit koffeinfreiem Kaffee ab – und spielt alle Verschwörer gegeneinander aus. Zwar ohne 44er Magnum, aber sonst ganz der Alte.
„Absolute Power“ ist ein Thriller alter Männer, dessen Bedächtigkeit nur über die Erinnerung an alte Zeiten und mit Alterswitz funktioniert. In „Die zweite Chance“ kokettierte Eastwood mit Kreislaufproblemen, nun läßt er den Cop Seth (Ed Harris) mit dem symbolträchtigen Satz sitzen: „Ich muß meinen Herzschrittmacher checken lassen.“
Den braucht, in allen Ehren, auch dieser Film.