Abschied von „Dr. House“
Heute abend läuft auf RTL die letzte von 177 Folgen - es wird ein furioses Finale für "Dr. House". Eine Verbeugung von Birgit Fuß.
Am Ende der ersten Folge dachte ich: Ob ich diesem Stinkstiefel treu sein kann? Am Ende der 8. Staffel, nach 177 Folgen, frage ich mich: Was mache ich nur ohne ihn? So läuft das manchmal, in der Liebe und im Fernsehen. Normalerweise tendieren Arztserien dazu, einen irgendwann zu langweilen – es sei denn, sie sind so gut geschrieben wie „ER“, wo es allerdings schon deshalb spannend blieb, weil permanent das Personal wechselte. Die medizinischen Fachbegriffe, die Operationen, Blut und Zuckungen verlieren schnell ihre Faszination. Und dann fangen alle Ärzte erst eine Affäre mit der einen, dann mit der anderen Kollegin an, bis keine(r) mehr übrig ist, der noch Beziehungen außerhalb des Krankenhauses hat. Bei „Grey’s Anatomy“ ist das so, bei „Private Practice“ auch.
Am Princeton-Plainsboro gab es kaum solch billige amouröse Verwicklungen, was vor allem daran lag, dass House nur selten eine Frau fand, die interessant genug für ihn schien. Die große Liebe in dieser Erzählung war eine platonische: die zu Dr. James Wilson (Robert Sean Leonard), dem sanften Onkologen, der jede Katastrophe, jeden Streich und jede Laune von House ertrug. Manchmal wurde er ein bisschen böse, manchmal regte er sich ein bisschen auf. Doch am Ende blieb immer die Freundschaft, und insgeheim freute sich Wilson über den anarchischen Witz und die Unberechenbarkeit seines Kumpels. Mit House wurde es nie langweilig.
Viel wurde geschrieben über den Zynismus dieses Diagnostikers, die Tablettensucht, das menschenverachtende Genie – so einen Arzt hatte es im Fernsehen noch nie gegeben. (Im echten Leben, befürchte ich, schon.) Tatsächlich wahrte House, wenn es möglich war, die Distanz zu seinen Fällen („Patienten vermiesen den meisten Ärzten auf der Welt das Leben“), aber wenn es nötig war, stürmte er immer ins Krankenzimmer und blaffte Betroffene oder Familien direkt an, damit sie sich auf seine Therapie einlassen. Ein Leben aufzugeben – das kam nicht in frage. Er wollte bloß keine Dankbarkeit dafür, auch keine Weinerlichkeit und kein unnötiges Gelaber.
Möglicherweise hätten wir diesen humpelnden Misanthropen bald im Stich gelassen, wäre er nicht von Hugh Laurie gespielt worden. Erst im Laufe der Staffeln wurde richtig klar, was für ein Glücksfall dieser Mann ist: ein gebildeter Komiker aus Großbritannien, bei dem jede Pointe sitzt, in dessen Gesicht aber stets eine subtile Trauer zu sehen ist, selbst in den skurrilen Momenten. Hinter den Zoten und Aphorismen, hinter Sarkasmus und Arroganz ließ er immer wieder den von Schmerzen zerfressenen Menschen durchscheinen, für den jeder Tag eine Mutprobe war. Er hatte keine Geduld für Sensibelchen, weil er selbst keines sein wollte. Obwohl man nur die Hälfte der Diagnosen verstand, war klar: House versuchte mit seiner groben Art nur, sich selbst zu schützen – und blieb doch immer ein Idealist, der bloß von Bürokratie, Sachzwängen und Vertrauensbrüchen enttäuscht war. Vom Leben eben, das ihm nicht gerade Glück gebracht hatte. Manchmal sagte er etwas Gnadenloses oder Gemeines, und dann reichte ein Blick, und man musste weinen. Laurie hielt nicht nur acht Jahre an „House“ fest, weil er damit zum bestverdienenden Serienstar aller Zeiten wurde, sondern, weil er wusste: So eine außergewöhnliche Rolle bekommt er nie wieder.
Heute abend ist also Schluss. Es wird ein gewaltiges Finale mit einer Beerdigung und einem Neustart, mit einem recht versöhnlichen Ende also – was bitter nötig ist nach den qualvollen letzten Wochen. Dass ausgerechnet der herzensgute Wilson, der so viele Menschen gerettet oder wenigstens getröstet hat, an Krebs erkrankt – eine Ironie des Schicksals, die House kaum akzeptieren konnte. Dem Zuschauer fiel es auch schwer. Das sollen also unsere letzten Wochen mit House sein: Ehefrau weg, bester Freund todkrank, kein Trost in Sicht? Es ist natürlich eine Schande, dass sich Lisa Edelstein nicht überreden ließ, noch einmal als seine geliebte Dr. Cuddy zurückzukehren – aber ein hundertprozentiges Happy End hätte gar nicht zu House gepasst. Oder, wie er einmal so schön sagte: „Menschlichkeit wird überbewertet.“
Der Dienstagabend wird nie mehr so traurig, so lustig, so dramatisch sein wie bisher.