A.R. & Machines live in Berlin: Späte Genugtuung für Achim Reichel
Im Berliner Admiralspalast führte Achim Reichel gemeinsam mit befreundeten Klangkünstlern die Musik auf, für die er in den 70ern vom Hof gejagt wurde.
Keine Sekunde lang will sich Achim Reichel feiern lassen, als er die Bühne des Admiralspalast in Berlin im blütenweißen Outfit betritt. Bloß keine stehenden Ovationen für die Vergangenheit, denn die hielt für den späteren Gründer und Sänger der Rattles viele Schmerzen bereit. „Heute ist alles anders“, sagt er mit triumphierender Stimme und meint damit, dass die Musik von A.R & Machines inzwischen die Wertschätzung erhält, die sie verdient. Natürlich im Ausland, wie der Musiker ohne einen Funken Ironie nachschiebt. Dort habe man Reichel inzwischen als Erfinder des Loopings anerkannt. Das mache ihn zwar nicht glücklich (schließlich sei er ja mit seinen befremdlichen Soundtüfteleien einst unverstanden vom Hof gejagt worden) – aber es sei eben ausgesprochen schmerzlindernd.
Anfang der 70er hatte Achim Reichel seine Gibson Firebird in ein Tonbandgerät gestöpselt und nach der Aufnahme beim Wiederhören bemerkt, dass die Gitarren plötzlich zu rauschen begannen. Der Grund war eigentlich einleuchtend, blieb dem Musiker aber zunächst ein Rätsel: Sein Gerät spielte ihm in Dauerschleife Echos der Tonfolge vor. Der dem Neuen stets aufgeschlossene Reichel hatte Blut geleckt und versenkte sich fortan in diese Experimentierwelt. Heraus kamen so unter anderem die unter dem Bandnamen A.R. & Machines entwickelten Alben „Grüne Reise“ und „Echo“. Längst vergriffen und nur für einen kleinen Kreis von Krautrock-Verfechtern und Tonkunstwerkverehrern viel Geld wert.The Art Of German Psychedelic
Es ist deshalb ein Ereignis, dass Reichel diese Musik, die an diesem Abend tatsächlich einen ganz wunderbaren Sog entwickelt, noch einmal auf einer kleinen Tour aufführt, um sie am Publikum auszutesten. Weil man unter dem Slogan „The Art Of German Psychedelic“ (so hieß auch eine Kompilation der Musik von A.R & Machines) durch die Lande reist, gibt es natürlich wildwuchernde, bunte Dekoelemente im Stile einer Lavalampe zu sehen. Hin und wieder erlaubt sich Reichel sogar eine kleine Lichtshow. So plustern sich nicht ganz so ernst gemeinte „Lieder“ wie „Echo Boogie“ und „Schiwago Shankar“ ganz hübsch auf .
Doch die Sperenzchen sind natürlich ganz und gar unnötig, um diese sphärischen Geräuschfaltierungen zu erfassen. Natürlich geht es um den sauberen, den komplexen Klang: Ein Perkussionist raschelt, bohnert, trommelt, scharrt und klingelt, was das Zeug hält. Reichel selbst gibt selten den Takt vor. Hin und wieder lächelt er, wenn die Songs tatsächlich dem nahe kommen, was er einst mit ihnen vor hatte – wie das nahezu perfekt gluckernde „Globus“. Stattdessen überlässt er einem Laptop-Künstler (Reichel: „Der Herr über die Dateien“) am Rand den Vorzug, der dann, oft auch unfreiwillig komisch, die Musikerrunde anleitet und am Computer auf und ab springt wie ein DJ-Imitator im Erlebnishotel auf Mallorca.
Entscheidend aber ist, dass diese „Cosmic Vibrations“ kaum gealtert sind. Allerhöchstens die Titel der Stücke („Verloren im Spiegelkabinett“) weisen auf ihren Entstehungszeitraum hin. Die Songs werden von der Band sogar in Richtung clubtauglichen Beats getrimmt. Allerdings wie selbstverständlich – und ohne die Werkzeugkastenpatina der originalen Modulsequenzen zu zerstören.Klangkunstwerke eben, wie sie moderner nicht sein könnten.
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