A-ha-Songwriter Pål Waaktaar im Interview: „’Take On Me‘ hat alle Türen geöffnet, aber …“

Über einen Zeitraum von zwei Jahren ließ sich A-ha-Mastermind Pål Waaktaar vom Journalisten Ørjan Nilsson für ein Buch begleiten. Entstanden ist ein einfühlsames Porträt des Songwriters – der jedoch eine klare Haltung vertritt, was das Norwegen seiner Kindheit angeht und die heutige Rolle seiner Band.

Wie bewerten Sie Stücke wie „Velvet“, die, mit Ihrer Band Savoy aufgenommen wenig beachtet, aber mit A-ha später zu Hits wurden?
„Velvet“ ist für mich natürlich eher ein Savoy-Song (er erschien 1996, die A-ha-Aufnahme im Jahr 2000). Die A-ha-Version mag ich nicht. Aber es ergibt für mich wenig Sinn, meine Lieder in Kategorien zu verfrachten, in denen ich sie danach unterscheide: Ist das A-ha oder Savoy? Eher denke ich generell darüber nach, ob ich von Stücken, die mir nicht gefallen, später neue Fassungen aufnehmen sollte … falls ich es je schaffen sollte, also till I’m six feet under. „Sycamore Leaves“ etwa nahm ich nach A-ha mit Savoy neu auf.

Viele Songs widmen sich Naturbeschreibungen. Was ging in Ihnen vor, als sie etwa „The Blue Sky“ schrieben?
„Blue Sky“ war einfach der Name eines Coffee Shops in London. Dort hingen wir immer ab. Das war ein trostloser Laden! Mit einem blauen Himmel hatte der gar nichts zu tun. Meine Frau macht sich immer über mich lustig: „Du liebe Güte, noch ein Song über Regen!“ Aber ich stelle mir es schwer vor, in Norwegen als Künstler zu arbeiten und nicht von der Natur beeinflusst zu sein, allein die Literatur ist immer von deren Elementen durchzogen. Der Bezug aufs Wetter ist auch als Stilmittel gut, es lassen sich leicht Stimmungen hervorrufen.

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„Tears from a Stone“ widmet sich einzelnen Stücken, und so erfahren wir, dass ausgerechnet etwa „Here I Stand And Face The Rain“ nicht in ihrem Heimatland geschrieben wurde …
Ich schrieb es auf Teneriffa. Wir hatten gerade unseren Plattenvertrag unterzeichnet, jeder bekam ein paar Tausender. Und was taten wir als erstes? Warfen das Geld aus dem Fenster und flogen in die Sonne. Schrecklich, denn wir hatten am Ende nichts mehr übrig, und wir durften nicht mehr in England einreisen, das wurde uns per Stempel bestätigt.

Sie sind sehr ehrlich in der Beurteilung der neueren Musik von A-ha, die nach der Reunion entstand  …
(lacht): Wie viele Wiedervereinigungen hatten wir nochmal?

Und ihr Biograf Nilsson bezeichnet die jüngeren Werke als bisweilen stromlinienförmigen Erwachsenenpop. Sie selbst weisen darauf hin, dass es kaum noch gemeinsame Zeit im Studio mit Harket und Furuholmen gibt. Stattdessen wird Musik als Datei hin- und hergeschickt. Wie lässt sich das ändern?
Natürlich habe ich es genossen, wie wir die ersten fünf Alben (1985-1993) aufnahmen. Es gab ein bestimmtes Budget, man buchte den Raum für eine gewisse Zeit … and then you’ll knock it out. Alles, was vor dem Internet entstand, war gut für A-ha. Mit den E-Mails und Laptop-Aufnahmen kamen die Schwierigkeiten. „Adult“ und „Contemporary“ sind nicht die Begriffe, die ich im Zusammenhang mit der Band gerne höre. Es ist frustrierend, wenn meine Songs am Ende anders klingen, so, wie sie auf den Alben landen.

In jüngeren Songs wie „Real Meaning“ oder „Cast In Steel“ meint man noch den Waktaar einer früheren Ära zu hören.
„Cast In Steel“ oder „Under The Makeup“: Das hätten Hits sein müssen. Hier drin (zeigt auf seinen Kopf) sind das Hits. In ihrer fertigen Version geben sie mir nicht mehr den Kick, den ich hatte, als ich sie schrieb.

Sie werden so zitiert: „Mittlerweile habe ich das Interesse verloren. Ich finde es schön, auf die Bühne zu gehen, einige Songs zu spielen und Kontakt zu den Fans zu haben, aber die Art und Weise, in der wir heute Musik machen, funktioniert nicht.“ Ist das nicht hart für Fans, die an A-ha glauben?
Die Darbietung der Songs ist doch viel einfacher geworden. Wir lieben die Stücke noch immer, wir führen sie gerne live auf, arrangieren sie neu. Es ging mir hier aber um die Studio-Aufnahmen. Die werden schwieriger. Sie erinnern mich manchmal an eine sehr langwierige Therapiesitzung. Die Alben mit Savoy und Zoe entstanden in wenigen Wochen. Das war toll. Ich will in einem Studio einfach nicht mehr verloren gehen, auf der Jagd nach der originären Idee zum Song. Ob ich das Hochgefühl mit A-ha erreiche oder einer anderen Band, ist dann eher zweitrangig.

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Sie berufen sich auf das „White Album“ der Beatles: Vier verschiedene Persönlichkeiten mit egozentrischen Ideen, die dennoch zu einem großen Ganzen wurden.
Das Schöne am „White Album“ war: Die Beatles spielten damals immer noch zusammen. Sie halfen einander im Studio aus. Ich habe ja nichts dagegen, wenn verschiedene Musiker verschiedene Lieder komponieren. Aber es wird schräg, wenn ein Song fertig präsentiert wird, ohne dass Bandkollegen daran beteiligt waren. Und um A-ha zu sein, müssen wir alle Drei an allem beteiligt sein.

Herr Nilsson, Sie konnten sich durch Demos und Songskizzen wühlen. Haben Sie unveröffentlichte Perlen entdeckt?
Nilsson: Ich konnte mir die zweite Platte von Pals und Magnes früherer Band Bridges anhören (sie sollte 1982 erscheinen, wurde aber nie fertiggestellt). Allzu viele Leute kennen sie nicht, hoffentlich wird sie noch herausgebracht. Es war die interessante Zeit dieser Gruppe. Man konnte die Entwicklungen von Songs hören, und die Musik wurde leichter. Daher auch dieser Fokus in meinem Buch – sowohl Bridges, als auch die Musikszene, als auch Norwegen haben sich von den Spätsiebzigern zu den Frühachtzigern geöffnet. Auf der zweiten Bridges-Platte ist auch eine Frühfassung von „Soft Rains Of April“ enthalten, die ersten Züge von „Scoundrel Days“.

Herr Waaktaar, manche Passagen erzählen von Ihrem Ärger über Plattenfirmen, lesen sich tatsächlich aber auch lustig: „Alle Shows, die Warner abgelehnt hatte, als wir dort unter Vertrag standen, sagte Universal zu, als wir 2014 dort unterschrieben. Wir haben sehr viel gemacht. Nenn mir eine Band unseres Formats, die so viel Scheiß gemacht hat wie wir. Du kannst uns mit jeder beliebigen Band vergleichen, die zeitgleich oder später angefangen hat … du findest keine.“
Nilsson (lacht): Nun wirst Du wahrscheinlich dazu verdonnert, in noch mehr solcher TV-Shows aufzutreten, auf die Du keine Lust hast!
Waaktaar (lacht): Meine Strafe, ja. Das Zitat spiegelt aber nur meine eigene Meinung wider. Und bezieht sich auf einen Teilabschnitt meiner Karriere, den ich so auch schon in der Frühphase von A-ha mitmachen musste. Wenngleich es gut losging: Es war ein amerikanisches College-Radio, das uns erstmals spielte, die allererste unserer „Take On Me“-Veröffentlichungen. Aber von dem Augenblick an, als Zeitschriften wie „Smash Hits“ auf uns aufmerksam wurden, zogen diese Radiosender sich sofort zurück. Wir flogen aus der Playlist. Anfangs dachten wir, wir sagen einfach zu allem „Ja“. Aber das Pensum schafft keiner. Es ist unglaublich wichtig einen Plan zu haben – und wenn ich merke, dass die Plattenfirma keinen Plan hat und zu allen Angeboten „Ja“ sagt, zu quotenträchtigen Sendungen, aber mit Zuschauern, die mit uns nichts anfangen können … Warner Music jedenfalls war sehr vorsichtig und ratsam: Das solltet ihr machen, jenes lieber nicht.

Unterhaltsam sind auch die Stellen, in denen Sie davon berichten, sich Playback-Auftritten verweigert zu haben: „Who gives a shit?“
Ich sah einfach keinen Sinn darin, um den halben Erdball zu reisen, rein in eine Sendung, und die Kamera blendet mein Gitarre vielleicht zweimal ein, und ich bewege dazu meine Lippen. Aber so sind wir Popstars halt: Beschweren uns die ganze Zeit! This is our job description. Und das ist heute für uns Gesetz: TV-Performance ja, aber nur noch live.

Ørjan Nilsson: „Tears from a Stone: Pål Waaktaar Savoy von a-ha über sein Leben und seine Songs“. Gebundene Ausgabe,  Riva, 288 Seiten.

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