A-ha live in Berlin: Wie gut die Reunion-Tour wirklich ist

Eine Rezension in zehn Punkten: Das haben A-ha noch drauf, das haben sie vergeigt

Am 13. April gastierten A-ha im Rahmen ihrer „Cast In Steel“-Tour in Berlin. Zehn Beobachtungen zum Live-Comeback des norwegischen Trios:

1. A-ha holen sich die Neunziger zurück!

Die 1990er-Jahre gelten als das verlorene Jahrzehnt der Band – nur zwei Platten veröffentlicht („East Of The Sun, West Of The Moon“, „Memorial Beach“), und das unter größten Spannungen. Dann kam der erste Split. Auf ihrer aktuellen Tournee beeindrucken A-ha durch den Einsatz von Visuals, die so aussehen, als hätte man sie dem Windows Media Player von 1995 entliehen – psychedelische Farbmuster, die immer neue Formen annehmen, tolle Desktop-Hintergründe. Damit haben A-ha das Jahrzehnt wohl wieder einkassiert.

Mehr zum Thema
Statement von A-ha: Das ist dran an der Darstellung, dass die Band sich schon wieder auflösen will

2. „Scoundrel Days“ bleibt ihr Lieblingsalbum

In seiner jüngst veröffentlichten Autobiografie „My Take On Me“ berichtet Morten Harket stolz, dass man auf der Tour von 2010 sechs von zehn Songs aus ihrem zweiten Album „Scoundrel Days“ (1986) gespielt hatte. Aktuell sind es noch fünf – aber immer noch mehr als von jeder anderen A-ha-Platte. Es ist ja auch ihr bestes Werk! „Hunting High And Low“, das Überhit-Album („Take On Me“!, „The Sun Always Shines On T.V.“!), hat mit vier Liedern das Nachsehen …

… 3. Und „We’re Looking For The Whales“ bleibt ihr bester Live-Song

„I Found Angels … Beached Outside Your Door“. Nie klangen die Musiker befreiter als in diesem 30 Jahre alten Stück, und die Energie überträgt sich auf die Bühnen-Version. Auf Platte ist das Outro schon toll, Harket und Magne Furuholmen improvisieren darin im Fade Out einen Gesang, der sich im Kopf immer weiter dreht, auch wenn alles längst vorbei ist. Live stellt sich Pal Waktaar vors Schlagzeug, seine Gitarre verlängert die Sehnsuchts-Melodie, die Klänge brechen aus.

Mehr zum Thema
A-ha :: Memorial Beach

4. Endlich wieder einen Bassisten an Bord

Aufgrund einer Entscheidung, deren Grundlage nicht ganz klar ist, verzichteten A-ha bei ihrer „Abschiedstournee“ von 2010 auf einen Bassisten. Das Instrument kam damals vom Band. Jetzt haben sie wieder einen Bassisten. Er ist groß, bärtig, langhaarig, jung. Könnte der Sohn eines der A-ha-Musiker sein, ein Death-Metaller, von denen es viele in Skandinavien gibt, oder eben einfach ein guter, begeisterungsfähiger norwegischer Musiker.

Der Chemie tut das gut, Waktaar hat auf der Bühne wieder einen Fixpunkt. Noch ein Grund mehr sich in Richtung Schlagzeug zu bewegen, für ihn als heimlicher Rocker ermöglich sich im Zusammenspiel so eine perfekte Trio-Kombination. Und der Live-Bass ist bei Songs wie „Crying In The Rain“, mit dem Ratzen und Rammeln auf den Saiten, ein echter Gewinn.

5. Pal Waktaar und Magne Furuholmen: Sind sie die besseren Interpreten?

Morten Harket hatte als Sänger mit den ersten fünf A-ha-Alben Maßstäbe gesetzt. Man sollte es ihm nicht zum Vorwurf machen, dass er das Volumen von „The Swing Of Things“ oder „The Living Daylights“ heute nicht mehr erreicht. Aber auch sein Einsatz fällt erstaunlicherweise ab, grade gegenüber dem von Gitarrist und Keyboarder.

Waktaar singt sein „Velvet“ (das Lied hatte er zuerst mit seiner Band Savoy veröffentlicht), Furuholmen wechselt zur Akustischen und bietet „Lifelines“. Beide Songs wirken lebhafter, intensiver und auch improvisierter als die anderen 19, die Harket anführt. Möglicherweise, weil Harket aufgrund seiner ursprünglichen Bandbreite einfach eine andere Fallhöhe hat. Es bleibt ein komisches Gefühl, gerade weil Pal und Magne an diesem Abend dem Publikum näher stehen – obwohl zwischen ihnen und den Zuschauern noch eine umgeschnallte Gitarre hängt.

Die mitgereiste Anneli Drecker wiederum ergänzt sich mit Harket ausgezeichnet, er ist ja im Doppel immer gut, und den Solo-Einsatz in der kompletten ersten Strophe von „Here I Stand And Face The Rain“ hat Drecker sich verdient.

A-Ha Perform In Munich
Furuholmen (li.) und Waktaar (hier im München)

6. Fanfaren bringen’s dann doch

Phil Collins hat’s getan („Sussudio“) und Prince auch („1999“) – die Keyboard-Fanfare gehörte in den Achtzigern zur echten Hitformel, kündigte Dramatik an, einen Auftritt im Blitzlicht. Heute werden Keyboard-Fanfaren nicht mehr komponiert, und nach „Cry Wolf“ darf man sich fragen, warum. Die Nebelmaschinen haben hier alles gegeben, und A-ha leisteten sich den Luxus, den Song noch nicht mal als Opener zu bringen, sondern als zweites Stück.

Mehr zum Thema
A-ha :: East Of The Sun, West Of The Moon

7. Auch die heimlichen Lieblingslieder finden in der Hit-Gala ihren Platz

In einer recht klar strukturierten, wahrscheinlich der überzeugendsten Passage seiner Memoiren erklärt Harket seine Angst vor der Zerstörung der Natur, dem Unheil der Monokultur, und hält eine Lobrede auf das Unkraut. Das eher unauffällige 2009er-Lied „Mother Nature Goes To Heaven“, keine Single-Auskopplung, spielt die Band an diesem Abend besser als jedes andere. „And There Will Be No Sadder Day / When All The Birds / Have Flown Away“. Könnte eine Poesiebuch-Zeile sein, ist aber Bestandteil eines berührenden Songs.

Mehr zum Thema
A-ha :: Hunting High And Low

8. David Lynch ist auch dabei

Womit wir zum zweiten „Geheimtipp“ des Abends kommen: „Sycamore Leaves“ aus „East Of The Sun, West Of The Moon“. A-ha haben diesem für ihre Verhältnisse recht langen und schleppenden Song seit 1990 immer wieder die Treue gehalten. „Out there by the roadside / Someone’s lying / Covered by sycamore leaves“. Der Legende nach war Regisseur David Lynch interessiert daran gewesen, das Lied vor 25 Jahren in seine Serie „Twin Peaks“ einzubauen, es hatte aber nicht geklappt. Wer diese Anekdote kennt, hat seitdem trotzdem den großen Surrealisten in Gedanken – sobald auch nur die ersten Töne des Stücks erklingen.

A-Ha Perform In Munich

9. Moment mal … Was ist mit „Analogue“?

„Analogue“ ist das bestes Album seit der Reunion von 1998, und keinen Song daraus spielt die Band aktuell live. Zugegeben, es fehlte der Platte ein Überhit á la „I’ve Been Losing You“, aber das Werk beeindruckte durch einen organischen, von der Gitarre geprägten Bandsound. Den Gegensatz dazu bildet die jüngste Scheibe „Cast In Steel“, die so klingt, als hätten die drei Musiker Demos im Studio abgeliefert, wo ein Produzent die Lieder dann mit leidlich zeitgeistigen Sounds „veredelte“.

Mehr zum Thema
A-ha :: Stay On These Roads

10. „Take On Me“ funktioniert auf der Bühne

Alles gut beim letzten Song des Abends, Nummer 21, „Take On Me“! Harkets Stimme ist da, das Schlagzeug klingt ähnlich knochig wie auf der 1985er-Single, und Waktaar weiß, was das Lied nicht braucht – eine zu laute Gitarre, er greift deshalb zur akustischen. Harket vergleicht „Take On Me“ ja mit „Also sprach Zarathustra“, betont Ähnlichkeiten, und er hat Recht. Zumindest, was die aufsteigende Tonfolge im Chorus seines Songs angeht.

Setlist:

I’ve Been Losing You
Cry Wolf
Move to Memphis
Stay on These Roads
The Swing of Things
Cast in Steel
Crying in the Rain
Mother Nature Goes to Heaven
We’re Looking for the Whales
Velvet
Lifelines
Here I Stand and Face the Rain
Scoundrel Days
Sycamore Leaves
She’s Humming a Tune
Foot of the Mountain
Hunting High and Low

Zugaben:
The Sun Always Shines on T.V.
Under the Makeup
The Living Daylights

Zugabe:
Take on Me

Stefan M. Prager Redferns
Stefan M. Prager Redferns
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates