Wenn Musiker kundtun, ihr neues Werk sei ihr „schutzlosestes, direktestes, persönlichstes“, ist Vorsicht geboten, weil diese Prämisse immer auch gegen Kritik immunisieren soll. Andrew Bird schickt dem Zitat aber gleich selbst ein entwaffnendes „Also habt Nachsicht mit mir, Leute!“ hinterher. Den Albumtitel traut sich natürlich auch nur, wer den confessional songwriter an sich dann doch mit Humor nimmt. „Here’s a little game, you can play along/ Do the walk of shame from the comfort of your home“, flirtet Bird am Anfang von „Truth Lies Low“, während zuvor „Roma Fade“ – leicht, treibend – die andere Seite von Begehren, Sehnsucht, Beobachtung bloßlegte.

Der Mann aus Chicago kann ja nicht wirklich aus seiner distanzierten Haut. Wie eine Versuchsanordnung wirkt selbst und gerade „Left Handed Kisses“, ein eher augenrollendes als schmachtendes Duett mit Fiona Apple und dem aparten Auftakt „I don’t believe everything happens for a reason (er)/To us romantics out here that amounts to high trea­son (sie)“. Tony Berg durfte das im Studio erleben. Zum zweiten Mal nach „The Mysterious Production Of Eggs“ (2005) erweist er sich für Bird als idealer Produzent.

Doch selbst wenn Bird nur Bauchnabel-Erkenntnisse für uns übrig hätte: Wir könnten es ihm kaum übel nehmen, weil diese klug dosierte Pizzikato-Geige immer noch so unwiderstehlich ist wie das Pfeifen im Walde („Chemical Switches“), zwischen Bill-Withers-Ersatzfunk „Capsized“, dem flehend-quicklebendigen „Saints Preservus“ und behendem Afropop in „The New Saint Jude“. Schließlich wird alles in „Valleys Of The Young“ gebündelt, dem ultimativen, kraftvollen Abgesang auf die ganzen Who-cares-Attitüden, bevor unweigerlich das wahre Leben Einzug hält – mit kranken Frauen und kleinen Kindern. Dabei klingt der kluge, nicht bloß clevere Pop von „Are You Serious“ auch noch sexy. So sexy halt wie Kopfmenschen, die gern mal ihren Kopf vergessen wollen, es aber doch nie so ganz können. Hat da jemand „David Byrne“ gerufen? Are you serious?