TV-Fußnoten: „Ku’damm 56“ – Mehr 50er-Jahre, als der moderne Mensch aushalten kann

In dem ZDF-Dreiteiler brillieren drei junge Frauen als verzweifelte Schwestern, aber die Trutschigkeit des Berliner Alltags ist schwer erträglich.

Ich habe immer geahnt, wie trutschig und trostlos die 50er-Jahre in Deutschland gewesen sein müssen, aber nach einer Folge „Ku’damm 56“ bin ich mir jetzt sehr sicher, dass ich nichts verpasst habe. Idee und Drehbuch zu dem ZDF-Dreiteiler (20., 21. und 23. März um 20.15 Uhr) stammen von Annette Hess, die sich mit „Weissensee“ die beste deutsche Serie seit Jahren ausgedacht hat. Die Kulissen sind liebevoll ausgestattet, das alte West-Berlin sieht angemessen grau aus. Alles stimmt, aber irgendwas stimmt doch nicht.

In einer der ersten Szenen liest ein Rock’n’Roller in der U-Bahn den „Spiegel“ und fragt herum, ob auch andere Bescheid wissen („Kennst du Elvis?“), dann rettet er ein verhuschtes Brillenmädchen vor dem Fall und befestigt ihren Strumpf wieder am Strapsgürtel (wie er durch den voluminösen Rock sehen konnte, dass da was verrutscht war, bleibt sein Geheimnis.) Den Rest der Romanze kann sich der serienerprobte Zuschauer ungefähr vorstellen. „Ku’damm 56“ wirkt, als hätten alle Beteiligten sich sehr viel Mühe gegeben, alles richtig zu machen, deshalb wirkt vieles so verkrampft, wie es die Zeit wohl auch war.

Alles zu deprimierend!

Das Biedermädchen, das immer den Kopf einzuziehen scheint, heißt Monika Schöllack (Sonja Gerhardt), die Mutter (Claudia Michelsen) ist Tanzlehrerin. In den glattgewienerten Räumen herrscht sie ihre Schülerinnen an („Ist das etwa Nagellack? Das möchte ich nie wieder sehen, Nagellack ist etwas für Volljährige. Foxtrot!“), zu Hause piesackt sie ihre Tochter, weil die an der Hauswirtschaftsschule in allen Fächern versagt außer in „Leibesertüchtigung“: „Pfui, Monika, pfui!“ Um ehrlich zu sein, hatte ich da schon keine Lust mehr, weiter zu schauen, das war mir alles zu deprimierend.

Monika hat noch zwei Schwestern (schwungvoller als viele Tanzeinlagen: Maria Ehrich und Emilia Schüle), die scheinbar besser im Leben stehen, aber nur auf den ersten Blick. Die Männer bringen ihnen kein Glück, doch ohne Mann war eine Frau damals ja nichts. Monika sieht das allerdings anders, sie entdeckt den Rock’n’Roll für sich und damit eine Möglichkeit, zumindest zeitweise der Spießigkeit zu entkommen. Annette Hess interessierten die 50er-Jahre, weil es die Jugendzeit ihrer Eltern war: „Meine Inspiration für ,Ku’damm 56′, für die Figuren, waren ihre Erzählungen über diese Zeit. Immer wieder tauchte der Name einer unmöglichen Monika auf. Sie war nicht anständig, poussierte mit Jungs, trug Petticoats und las Romane!“

Es gab auch eine weibliche Rebellion

Während es in den damaligen Filmen, ob „Die Halbstarken“ oder „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, immer junge Männer waren, die sich gegen die Enge und die Kleingeistigkeit der Alten auflehnten, zeigt Hess eine weibliche Rebellion: „Ich wollte von den jungen Frauen erzählen, von denen, die es doppelt schwer hatten, ein eigenständiges Leben zu leben. Denn die Frauen der 50er-Jahre kämpften nicht nur mit der bigotten Moral jener Zeit, sondern darüber hinaus mit einem biederen, festsitzenden und fatalen Rollenverständnis: ,Kinder werden Leute, Mädchen werden Bräute.‘ Die Autorin gibt zu, dass sie beim Schreiben oft lachen musste: „Die damalige Prüderie, die verkorkste Körperlichkeit, sind aus heutiger Sicht wunderbar komisch. Andererseits wächst heutzutage eine neue Sehnsucht nach Sitte und Anstand. Benimmschulen erfahren regen Zulauf. Trotz Gender-Diskussion ist das Bedürfnis nach klaren Geschlechterrollen nicht totzukriegen. In zahlreichen YouTube-Clips – als Spiegel jugendlicher Sehnsucht – herrschen die Männer und die Frauen unterwerfen sich als Objekte. Sind wir wirklich schon so viel emanzipierter als in den 50er-Jahren?“

Das ist vielleicht die interessanteste Frage, die „Ku’damm 56“ aufwirft. Aber sich dafür stundenlang in die 50er-Jahre zurückbegeben? Ich schaue vielleicht doch lieber „Tatort“.

ZDF
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates