Sounds: Fatima Al Qadiri und Lafawndah
Räusche und Geräusche - die monatliche Kolumne von Jens Balzer wird im März von Frauenpower dominiert.
Fatima Al Qadiri – Brute ***
Polizistenbeleidigung als Mittel der politischen Unmutsbekundung ist in der Popmusik der vergangenen Jahre eher selten anzutreffen gewesen; wem danach zumute ist, der greift bis heute gemeinhin zu Genreklassikern wie „Fuck Tha Police“ von N.W.A oder, wenn es was Deutsches sein soll, zu „Polizei, SA, SS“ von Slime.
Eine zeitgemäße Erweiterung des Repertoires hat jetzt die aus Kuwait stammende und in New York lebende Produzentin Fatima Al Qadiri vorgenommen. Auf ihrem zweiten Langspielalbum, „Brute“, bekundet sie in musikalischer Form ihre Ansicht, dass die USA sich in einen totalitären Polizeistaat verwandeln. Schon auf dem Cover der Platte wird den Vertretern der Ordnungsmacht ihre Hirnlosigkeit vorgehalten, man sieht einen Teletubby mit leeren, blöden Augen in der Montur einer SWAT-Einheit.
Die elf neuen Songs tragen Titel wie „Endzone“, „Blood Moon“, „Power“ und – nach dem Park, in dem sich die New Yorker Occupy-Bewegung traf – „Battery“.
Zwischen den Songs und manchmal in ihnen sind Szenengeräusche von Demonstrationen und Radioberichte über brutale Polizeieinsätze zu hören; ansonsten besteht die Musik im Wesentlichen aus leicht leiernd gesampelten Männer- und Frauenchören, dramatisch schwellenden Bässen und synthetischen Bläsern sowie gelegentlich metallischen Beats, die sich aber nie zu einem tragenden Rhythmus entfalten. Mit diesen Mitteln hat Al Qadiri seit ihrer 2011er DebütEP, „Warn-U“, einen unverwechselbaren klanglichen Individualstil erschaffen. Dieser wird auf „Brute“ aber kaum weiterentwickelt, sondern bloß mit ein wenig Pathos verdickt und mit einer Freund-Feind-Schema-Gesellschaftsanalyse verbunden.
(Hyperdub/Cargo) Um die Massen zur Revolte aufzustacheln, ist die Musik auf Dauer aber etwas zu drucklos und variationsarm. Auch fehlen ihr mitbrüllbare Parolen, sodass es am Ende beim Unbehaglichkeits-Sound eines unbestimmten Sich-unterdrückt-Fühlens bleibt.
Lafawndah – Tan ***1/2
Ähnlich polyglott ist die in New York lebende Sängerin und Produzentin Yasmine Dubois, die unter dem Namen Lafawndah auftritt. Sie ist in Teheran aufgewachsen und hat in New York gelebt, ihre musikalische Karriere begann sie in einer mexikanischen Post-Punk-Band.
Die vier Lieder auf ihrer Debüt-EP, „Tan“, erinnern nun an den scharfkantig rhythmisierten Globalisierungspop des kalifornischen Fade-to-Mind-Labels, auf dem auch Fatima Al Qadiri zwischenzeitlich beheimatet war.Originell synkopierte R&B-Beats kombiniert Lafawndah mit tribalistischem Analoggetrommel, drehleierartig hirnsägenden Loops und hervorragend lasziv-angespanntem Gesang. Auch aus dieser Musik klingen Unbehaglichkeit und Bedrohung heraus, doch nicht wie bei Al Qadiri in politisch-pathetischer Weise, sondern eher im Modus einer gerade noch unterdrückten erotischen Aggressivität: Auf dem Cover des Albums sieht man, wie die Künstlerin sich anschickt, einen gülden verzierten und sicher sehr wertvollen Dolch zu schlucken. (Warp/Rough Trade)