Bond-Girls: Frauen, die sich ihrer Schönheit bewusst sind
Die Bond-Girls leben mindestens so gefährlich wie der legendäre Geheimagent selbst. Die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen hat sich die Rolle der verführerischen Gespielinnen genauer angeschaut.
Für jeden James-Bond-Film gilt ein untrügliches Merkmal der Popkultur: Im Mittelpunkt unserer Sympathie steht der abenteuerhungrige Held, der wie durch eine besondere Vorsehung beschützt zu sein scheint. Er mag blutig geschlagen oder heimtückisch vergiftet zu Boden sinken, gefangen genommen und brutal gefoltert werden und sogar immer wieder in einer vermeintlich aussichtslosen Lage landen. Wir aber sind uns seiner Rettung ebenso gewiss wie seiner unermüdlichen Genesung. Weder ein Kugelhagel noch eine Schar anonymer Killer, nicht einmal die Tücke des Schurken, den er im Dienste der Königin zu Fall bringen soll, kann ihn außer Gefecht setzen.
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Die gelassene Sicherheit, mit der 007 sich seit über einem halben Jahrhundert lustvoll jeder Gefahr aussetzt, entspricht jenem Heldengefühl, an dem Sigmund Freud zugleich den Schlüssel der Fantasiearbeit festmacht. Das verräterische Merkmal der Unverletzlichkeit lässt unschwer Seine Majestät das Ich als Helden aller Tagträume erkennen. Was diesen unbesiegbaren Veteran des Kalten Krieges aber zugleich auszeichnet, ist seine erotische Unwiderstehlichkeit. Denn ein weiteres Merkmal dieser egozentrischen Spionagegeschichten ist, dass alle Frauen, die Bond im Laufe seiner Missionen trifft, sich ihm stets willig hingeben – selbst wenn sie den Auftrag haben, ihn zu töten.
Oder eben gerade deshalb.
Nur Vexierbild für die Allmachtsfantasien von James Bond?
Dabei braucht es in dieser kriegerischen Fantasiewelt, in der eine scharfe Trennung zwischen guten Helfern und bösen Feinden des Helden waltet, die schillernden Bond-Girls nicht nur, um seine Omnipotenz auf jenen Bereich der Erotik auszuweiten, der sich wiederholt als eine zweite Front entpuppt. Es steht auch ein mimetisches Begehren auf dem Spiel: Weil sich diese Schönheiten seinem männlichen Charme nicht entziehen können, übt er auch auf uns einen verführerischen Reiz aus.
Auf den ersten Blick mag es den Anschein haben, die Bond-Girls wären einzig als Widerspiegelung oder Vexierbild für die Allmachtsfantasien unseres Helden eingesetzt. Doch eben weil die Erzähllogik dieser Spionagegeschichten es fordert, dass sie in den Bann von 007 gezogen werden, dürfen auch sie an exotischen Schauplätzen ein Leben des Luxus, des Abenteuers und der Überschreitungen auskosten. In ihrer Auseinandersetzung mit dem Geheimagenten, dessen „00“-Status ihm eine licence to kill zubilligt, dürfen sie nicht nur ebenfalls ungehemmt töten, sondern auch jene sexuelle Freizügigkeit genießen, die wie die Kehrseite dieser Gewaltlust fungiert.
Immer wieder bieten die ikonischen Titelsequenzen eine postmoderne Umsetzung der tradierten Gleichung von leidenschaftlichem Kuss und tödlichem Biss. Als Schablone in die Buchstaben eingefügt sehen wir oft nackte, ranke Frauen, die geschmeidig tanzend gern auch einen Revolver auf ihren Feind richten. Mal nutzen sie den Lauf der Waffe als Stange für akrobatische Übungen; mal wirken sie wie ein Trugbild, das sich auf einer Wasseroberfläche spiegelt; mal tauchen sie im Fadenkreuz eines Gewehrs auf, während sich langsam die Schärfe einstellt; mal sehen wir nur eine Vielzahl körperloser Arme, die mit ausgestreckter Waffe Bond von oben bis unten umschlingen.
Angekündigt werden kalte Kriegerinnen, die sich mit Grazie und Geschick dem Helden stellen, während sie ihre Sexualität buchstäblich als weibliche Waffe einsetzen. Dabei lässt die visuell gestaltete Entsprechung offen, ob die schussbereite Waffe auf eine gefährliche Erotik hinweist oder ob der schöne, schlanke Körper die Zerstörungslust, die diese Frauen verkörpern, ausblenden soll. In jedem Fall aber werden die Bond-Girls als selbst ermächtigte Spielerinnen eingeführt, denn die Handwaffen, mit denen sie auf vielschichtige Weise gleichgesetzt werden, feuern sie auch selbst ab.
Zudem sind es oft mehrere, die um den einzelnen Spion kreisen, sodass eine weitere Doppeldeutigkeit ins Spiel kommt: Bond-Girls und Waffen bedingen sich nicht nur gegenseitig. Indem sie konzeptionell verschweißt ausschließlich auf Bond bezogen sind, ergibt sich auch ein Ungleichgewicht: Sie sind in der Überzahl. Dabei wird manchmal sogar direkt darauf aufmerksam
gemacht, dass es sich bei diesen Mit- und Gegenspielerinnen natürlich immer auch um Figuren handelt, auf die Fantasiebilder übertragen werden. In der Titelsequenz von „Goldfinger“ etwa fungiert die Schablone eines vergoldeten weiblichen Körpers als Projektionsfläche, auf der kurze Ausschnitte jenes Films aufflackern, der gerade begonnen hat.
Frauen, die sich ihrer Schönheit bewusst sind
Am Anfang dieser Reihe schillernder Bond-Girls steht Honey Ryder (Ursula Andress) mit ihrem unvergesslichen Auftritt. In Anlehnung an Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ taucht diese keusche Schönheit singend aus dem Karibischen Meer auf, eine Muschel in jeder Hand und eine Taucherbrille auf dem Kopf. Während sie kritisch die Qualität jener kostbaren Beute prüft, die sie in Miami teuer zu verkaufen gedenkt, betrachtet Bond (Sean Connery) verschmitzt die Frau, die sich wie er verbotenerweise auf Crab Key, der streng bewachten Insel des Schurken Dr. No, befindet.
Erst in dem Augenblick, als er sich ihr zu erkennen gibt, bekommen auch wir das große Jagdmesser zu sehen, das auf der linken Seite ihrer weißen Bikinihose befestigt ist. Schüchtern, erstaunt und zugleich zutraulich lässt sich diese zauberhafte Naturgestalt auf den fremden Mann ein. Sie behauptet stolz von sich, eine Autodidaktin zu sein, die die Insel in- und auswendig kennt, und bietet erst sehr viel später einen Einblick in jene Lebensgeschichte, die sie zu einer findigen Überlebenskünstlerin hat werden lassen. Hatte der Gutsbesitzer, bei dem sie Unterschlupf fand, nachdem ihr Vater von Dr. No getötet worden war, sich an ihr sexuell vergriffen, wusste sie sich nicht nur zur Wehr zu setzen. Als Mordwaffe wählte sie zudem eine schwarze Spinne, sodass er einen langsamen, qualvollen Tod sterben durfte.
So setzt mit Honey Ryder jener verlockende Zwiespalt ein, der in den darauffolgenden Bond-Filmen unermüdlich durchdekliniert wird. Die sich ihrer Schönheit bewusste Heldin meistert gelassen jene Gefahr, die Bond auf sie zieht, weil sie mutig an seiner Seite zu kämpfen bereit ist. Sie lässt sich weder auf die Rolle des reizvollen Lustobjekts reduzieren noch auf die der unterwürfigen Gehilfin. Und sie verhindert zudem eine eindeutige Grenzziehung zwischen Gut und Böse. Was natürlich ebenfalls mit „007 jagt Dr. No“ (1962) etabliert wird, ist die ikonische Abschlussszene: Nach gelungener Flucht befindet Bond sich mit seiner Geliebten in einem Motorboot, dessen Tank leer ist. Der amerikanische Geheimdienst hat die beiden zwar ausfindig gemacht und will sie abschleppen. Doch listig lässt 007 das Seil durch seine Finger gleiten, damit er endlich ungestört mit Honey Ryder allein sein kann. Den Sex, der folgt, sehen wir nicht. Er stellt die Auszeit zwischen zwei Bond-Filmen dar.
Verführerischer Selbstgenuss
Hat sich das Bond-Girl über die Dekaden dem veränderten Zeitgeschmack anzupassen gewusst, setzt diese Filmreihe zugleich auf das Genregedächtnis seiner Fans. Deshalb durfte zum 40-jährigen Jubiläum Jinx (Halle Berry) den berühmten Auftritt des ersten Bond-Girls in „Stirb an einem anderen Tag“ (2002) nachstellen. Diesmal liegt die Muschel bereits auf der Theke einer Bar in Kuba, von der aus Bond (Pierce Brosnan) mit seinem Feldstecher jene Festung auf einer schwer bewachten Insel auslotet, in der sich sein koreanischer Gegner aufhält. Dann erblickt er plötzlich im Meer den Kopf einer an den Strand schwimmenden Gestalt, und nachdem er sein Fernglas auf diese gerichtet hat, taucht wieder eine ranke Schönheit in seinem Blickfeld auf, diesmal mit einem großen, im Bund eines orangefarbenen Bikinis befestigten Jagddolch.
Weder Erstaunen noch Schüchternheit zeichnet dieses Bond-Girl aus, sondern verführerischer Selbstgenuss. Jinx weiß, dass sie beobachtet wird – von Bond und von uns –, und spielt mit diesem voyeuristischen Begehren. Aus dem findigen Naturkind ist zudem eine hartgesottene NSA-Agentin geworden, die mitleidlos ihre Gegner hinrichtet und hartnäckig ihre Mission verfolgt, während Bond sich von ihrer Gegenspielerin, der Doppelagentin Miranda Frost (Rosamund Pike), amourös ablenken lässt. Die schillernde Verflechtung von gefährlicher Erotik und weiblicher Gewalt wird ironisch bedient und zugleich entlarvt. Zwar muss auch Jinx von Bond gerettet werden, ist sie doch fast schon im Wasser eines zusammenstürzenden Eisschlosses ertrunken, bevor sein Kuss ihr wieder Leben einhaucht. Aber zugleich bleibt auch eine Parität erhalten: Während Bond in einem Flugzeug mit dem koreanischen Generalssohn ringt, der einen dritten Weltkrieg anzuzetteln sucht, stößt Jinx ihrer britischen Widersacherin erfolgreich den Dolch in die Brust.
Ursprünglich auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs konzipiert bieten die Bond-Girls zwar eine vielfältige Variation der klassischen Femme fatale. Zugleich unterlaufen sie nicht nur eine klare Opposition zwischen den Alliierten und dem kommunistischen Feind, sondern lenken durch ihre schlüpfrigen Bündnisse mit geldgierigen Kriminellen, machthungrigen Kapitalisten und politischen Fanatikern unsere Aufmerksamkeit darauf, dass dem Westen ebenso sehr eine Gefahr im Innern droht. Dabei sind sie im Gegensatz zu den Schurken und deren Handlangern schon deshalb in sich widersprüchlich, weil von ihnen grundsätzlich ein erotischer Charme ausgeht. Bezeugt ihre Verführbarkeit Bonds Stärke, so gilt dies auch für seine Schwäche. Er kann sich ihnen ebenso wenig entziehen wie sie sich ihm. In den Nebenrollen finden sich zwar gefährliche Schönheiten, die Bond nur eine Weile in Schach halten, bevor er sie kaltblütig hinrichtet. Doch die unvergesslichen Bond-Girls unterlaufen eine klare Unterscheidung zwischen Helferin und Gegnerin. Ab und an tauchen sie sogar als Doppelgängerinnen auf.
„Ihre Verführbarkeit zeigt Bonds Stärke wie auch seine Schwäche“
In „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974) muss Bond seine blonde Gefährtin Mary Goodnight (Britt Ekland) in den Kleiderschrank sperren, weil die dunkelhaarige Botin des Schurken, Andrea Anders (Maud Adams), ihn unerwartet in seinem Hotelzimmer aufsucht. Sie ist bereit, ihm den Solex-Generator zu beschaffen, mit dem Strom aus Solarenergie erzeugt werden kann. Während die blonde Kameradin glücklich alle Gefahren überstehen darf, bezahlt die dunkelhaarige Verführerin für diesen Pakt mit ihrem Leben.
Sie ist nicht das einzige Bond-Girl, dessen schöne Leiche emblematisch bezeugt, dass in der Welt der Spionage nicht nur Doppelagentinnen für ihren Verrat bestraft werden, sondern manchmal auch diejenigen, die auf die Seite der Guten überlaufen. So wird in „Der Morgen stirbt nie“ (1997) Bonds ehemalige Geliebte Paris Carver (Teri Hatcher) von ihrem Gatten getötet, weil er ihr doppeltes Spiel durchschaut. Doch auch aufseiten der Kontrahentinnen wird jene unsaubere Trennlinie zwischen Feind und Freund ausgelebt, die eine Logik des Kalten Krieges unterläuft.
Weil der machthungrige Medienmagnat auch für die politische Stabilität Chinas eine Gefahr darstellt, geht die Geheimagentin Wai Lin (Michelle Yeoh) mit Bond unerwartet ein Bündnis ein. Die waghalsige Jagdszene, in der die beiden mit Handschellen aneinandergekettet auf einem Motorrad ihren Widersachern entkommen, gehört zu den einprägsamsten Bildformen für Entspannung zwischen zwei gleichgestellten Partnern – im politischen wie im geschlechtlichen Sinne. Ebenso eindrücklich wechselt May Day (Grace Jones) in „Im Angesicht des Todes“ (1985) in letzter Minute die Seiten und fährt mit dem tickenden Sprengsatz aus der Mine des Schurken heraus, um zu verhindern, dass eine Explosion Silicon Valley zerstört. Das grandiose Selbstopfer besiegelt nicht nur die Bemächtigung, die dieses androgyne Bond-Girl den Film hindurch zur Schau stellt. Ihr von Flammen verzehrter Körper erinnert auch an die Apotheose der epischen Heldinnen des Monumentalkinos der Nachkriegszeit.
Der weibliche Körper – ein funkelndes Lustobjekt
Kaum eine Figur bringt die tödliche Gefahr, die ein Bündnis mit Bond zur Folge hat, allerdings so treffend auf den Punkt wie die leichtsinnige Jill Masterson (Shirley Eaton) in „Goldfinger“ (1964). Von Bonds erotischem Charme ergriffen lässt sie sich überreden, das Falschspiel ihres Chefs zu stören. Daraufhin findet 007 sie wenige Stunden später mit Goldfarbe übermalt als schöne Leiche auf seinem Bett. Zum goldenen Fetisch erstarrt stellt sie die Macht seines Gegners zur Schau und entlarvt zugleich jene Reduktion des weiblichen Körpers auf ein funkelndes Lustobjekt, von dem die Bond-Filme auch zehren. Findig wird dieser Kollateralschaden dadurch entschärft, dass es wiederum Bonds erotischer Charme ist, der die lesbische Pilotin Pussy Galore (Honor Blackman) umstimmt, die sich anfänglich gegen ebendiese Reize immun zeigt. Die Judogriffe, die sie in einer Scheune aneinander vornehmen, münden in jenen Kuss, der von einer Gehirnwäsche anderer Art zeugt. Sie wird das Giftgas, mit dem die Soldaten, die Fort Knox bewachen, getötet werden sollen, austauschen. Der Sex, der einmal mehr im Off stattfindet, bleibt ein spielerischer Zeitvertreib.
Doch immer wenn eine leichtfüßige Affäre ernst zu werden droht, nimmt Bonds unwiderstehliche Ausstrahlungskraft eine folgenschwere Wendung. Will er keine längere Beziehung, dann deshalb, weil Liebe im Ernstfall fatale Konsequenzen hat – für beide. Einzig „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) läuft auf eine Hochzeit hinaus. Nach langem, heftigem Werben, im Zuge dessen sowohl die obligatorischen Jagdszenen als auch die Rettung der Frau als narrative Versatzstücke aufgerufen werden, willigt Tracy (Diana Rigg), die eigensinnige Tochter eines korsischen Mafiabosses, endlich in eine Ehe mit Bond ein. Zwar verspricht er ihr, den Geheimdienst zu verlassen, doch die Erzähllogik der Bond-Filme erfordert eine andere Entsagung: Beschwingt fährt das frisch verheiratete Ehepaar die Hügel Korsikas entlang. Dann hält Bond an, um die Blumengirlanden, die das Auto schmücken, zu entfernen. Noch während er die lachende Braut neckt, fahren der Schurke und dessen Handlangerin an ihnen vorbei. Mit perverser Lust richtet die grobschlächtige Irma Bunt (Ilse Steppat) ihre Maschinenpistole auf das Hochzeitspaar und tötet die Braut. Indem sie sein Eheglück vereitelt, stellt sie zugleich sicher, dass Bond weiterhin die Feinde des Westens jagen und hinrichten darf.
So steht bei dieser fatalen Konfrontation zwischen der Frau, die sich von Bond nicht umstimmen lässt, und derjenigen, die sich auf eine Ehe mit ihm einlässt, mehr als nur ein Vergeltungsakt auf dem Spiel. Das Bond-Girl entpuppt sich selbst dann als gefährlich, wenn sie ihn nicht zu töten, sondern als Geheimagent auszuschalten droht. Politische Grenzen darf sie überschreiten, solange sie ein Zwischenfall bleibt, nicht aber zur steten Gefährtin wird. Denn die Ehe käme dem Tod von 007 gleich. So wird die geopferte Tracy, die Bond in den letzten Minuten des Films noch liebevoll in seinen Armen hält, zum Emblem einer anderen stillgelegten Gefahr. Über ihre Leiche wird er als Geheimagent im Dienste Ihrer Majestät – und als Filmfigur – gerettet.
Weiterentwicklung des Bond-Girls
Wenn in „Casino Royale“ (2006) Bond aus Liebe zu Vesper Lynd (Eva Green) einmal mehr den Geheimdienst zu quittieren bereit ist, unterstreicht unsere Erinnerung an den früheren Film die Entwicklung des Bond-Girls. Noch bevor sie Mrs Bond werden kann, wird diese feinsinnige Agentin des Finanz- und Wirtschaftsministeriums, die Bond mit Wortwitz und Starrsinn zu kontern weiß, ihn daran hindern, sie vor dem Ertrinken zu retten. Sie ist nicht das hilflose Opfer eines Attentats, sondern wählt den Tod ganz bewusst, weil sie überhaupt keine andere Wahl treffen kann. Erst von M erfährt Bond, dass Vesper, um sein Leben zu retten, mit seinen Feinden einen Pakt eingegangen war.
Dabei hat die Besetzung dieser Figur mit Judi Dench auch die schillernde Reihe der Bond-Girls um eine weitere Position ergänzt. Mütterlich und zugleich streng hat M als einzige Frau 007 gänzlich im Griff. Nicht eine erotische Anziehungskraft ist es, die ihn an diese Vorgesetzte bindet, sondern ein unhinterfragtes Vertrauen in ihre Autorität, die dem Vertrauen in eine weibliche Führungsmacht gleichkommt. Seit Judi Dench in „Shakespeare In Love“ eine entschlossene Königin Elizabeth I. spielte, die auf der Einhaltung der Gesetze beharrt, steht sie für politische Souveränität. Sie allein darf, indem sie Bond den „00“-Status entzieht, entscheiden, ob er als Agent sterben oder, wieder in den Geheimdienst aufgenommen, weiterleben darf. Strafend, aber immer gerecht verkörpert Judi Dench das Bond-Girl, das allein jene Majestät das Ich in Schach hält, die von Anbeginn im Zentrum dieser Spionagegeschichten stand. Wird an ihr der Wunsch nach einer solchen Zügelung festgemacht, lässt ihr Tod am Ende von „Skyfall“ erkennen, wie bedrohlich auch diese Position ist. Mit „Spectre“ beginnt also einmal mehr eine neue Ära für Bond – und für seine Girls.
Die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen lehrt an der Universität Zürich und der New York University und hat zahlreiche Bücher über Film und Fernsehen verfasst. Zuletzt erschienen „Hollywoods Kriege“ (S. Fischer, 22,99 Euro) und „Mad Men“ (Diaphanes, 10 Euro). Den Text über die Bond-Girls schrieb sie zum Kinostart von „Spectre“ exklusiv für den deutschen ROLLING STONE.