Jewel
Picking Up The Pieces
Concord
Die fragile Songschreiberin aus Alaska kommt mit einem selbst produzierten, schlichten Folkpop-Album zurück
Der Titel erinnert natürlich absichtlich an Jewels Debüt, „Pieces Of You“ (1995). Damals sang die 20‑jährige Songschreiberin von ihren kleinen Händen, davon, wie sensibel sie ist, und von dem Typen, der für sie bestimmt ist, aber es einfach nicht einsehen will. Diese rührende Naivität kann sie mit 41 nicht mehr vortäuschen. Nachdem sich ihr putziger Folkpop nicht mehr so gut verkaufte, versuchte sie es mit aufgebrezeltem Pop, doch das Mädchen aus Alaska war als sexy Gesangsluder eine Fehlbesetzung. Als Country-Sängerin war sie geschickter, aber auch ein bisschen hausbacken. Sie schrieb dann ihre Autobiografie und Kinderlieder, man hatte sie fast vergessen.
„Picking Up The Pieces“ ist Jewels erstes Album seit vier Jahren. Sie hat sich keinen der Koautoren gesucht, die hinter den Erfolgen von Taylor Swift und Kacey Musgraves stehen, sondern die 14 Songs ohne Hilfe geschrieben. Sie hat sogar die Produktion in Nashville selbst übernommen, weil der Fokus sowieso auf ihrer Stimme und den Texten liegen sollte. Die zarte Instrumentierung, das bisschen Akustik-Gitarre, der leichte Twang hier und da: Das kriegt sie bei ihrem zwölften Studiowerk ganz gut allein hin. Sie kann immer noch toll seufzen und schmachten, beim Singen kennt sie keine Zurückhaltung. Besonders in den hohen Registern nervt sie dabei manchmal ganz schön.
Die Liebe bleibt ihr großes Thema: zur Familie, zu Männern, zu sich selbst. Eines schwerer als das andere! Besonders schön ist „It Doesn’t Hurt Right Now“, ein Duett mit Rodney Crowell, dessen melan-cholische Abgeklärtheit in einem feinen Kontrast zu Jewels engels-gleichem Flehen steht. „Please be careful with me, I’m sensitive/ And I’d like to stay that way“, sang Jewel einst. In „His Pleasure Is My Pain“ nimmt sie noch einmal Bezug darauf, offensichtlich hat sich der Typ nicht an ihren Rat gehalten: „Yes, it’s true, I’m too sensitive/ But he takes pleasure in my pain.“ Sie haut ab, bevor alles noch schlimmer wird. Es ist eines von vielen Selbstermächtigungsliedern, und da passt es wie die Faust aufs Auge, dass schließlich bei „My Father’s Daughter“ auch noch Dolly Parton auftaucht – zwei Blondinen, die sich nichts mehr gefallen lassen. Gut so!
Ein bisschen kürzer hätte „Picking Up The Pieces“ vielleicht ausfallen können, weil Jewels exaltierte Stimme einem doch einiges an Geduld abverlangt, aber insgesamt: ein gelungenes Comeback. Jewel Kilcher hat wieder alles im Griff.