Noel Gallagher live in Berlin: Er ist bei sich angekommen – nur manchmal fehlt Liams Punch
In der nahezu ausverkauften Berliner Max-Schmeling-Halle gab Noel Gallagher mit seinen High Flying Birds ein umjubeltes Konzert - und scheint als Solo-Künstler bei sich angekommen zu sein.
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Noel Gallagher könnte es sich so einfach machen. Für immer nur die alten Oasis-Songs spielen und sich fürstlich dafür bezahlen lassen. Doch man merkt, dass ihm das nicht reicht. Dafür hat er zu viel Akribie in seine Solo-Platten investiert. Gerade sein jüngstes Werk „Chasing Yesterday“ zeigt, wie es gehen kann: Sich ein Stück weit aus der Komfortzone herausbewegen, ohne die eigene Identität zu verraten. Tatsächlich sind Saxonfone und epische Gitarrensoli im Referenzrahmen eines Gallaghers nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Bevor er mit seinen High Flying Birds gegen 21 Uhr die Bühne betritt, eröffnen Black Rivers. Die Band, die sich mit Jez & Andy Williams zu zwei Dritteln aus der recht erfolgreichen Britpop-Band „Doves“ rekrutiert, spielen allerdings ein recht unterkühltes Set. „Altherrenrock“ vernimmt man aus den ersten Reihen des Publikums – und das trifft es auf den Punkt.
Dass die Britpop-Legende der Musealisierung vehement vorbeugen will, zeigt ein Blick auf die Setlist des gestrigen Abends. Gerade einmal fünf Oasis-Songs haben es ins Repertoire geschafft und mit „Fade Away“ und „Diggy’s Dinner“ sind es auch noch die schon zu Oasis-Zeiten eher selten gespielten Stücke. Kein „Wonderwall“, kein „Live Forever“ und auch kein „Whatever“.
Aber das wird Gallagher nicht als Ignoranz ausgelegt, und es liegt an der Qualität des Solo-Materials. Schon die erste Single des neuen Albums, „In The Heat Of The Moment“, wird wie ein Klassiker umjubelt. Und Noel Gallagher kann es sich eben leisten dieses Lied als sein „Least Favourite“ anzukündigen. Was auffällt ist, dass er sich in der Rolle des Solo-Künstlers zunehmend wohler zu fühlen scheint. Vor Beginn der letzten Tour äußerte er erstmals Zweifel: Liam habe das Charisma, er fühle sich als Sidekick eben am wohlsten. Nun gibt er sich gelöst. Neben dem obligatorischen „Are There Any Scots In Here?“ geht er immer wieder auf das Publikum ein, spricht einzelne Fans direkt an.
Was man auch mit Fanbrille sagen muss: Musikalisch ist ein Gallagher-Konzert niemals besonders spannend, zumindest nicht, was Wechsel in den Arrangements angeht.Allerdings schafft er es durch Disco-Elemente – „Ballad Of The Mighty I“ avanciert zum Highlight – den raumgreifenden Kinks-Beat, wie in „Dream On“, oder „The Death Of You And Me“, aufzubrechen.
Das reguläre Set ist nach einer guten Stunde beendet. Dann kehrt Noel Gallagher für einen drei Songs währenden Zugabenblock auf die Bühne zurück. Und jetzt schließt sich der Kreis zu den Oasis-Konzerten: Das unvermeitliche „Don’t Look Back In Anger“ sorgt für die euphorischsten Reaktionen im Publikum. Und für ein soziokulturelles Phänomen, dass man sonst nur aus Fussball-Stadien kennt: Wildfremde Männer liegen sich in den Armen und haben Tränen der Rührung in den Augen.
Noel Gallagher 2015 beweist, das er als Solo-Künstler bei sich angekommen zu sein scheint. Und auf die Oasis-Rufe wird sicher nicht nur aus Höflichkeit verzichtet. Hier und da vermisst man Liams Punch, und die recht kantige Energie von Stücken, wie „Lock All The Doors“ beispielsweise, würde durch die Phrasierungen des jüngeren Bruders sicher noch gewinnen. Aber das sind Nuancen, die letztlich nicht ins Gewicht fallen.
Setlist
Shoot A Hole Into The Sun (Intro)
Do The Damage
Stranded On The Wrong Beach
Fade Away
In The Heat Of The Moment
Lock All The Doors
Riverman
The Death Of You And Me
You Know We Can’t Go Back
Champagne Supernova
Ballad Of The Mighty I
Dream On
The Dying Of The Light
The Mexican
Aka…Broken Arrow
Digsys Dinner
If I Had A Gun
Zugaben
Don’t Look Back In Anger
Aka…What a Life
The Masterplan