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Die 50 wichtigsten Punk-Alben aller Zeiten – Teil 1
Eigentlich ist Punk ja eine Kultur der kurzen, schnellen Botschaften, der Single-Platten. In die Welt verbreitet hat er sich trotzdem über LPs – von den Steinzeit-Anfängen in den Sechzigern bis zu den ausdifferenzierten Genres der Gegenwart.
The Sonics – „Here Are The Sonics!!!“ (Etiquette, 1965)
Um die Mär vom 77er-Punk als völlig neuartigem Genre zu widerlegen, reicht ein Blick auf die Geschichte des US-Garage Rock. So hatten sich die Sonics und andere Bands in den Sixties ursprünglich zusammengetan, um den Beatles nachzueifern. Da ihnen die Brillanz der Fab Four aufgrund mangelhafter Produktionsmittel und instrumentaler Fähigkeiten unerreichbar war, entstand quasi „aus Versehen“ eine weitaus rohere Rock’n’Roll-Variante – der Garage Rock …
The Sonics – „Here Are The Sonics!!!“ (Etiquette, 1965)
Um die Mär vom 77er-Punk als völlig neuartigem Genre zu widerlegen, reicht ein Blick auf die Geschichte des US-Garage Rock. So hatten sich die Sonics und andere Bands in den Sixties ursprünglich zusammengetan, um den Beatles nachzueifern. Da ihnen die Brillanz der Fab Four aufgrund mangelhafter Produktionsmittel und instrumentaler Fähigkeiten unerreichbar war, entstand quasi „aus Versehen“ eine weitaus rohere Rock’n’Roll-Variante – der Garage Rock …
Das Debüt der Band aus Tacoma, Washington, ist ein Klassiker eines Genres, das spätere Generationen vor allem durch die „Nuggets“-Compilation wiederentdeckten. Jene 1972 von Lenny Kaye zusammengestellte Kopplung diente nicht zuletzt den Ramones als wichtiger Einfluss.
Copyright: GAB Archive/Redferns
The Velvet Underground – „White Light/White Heat“ (Verve, 1968)
Die Grundlagen ihres zweiten Albums hatten sich The Velvet Underground mittels ausufernd krachiger Improvisationen auf der vorangegangenen Tournee angeeignet. Die Musiker trennten sich von Nico und Andy Warhol, nahmen das Werk in zwei Tagen auf. Den Frust über den ausgebliebenen Erfolg des Debüts und die Streitigkeiten hört man in jeder Note …
Noten? Es war ein einziger Lärm! Aber was für ein herrlicher: Der Titelsong, das Avant-Experiment „Sister Ray“, die Spoken-Word-Kaskaden von „The Gift“. Abermals ging es um Drogen, sexuelle Seltsamkeiten und dergleichen mehr. Erfolgreich konnte so was in jenen Tagen nicht sein, die Naivität der Hippies hatte keinen Platz im Werk dieser Band. Aber was für eine Pioniertat!
Copyright: JH
MC5 – „Kick Out The Jams“ (Elektra, 1969)
Schon im April 1969 nannte Lester Bangs diese Band aus Detroit in seiner Besprechung zu „Kick Out The Jams“ „a bunch of 16 year old punks on a meth power trip“. Das klingt fast wie ein Kompliment, aber so war es nicht gemeint. „Lächerlich, anmaßend, prätentiös“ fand er dieses Album, und irgendwie hat er damit ja auch recht …
MC5 mischten Beat-Poetry, die Hippie-Lyrik von Sun Ra und linke Agitation und klauten dazu Tunes von John Lee Hooker und den Troggs. Aber es ist die wahnsinnige Energie der auf Free-Jazz getuneten Gitarren von Fred „Sonic“ Smith und Wayne Kramer, die dieses Live-Album so bemerkenswert macht. Die Haltung dahinter war schon Punk, die Musik zog auf dem nächsten MC5-Album „Back In The USA“ nach.
Copyright: Leni Sinclair/Michael Ochs Archive/Getty Images
The Stooges – „The Stooges“ (Elektra, 1969)
1969: Vietnam wächst sich zum Trauma aus, die Mondlandung und Woodstock deuten eine Zeitenwende an. Und wovon singt Jim Osterberg alias Iggy Pop in „1969“? „Well, there’s nothing here for me and you/ Another year with nothing to do.“ Es sind diese No-Future-Haltung und die Art, wie der Rock’n’Roll der Stones und Doors hier ad absurdum geführt wird, die das Stooges-Debüt zu einem der wichtigsten Früh-Punk-Album machen …
„I Wanna Be Your Dog“ verhöhnt mit einem simplen Riff die sexuelle Revolution, und die zehnminütige Psychedelic-Ballade „We Will Fall“ zeichnet den Weg der Stooges bereits vor: „And I’ll lay right down/ On my back/ On my bed/ In my hotel/ and I’ll be in love.“ Wenig später ist die Band auf Heroin.
Copyright: Ed Caraeff/Getty Images
Iggy & The Stooges – „Raw Power“ (Columbia, 1973)
Zeitsprung: Die Ur-Stooges hatten sich aufgelöst, Pop kurierte seine Heroinsucht in London und schrieb mit dem Gitarristen James Williamson neue Songs. Als die fertig waren, holte er doch wieder die Asheton-Brüder hinzu, da er in England keine geeigneten Musiker fand …
Die massive Urgewalt von „Search And Destroy“ oder „Raw Power“ und der nihilistische Aplomb von „Gimme Stranger“ gingen noch einen ganzen Schritt weiter als die Original-Stooges. Mit der Gitarre von Ron Asheton war auch jegliche Psychedelia aus der Musik gewichen. Insofern ist „Raw Power“, koproduziert von David Bowie, das Proto-Punk-Dokument schlechthin. Stooges-Fans und Bowie-Hasser lassen nur die von Iggy selbst angefertigten Mixe gelten.
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Ramones – „Ramones“ (Sire, 1976)
Der Beginn der neuen Zeitrechnung: „Hey ho, let’s go!“ Mit dem Ramones-Debüt nimmt Punk seinen Lauf, alles passt: Rhythmus, Songs, Haltung, Look. Benannt nach einem Pseudonym von Paul McCartney, geküsst von der Muse der Beach Boys und angepisst von einer Mittelklassejugend in New York, erfinden die Ramones den Rock’n’Roll noch einmal neu …
Mit drei Akkorden, zur Tür hereinplatzenden Popstücken und dem gebellten Einzählen von Dee Dee Ramone als Trademark: Onetwothreefour! Eine ganze Jugendkultur wird sich am Humor, der Boy-Girl-Romantik und dem infantilen Faible für Cartoons, B-Movies und Nazi-Sprech ausrichten. Da können Joey noch so wilde Gewaltfantasien befallen: Unschuldiger wird Punk nimmer.
Copyright: Roberta Bayley/Redferns
The Modern Lovers – „The Modern Lovers“ (Beserkley, 1976)
Nach Dylans Surrealismus, Lennons Seelenschau und Lou Reeds Hard-boiled-Camp, nach Vietnam, Protest und Psychedelia war Anfang der Siebziger nicht mehr viel übrig vom alten Rock’n’Roll. Da kam ein Teenager namens Jonathan Richman auf die irre Idee, die klassischen Topoi des Genres wiederzubeleben …
Nur waren die Boys nicht mehr einfach Boys und die Girls nicht mehr nur Girls: Die Unschuld war verloren, in die naiv vorgetragenen Songs mischt sich ein beunruhigender Unterton, der durch die rohe Simplizität von John Cales Produktion noch verstärkt wird. Als das Album vier Jahre nach den Aufnahmen erschien, hatten sich die Modern Lovers getrennt, und Jonathan Richman verlor sich allmählich in der Putzigkeit.
Copyright: Max Redfern/Redferns
The Damned – „Damned, Damned, Damned“ (Stiff, 1977)
The Damned gefielen sich als scheußlich-fiese Spaßvögel, aber verdammt schnell waren sie auch: Als erste britische Punkband veröffentlichten sie eine Single, „New Rose“, am 22. Oktober 1976. Und sie waren auch die Ersten mit richtigem Album: Im Februar 1977 erschien „Damned Damned Damned“ …
Hinter dem sarkastisch-überreizten Rabatz, den sie in Nummern wie „Neat Neat Neat“ oder „Mess Up“ veranstalten, schielt immer wieder ungeniert der Pub Rock hervor – was auch daran liegen könnte, dass die Platte von Nick Lowe produziert wurde. Die Sahnetorten, die die Plattenfirma vor dem Covershooting besorgt hatte, waren in Wahrheit übrigens zum Verzehr bestimmt. Angeblich.
Copyright: Jorgen Angel/Redferns
The Clash – „The Clash“ (CBS, 1977)
Nein, es ist eben nicht „London Calling“. The Clash waren auf ihrem Debüt am besten – und das nicht nur, weil bei diesen Songs noch niemand auf die Idee gekommen wäre, sie in einer Jeans-Werbung zu verheizen. Der US-Ableger ihrer Plattenfirma fand die Musik sogar zu derbe für eine Veröffentlichung – und verweigerte den Release. Lag es an „I’m So Bored With The USA“?
Egal, die UK-Version wurde der bis dato erfolgreichste LP-Import in die USA. Auch wenn die Reggae-Anleihen und die Affinität zu Popmelodien schon hörbar waren – ungestüm giftend wie in „White Riot“ und „Garageland“ schafften es The Clash, die Widersprüche um die gutbürgerliche Herkunft von Sänger Joe Strummer und den CBS-Majordeal einfach wegzublasen.
Copyright: Michael Putland/Getty Images
Radio Birdman – „Radios Appear“ (Trafalgar, 1977)
Die australische Guerillatruppe, in Uniformen und mit Armbinden, auf denen das Bandlogo so streng wirkte, dass sie gar unter Naziverdacht geriet. Auch wegen „New Race“, dem zackigen Erkennungssong, in dem es darum geht, dass die jungen Leute durch Rock’n’Roll zu fremden Wesen mutieren …
Wie Besiedler eines leeren Planeten müssen sich Sänger Rob Younger und die anderen von Radio Birdman Mitte der Siebziger in Sydney auch vorgekommen sein. Weil keiner ihren Garagen-Surf-Detroit-Rock hören wollte, mussten sie sogar eine eigene Bar eröffnen, um auftreten zu können. Und blieben ein regionales Phänomen – obwohl sie mit dem Ur-Punk dieses ersten Albums so früh dran waren, dass England sie hätte umarmen müssen.
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
Richard Hell & The Voidoids – „Blank Generation“ (Stiff, 1977)
Wenn man nach einer Definition für Punk sucht, wird man keine bessere finden als das Cover dieses Debüts des ehemaligen Television- und Heartbreakers-Mitglieds Hell: der leicht gelangweilte und doch aufmüpfige Blick, die widerspenstig in alle Richtungen stehenden Haare, der hagere Körper mit dem nihilistischen Slogan „You Make Me ____“ …
Diesen Look – inklusive der ebenfalls von Richard Hell in den Modekontext überführten sprichwörtlichen Sicherheitsnadel – sollte Malcolm McLaren später für seine Sex Pistols adaptieren, und auch der Titelsong von „Blank Generation“ findet Widerhall in „Pretty Vacant“. Für die robuste Drei-Akkord-Dynamik des Punk waren Hell und seine Voidoids allerdings zu feinsinnig.
Copyright: Roberta Bayley/Redferns
Dead Boys – „Young Loud And Snotty“ (Sire, 1977)
„Can’t stand up, honey, got my tongue on the floor/ Living out a dream ’bout the third world war!” In „High Tension Wire“ verdingt sich Stiv Bators als Seismograf des Punkzeitalters. Die Dead Boys waren kurz zuvor von Cleveland nach New York gezogen und so etwas wie die CBGB-Hausband geworden …
Der Working-Class-Punk auf dem Debütalbum hat natürlich den Stooges und MC5 viel zu verdanken, ein bisschen auch Alice Cooper. Wenn Bators nicht gerade Hippies Prügel androht („Ain’t Nothin’ To Do“), schneidet er gern mit rabiaten Sexstorys auf („All This And More“, „I Need Lunch“). Empfindlich nahe kommt die Band einer neuen Radikalität dann aber doch – in der antisozial-menschenfeindlichen Hymne „Sonic Reducer“.
Copyright: Roberta Bayley/Redferns
Sex Pistols – „Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols“ (Virgin, 1977)
Man muss sich das plastisch vorstellen: Zwei große Plattenfirmen nehmen nacheinander dieselbe Band unter Vertrag – und kriegen solche Angst vor ihr, dass sie sich aus dem Deal wieder herauskaufen. Arbeiter im Presswerk versagen den Dienst, weil das Cover einer Single ihren Nationalstolz kränkt …
Ein Plattenhändler kommt vor Gericht, weil er die Albumhülle ins Fenster gehängt hat. Unvorstellbar, wie viel hektische Verteidigung die Londoner Sex Pistols provozieren konnten. Den Nachhall hört man „Never Mind The Bollocks“ noch heute an, dem einzigen Album, das eher eine Compilation ist. Man sollte sich selbst erinnern, wie einen diese Band beim ersten Hören geschockt hat.
Copyright: Virginia Turbett/Redferns
Ramones – „Rocket To Russia“ (Sire, 1977)
Glaubt man Biograf Everett True, dann war Gitarrist Johnny Ramone not amused, als er mit der Pistols-Single „God Save The Queen“ in die Aufnahmesessions platzte: „These guys ripped us off, and I want to sound better than this!“ Vielleicht wurde deshalb die dritte Ramones-Platte die bis dahin teuerste (25.000 Dollar), aber auch die beste …
Eigentlich jede der schlau-abstrusen Zwei-Minuten-Nummern ist heute ein Klassiker – von „Teenage Lobotomy“ bis „Sheena Is A Punk Rocker“. Zwischen Strandbad („Rockaway Beach“) und Tanzparty (Bobby Freemans „Do You Wanna Dance?“), zwischen Surf-Punk und Bubblegum-Pop bringen die Ramones auch noch ernsthafte Scherze wie „We’re A Happy Family“ unter.
Copyright: Jorgen Angel/Redferns
Wire – „Pink Flag“ (Harvest, 1977)
Die Mitglieder von Wire waren Kunst- und Grafikstudenten und wären von Sid Vicious sicher furchtbar verprügelt worden. Nicht zuletzt weil sie – im Gegensatz zu den Stones und anderen Immatrikulierten – tatsächlich auch als bildende Künstler arbeiteten. Trotzdem erfüllten sie mindestens ein Punk-Kriterium spielend: Nur drei der 21 Songs auf dem Debüt sind länger als drei Minuten …
Den ebenso schroff-minimalistischen wie in Teilen hochmelodiösen Punkrock schöpften Wire aus dem gleichen methodischen Geist, den sie an der Kunsthochschule verinnerlicht hatten: totale Reduktion. Das Jahr 1977 begann mit der Bandgründung, führte sie sechs Monate später ins Londoner Roxy und endete mit „Pink Flag“. Ein Meilenstein.
Copyright: Jim Dyson/Getty Images
Sham 69 – „Tell Us The Truth“ (Polydor, 1978)
„If you’re proud to be a Cockney, clap your hands!“, skandieren die Londoner Zuschauer am Anfang dieser Platte, die eine Live- und eine Studioseite hat – und daher wie keine andere offizielle LP aus der Zeit die Interaktion zwischen Band und Publikum dokumentiert. Schwieriges Thema bei Sham 69:
Der Asphalt-, Pogo- und Prügel-Punk der Band fand auch schnell bei rechten Skindheads und Hooligans Gefallen, die Konzerte wurden zu Schlachten. Neben Zwei-Minuten-Krachern über Bankräuber, Samstagnacht-Radau und Klassenhass gibt es auf dem besten Sham-Album aber auch eine Hymne an die Einsamen und eine kurze Familienkrach-Spielszene, die zeigt, wie viel Humor diese Rattentruppe trotzdem hatte.
Copyright: George Wilkes/Hulton Archive/Getty Images
Elvis Costello & The Attractions – „This Year’s Model“ (Stiff, 1978)
Er war der Musikologe und Literat der New Wave, doch sein Formwille und seine Eloquenz hinderten Declan Patrick Aloysius McManus alias Elvis Costello nicht daran, wutschnaubende, vitriolische Songs wie „No Action“, „Lip Service“ und „Pump It Up“ zu schreiben …
Seit 1974 hatte sich der Programmierer in Pubs und Clubs an Country, Folk und Rock versucht, 1977 erschien sein Debütalbum „My Aim Is True“, mit den schnodderigen Tiraden von „This Year’s Model“ eroberte Costello sogar Amerika. Von „Rache und Schuld“ handelten seine Songs, so Costello. Das nächste Album war schon fertig und sollte „Emotional Fascism“ heißen – man kennt es heute als „Armed Forces“.
Copyright: Redferns / Keith Morris
The Jam – „All Mod Cons“ (Polydor, 1978)
Auf einem Außenposten des Punk schrieb Paul Weller seine sentimentalen Songs in der Tradition der Small Faces, der Kinks und des britischen Rhythm’n’Blues. Der sehr junge Mann rüttelte eher empört am Gitter der Gesellschaft, statt ernsthaft zu versuchen, ihre Grundfesten zum Einsturz zu bringen:
„To Be Someone“ und „David Watts“ handeln vom Aufstieg über Klassenschranken hinweg; „English Rose“ und „The Place I Love“ feiern ganz unverstellt die Heimat, und „In The Crowd“ ist der romantische Traum von der Menschenleere und der Menschenliebe zugleich. The Jam waren die wahren Helden der Working Class, zwischen 1977 und 1982 wurde jede ihrer Singles ein Hit, und „All Mod Cons“ ist so englisch wie die weißen Felsen von Dover.
Copyright: Steve Morley/Redferns
Wipers – „Is This Real?“ (Park Avenue, 1979)
Greg Sage, man kann es nicht oft genug sagen, ist einer der großen, viel zu wenig besungenen Helden des frühen Punkrock – und „Is This Real?“ ein Meisterwerk. „Tragedy“, „D7“, „Wait A Minute“: Die Songs der Wipers hatten eine Sehnsucht, eine melodiöse Brillanz, wie sie ganz und gar untypisch war für die rohe Aggressivität der meisten damaligen Bands. 1977 in Portland gegründet, verband die Gruppe einen Gitarren-Mahlstrom mit polterndem Schlagzeug, zahlreichen Tempowechseln und Sages misanthropischem Gesang zu einer störgeräuschgleichen Wall of Sound. Der Songschreiber bleibt ein wahrer Held des Undergrounds, der später sogar das Angebot von Kurt Cobain ablehnte, im Vorprogramm von Nirvana zu spielen.
Stiff Little Fingers – „Inflammable Material“ (Rough Trade, 1979)
Ein Meilenstein der politischen Rockmusik – und weil das so theoretisch klingt, sollte man sich noch einmal „Suspect Device“ und „Alternative Ulster“ anhören, um zu wissen, was das bedeutet. Die Band aus Belfast befasste sich – auf Anraten des Journalisten Gordon Ogilvie – mit der damals explosiven politischen Lage vor ihrer Haustür in Belfast …
Warum das bei ihnen so gut funktionierte: Sie hatten Ahnung, Haltung, Meinung, Wut – und sie litten selbst unter den Umständen. Epic Records war „Inflammable Material“ zu heiß, also wurde es zwangsläufig auf einem Indie-Label veröffentlicht. Es wurde das erste Album, das es auf diesem Weg in die Charts schaffte – und der erste Release im Rough-Trade-Vertrieb.
Copyright: JJ
Buzzcocks – „Singles Going Steady“ (UA, 1979)
Eine Compilation von Singles (zunächst für die USA) dieser typischen 45er-Band, die 1976 als Reaktion auf ein Konzert der Sex Pistols von Pete Shelley und Howard Devoto gegründet wurde. Die Buzzcocks brachten Ironie und Pop-Verständnis in den Punk:
„Orgasm Addict“, „Everybody’s Happy Nowadays“ und „Ever Fallen In Love?“ haben Schmiss und Melodie und ebneten den rotzigen Songs von Joe Jackson den Weg. 1981 arbeitete die Gruppe an ihrem dritten Album, als die Plattenfirma „Singles Going Steady“ wiederveröffentlichen wollte und sich weigerte, einen Vorschuss für die nächste Platte zu zahlen. Pete Shelley löste die Band auf und begann eine wenig beachtete Solokarriere; 1989 fanden die Musiker wieder zusammen.
Copyright: Fin Costello/Redferns/Getty Images
Gang Of Four – „Entertainment!“ (EMI, 1979)
Die Band um den Gitarristen Andy Gill bekam nach ein paar verheißungsvollen Singles einen Vertrag bei EMI. 1979 erschien dieses höhnische, antikapitalistische Pamphlet mit den typischen eckigen Rhythmen und dem skandierten Sprechgesang, die sich den Talking Heads verdankten. Von der Gang lernten wiederum die Fehlfarbe …
„Damaged Goods“, „Guns Before Butter“ und „At Home He’s A Tourist“ sind sardonische Bestandsaufnahmen einer verkommenen Gesellschaft, mit trockenem Minimalismus gespielt und um Funk und Afro-Beats erweitert. 1983 ging die Gruppe auseinander; als sie 20 Jahre danach immer häufiger vom Indierock-Nachwuchs als Referenz erwähnt wurde, kam sie 2005 wieder zusammen.
Copyright: Virginia Turbett/Redferns
The Slits – „Cut“ (Island, 1979)
Eigentlich ist „Cut“ vielmehr ein Dub- als ein Punk-Album. Der von Siouxsie & The Banshees geborgte Schlagzeuger Budgie und der Reggae-Produzent Dennis Bowell bauten ein raffiniertes rhythmisches Gerüst, in dem sich die drei Musikerinnen frei und selbstbewusst bewegten …
„Newtown“ besteht überwiegend aus kleinen Geräuschen – aufflammende Streichhölzer, raschelnde Schachteln, klimpernde Münzen. Ari Up, Tessa Pollitt und Viv Albertine spielen die Instrumente minimalistisch, eher mit Spaß als Ambition, aber immer funky – weshalb „Cut“ noch heute so unverbraucht klingt. Die Slits haben vermutlich einen wichtigeren Beitrag zum Feminismus im Pop geleistet als die im gleichen Jahr gegründete Kampfschrift „Emma“.
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The Clash – „London Calling“ (CBS, 1979)
1979 hatte die Apokalypse England erreicht: Die Arbeitslosigkeit stieg, Armut und Rassismus waren die Folge, Kokain kam in Mode, und die eiserne Lady Margaret Thatcher trat ihren Dienst an. Niemand fand dafür bessere Bilder als Clash-Sänger Joe Strummer.
Copyright: Epic
„This is London calling …“ Doch während in den Texten die Welt untergeht, findet sich in der Musik, im Nebeneinander von Ska, Funk, Pop, 60s-Soul und Rockabilly, eine echte Utopie. Das Cover, das Paul Simonon bei der Zerstörung seines Basses zeigt, ist eine Umkehrung des Motivs vom ersten Elvis-Presley-Album: Die Leidenschaft ist in Frustration umgeschlagen, die Party ist vorbei.
Copyright: George Rose/Getty Images
X- „Los Angeles“ (Slash, 1980)
„Yes L.A.“ nannte das Mini-Label Dangerhouse 1979 seine Compilation, „Not Produced By Brian Eno“, als Tritt gegen den vom Ambientmeister produzierten „No New York“-Sampler: Die Köter von der Westküste zeigten den kunstverliebten Avantgardisten aus NY die Zähne, und hier war auch „Los Angeles“ von X zum ersten Mal zu hören. Ein Song, der allerdings von der Flucht aus der Stadt erzählt, im Duett gesungen vom Punkrock- und Poetenpaar Exene Cervenka und John Doe, das ganz sicher keine englischen Vorbilder hatte, sondern neben dem CBGB-Stoff vor allem Rockabilly und alten Rock’n’Roll gehört hatte. Der Zusammenhang zwischen Pogo und Chuck Berry, ausgerechnet von Doors-Orgler Ray Manzarek produziert.
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