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50 Ereignisse, die den Rock’n’Roll veränderten: 1967-1982
Alien Nation - David Bowie eröffnet die Glam-Rock-Ära. 50 Ereignisse, die den Rock'n'Roll veränderten, Teil 2.
Sommer 1967: Hippie-Happening - In San Francisco erblüht der „Summer of Love“
Der Sommer der Liebe begann im Winter. Am 14. Januar 1967 versammelten sich 20 000 Hippies, Beats und Berkeley-Aktivisten zum ersten „Human Be-In“ auf dem Polo Field, einem großen Versammlungsort im Golden Gate Park von San Francisco. Es spielten The Grateful Dead und Jefferson Airplane, Allen Ginsberg veranstaltete gewaltige Atemübungen, und Timothy Leary beschwor: „Turn on, tune in and drop out.“ Der zukünftige ROLLING STONE-Redakteur Ralph J. Gleason beschrieb das Ereignis im „San Francisco Chronicle“ als „eine Affirmation, kein Protest. Acid war überall, aber es gab keine üblen Trips. Die Sonne ging unter, die Bands spielten, und die Menschen leuchteten.“
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Michael Ochs Archives/Getty Images.
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Sommer 1967: Hippie-Happening – In San Francisco erblüht der „Summer of Love“
Der Sommer der Liebe begann im Winter. Am 14. Januar 1967 versammelten sich 20 000 Hippies, Beats und Berkeley-Aktivisten zum ersten „Human Be-In“ auf dem Polo Field, einem großen Versammlungsort im Golden Gate Park von San Francisco. Es spielten The Grateful Dead und Jefferson Airplane, Allen Ginsberg veranstaltete gewaltige Atemübungen, und Timothy Leary beschwor: „Turn on, tune in and drop out.“ Der zukünftige ROLLING STONE-Redakteur Ralph J. Gleason beschrieb das Ereignis im „San Francisco Chronicle“ als „eine Affirmation, kein Protest. Acid war überall, aber es gab keine üblen Trips. Die Sonne ging unter, die Bands spielten, und die Menschen leuchteten.“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
Von 1965 bis 1967 schwoll die Bevölkerungszahl von Haight-Ashbury von 15 000 auf geschätzte 100 000 an. „Man konnte recht billig dort leben“, sagt Grace Slick. „Man mietete sich ein altes viktorianisches Haus, und dann verteilten sich acht Kids auf drei Etagen.“ Tagsüber „spazierte man sehr langsam die Haight Street entlang, plauderte mit den Ladenbesitzern, teilte sich einen Joint, redete über die Regierung, trank einen Kaffee. Es war wie eine freundliche Mall.“ Als der Sommer kam, erreichte die Hippie-Bewegung ihren Höhepunkt. Im Golden Gate Park wurde regelmäßig gegen den Vietnamkrieg protestiert, die Doors und Jefferson Airplane spielten beim „Magic Mountain Music Festival“, und in Haight-Ashbury eröffnete das Straight Theater.
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Die Belastung durch die Überbevölkerung zwang allerdings viele der Anwohner zum Betteln. Das war die Szene, die George Harrison erlebte, als er den Golden Gate Park am 7. August 1967 besuchte. Nachdem er und seine Frau Patti Boyd ein paar orangefarbende Trips eingeworfen hatten, stiegen sie in Haight-Ashbury aus ihrer Limousine. „Ich dachte, die Leute hätten alle ihre eigenen kleinen Läden“, sagte Harrison. „Und dass sie nett und sauber und freundlich und glücklich sein müssten.“ Aber was Harrison sah, waren „furchtbare, picklige kleine Teenager“, die um Geld bettelten und ihn drängten, für sie Gitarre zu spielen. Er klimperte eine Strophe aus „Baby, You’re A Rich Man“, aber als das Acid zu wirken begann, wusste er den Text nicht mehr, und das versammelte Publikum begann zu buhen. „Ich hab nichts dagegen, dass man aus irgendwas aussteigt“, sagte Harrison. „Was ich nicht mag, ist, wenn man es auch anderen aufzwingen will und Leute anbettelt.“
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Februar 1967: Clowns im Chaos – Die Beatles nehmen mit Gästen „Sgt. Pepper“ auf
Am Freitag, dem 10. Februar 1967, gaben die Beatles eine Party in den EMI-Studios an der Abbey Road im Nordwesten Londons. Anlass: die Aufnahme von 24 Takten improvisiertem Crescendo, gespielt von einem 40-köpfigen Orchester für „A Day In The Life“, den Schlusssong ihres damals gerade entstehenden Meisterwerks „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Zu den Special Guests gehörten Mick Jagger, Keith Richards, Donovan und Michael Nesmith von den Monkees. Auf Bitten der Beatles trugen die Orchestermitglieder Abendgarderobe, dazu Karnevalskäppis, Clownsnasen, falsche Brustwarzen sowie, im Falle des ersten Geigers, eine Gorillapfote als Bogenhand. Die Toningenieure Geoff Emerick und Ken Townsend nahmen das musikalische Chaos auf zwei miteinander verbundenen Vier-Spur-Bandmaschinen auf, damit war es die erste Achtspuraufnahme in England überhaupt …
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„Es dauerte nur eine Dreiviertelstunde, die Bandmaschinen zu synchronisieren“, sagt Townsend. „Das Anstrengendste war, die Dinger die Treppe hoch in den Regieraum zu schleppen.“ Der ganze Abend resultierte in nur 30 Sekunden Musik (die im Song zweimal verwendet wurden). Aber die Session war typisch für die lustvolle Frechheit, mit der John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr bei „Sgt. Pepper“ ans Werk gingen. „Wir hatten es satt, die Beatles zu sein“, sagte McCartney mit Blick auf die schwarzen Anzüge und die kreischenden Mädchen, die sie nach ihrem Abschied von der Bühne im Sommer 1966 hinter sich gelassen hatten. „Wir waren keine Jungen mehr, wir waren Männer. Künstler, nicht Performer.“ „Sgt. Pepper“ war der bewusst überspitzte Beweis dafür, und ein Meilenstein, was den Technicolor-Sound, das durchgängige Konzept und auch die Songwriting-Ambitionen betraf. Fast jeden Ton des Albums nahmen die Beatles in einem einzigen Raum auf, in Abbey Roads bescheidenem, weiß gestrichenem Studio Two …
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(Die Orchester-Session für „A Day In The Life“ bildete die seltene Ausnahme und fand im riesigen Studio One statt, wo sonst nur Symphonisches entstand.) Das Gebäude in der Abbey Road war 1830 als noble Privatresidenz entstanden, mit neun Schlafzimmern, Bedienstetenquartieren und einem Weinkeller. Aber 1967 waren die EMI-Studios darin düster und veraltet, vor allem gemessen an den rasant sich entwickelnden Bedürfnissen von Lennon und McCartney. „Ich stand jeden Tag vor neuen Problemen“, erinnerte sich Produzent George Martin. „Die Songs der frühen Jahre waren ja ganz geradlinig, mit denen konnte man nicht allzu viel herumspielen. Aber nun entwarfen sie Soundgemälde.“ Die Beatles waren ekstatische Erfinder. Für einen perkussiven Effekt in McCartneys „Lovely Rita“ zweckentfremdeten sie das offizielle EMI-Toilettenpapier (mit dem Aufdruck „The Gramophone Company Ltd“) und bliesen damit auf einem Kamm. Und das war nur einer von vielen exzentrischen Einfällen. „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ erschien am 1. Juni 1967 in dem legendären Klapp-Cover des Künstlers Peter Blake und des Fotografen Michael Cooper. Es elektrisierte die Welt.
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Juni 1967: Elektrische Schocks – Jimi Hendrix und Otis Redding begeistern beim „Monterey Pop Festival“
„Ich möchte euch einen sehr guten Freund vorstellen, einen Landsmann von euch“, sagte Brian Jones von den Rolling Stones 1967 beim „Monterey International Pop Festival“ an der kalifornischen Küste. „Er ist der aufregendste Performer, den ich je gehört habe. The Jimi Hendrix Experience.“ Hendrix hatte die große Ankündigung nötig. Trotz seines Erfolgs in England mit „Are You Experienced?“ war er in seiner Heimat Amerika praktisch unbekannt. Er kam in Gypsyweste, Stirnband und einem leuchtend orangefarbenen krausen Hemd auf die Bühne und stürzte sich in glühende Versionen von „Killing Floor“ und „Foxy Lady“. Vielleicht unter dem Einfluss der Doppeldosis Acid, die er früher am Tag genommen hatte, plapperte er nervös, während er das Intro zum nächsten Song spielte:
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„Den Song möchte ich allen mit Herz und Ohren widmen… Wir wollen jetzt eine kleine Nummer von Bob Dylan spielen“. Es folgte eine donnernde, bluesige Version von „All Along The Watchtower“, und das Publikum gehörte ihm. „The Who und Jimi Hendrix hatten die lautesten Verstärker, denen ich je nahegekommen bin“, sagte Monterey-Pop-Dokumentarfilmer D.A. Pennebaker. „Ich stand unter Schock.“ Um The Who zu übertrumpfen, die bei „My Generation“ ihr Equipment zerlegt hatten, ließ Henrix nichts aus. Er zupfte die Saiten mit den Zähnen, und beim abschließenden „Wild Thing“ kopulierte er mit seinen Amps und ejakulierte Feuerzeugbenzin über seine Gitarre. Dann zündete er es an. „Ich beschloss, meine Gitarre am Ende dieses Songs zu zerstören – dabei war ich erst an dem Tag mit der Lackierung fertigeworden“, sagte Hendrix …
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Auch für Otis Redding bedeutete sein Auftritt in Monterey den Durchbruch. Der Soulsänger aus Georgia „hatte in den USA bis dahin immer nur für Schwarze gespielt“, sagt Regisseur John Landis, der in Monterey war. Reddings sehnsüchtige Ballade „Try A Little Tenderness“ und Rocker wie „Satisfaction“ von den Stones elektrisierten das Publikum. „Otis blies alle um“, sagte der ehemalige Präsident von Capitol Records, Joe Smith. „Wenn es einen Moment gab, bei dem wirklich alle aufsprangen, dann war das der Auftritt von Otis Redding.“ Jahre später, als Landis „Blues Brothers“ drehte, arbeitete er mit Steve Cropper und Donald „Duck“ Dunn, die in Reddings Band gespielt hatten. „Ich erzählte ihnen immer wieder, wie aufregend das war, Otis zu sehen“, sagt Landis. „Und sie sagten: ‚Aufregend, aha. Da hättest du erst mal auf der Bühne sein sollen.“
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August 1969: Totales Paradies – In „Woodstock“ werden Hippie-Träume wahr
„Wir dachten, wir wären alle einzelne, verstreute Hippies“, erinnert sich David Crosby. „Aber als wir in Woodstock ankamen, sagten wir: ‚Wart mal, das ist ja viel größer, als wir dachten.‘ Wir flogen mit dem Hubschrauber und sahen auf dem New York State Thruway einen 20 Meilen langen Stau und ein Publikum von mindestens einer halben Million Leuten. Es war unbegreiflich, wie viele Menschen das waren“, schwärmt Crosby weiter. „So etwas hatte es noch nicht gegeben, es war fast wie die Landung Außerirdischer.“ Am Wochenende des 15. August 1969 strömten geschätzte 400 000 Menschen zur 250 Hektar großen Milchfarm von Max Yasgur in Bethel, New York, dem Schauplatz eines dreitägigen Festivals, der „Woodstock Music And Art Fair“. Am Montag, dem 18. August verstreuten sie sich wieder in alle Winde …
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Dazwischen erlebten sie legendäre Auftritte unter anderem von The Who, Santana, Janis Joplin, Creedence Clearwater Revival, Joe Cocker, Sly And The Familiy Stone, Jimi Hendrix und – bei ihrem erst zweiten gemeinsamen Auftritt – Crosby, Stills, Nash & Young. „Es ging hektisch zu, und wir gerieten ein bisschen ins Schwimmen“, sagt Crosby. „Nach uns kamen Hendrix, Sly And The Familiy Stone, all diese Bands, und vor denen wollten wir eine gute Figur abgeben. Mein persönlicher Höhepunkt war, da rauszugehen, ‚Suite: Judy Blue Eyes‘ zu singen und bis zum Ende durchzukommen, ohne es zu ruinieren. Es war stoned und lustig und prima.“ Trotz Verzögerungen, trotz der allgegenwärtigen Gefahr von Elektroschocks und allgemeiner Anarchie hinter der Bühne gelang Woodstock das ultimative Kunststück der Sechziger:
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ein regendurchnässtes Chaos in das bedeutendste Rockfestival aller Zeiten zu verwandeln, in das berühmteste, erfolgreichste Friedens- und Gemeinschaftsexperiment der Dekade. „Es war unglaublich“, findet auch Carlos Santana. „Ich werde nie vergessen, wie die Musik klang, die da über ein ganzes Feld von Körpern hallte.“ Joe Cocker holte mit seiner Version von „With A Little Help From My Friends“ den britischen R&B in die Kirche, und Jimi Hendrix schickte die letzten Nachzügler am Montagmorgen mit seiner unsterblichen Interpretation des „Star-Spangled Banner“ nach Hause. Wie Wavy Gravy sagte, einer der DJs in Woodstock: „Die ganze Welt sah uns in diesen Tagen zu, und wir konnten der Welt zeigen, wie sie sein könnte, wenn wir an den Hebeln säßen.“ Auch wenn es anders kam, verkörpert jene für einige magische Tage wahr gewordene Utopie bis heute das Idealbild des friedlichen Rock-Festivals.
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September 1968: Freak-Out – Mit Amon Düül beginnt die Krautrock-Revolution
Unter den Gitarren – der Muff von 1000 Jahren: Vor dem 25. September 1968 definierten verschämte Elvis-Imitatoren wie Peter Kraus den Klang der deutschen Rockmusik. Natürlich gab es brav muckende Beatbands wie die Rattles, doch einen radikal eigenen Stil wagte kaum jemand. „Deutschland war damals zum Kotzen. Da wollte man sich als Junger deutlich von absetzen“, erinnert sich Uschi Obermaier, eine der wenigen Ikonen des frühen deutschen Pop. Sie hat die Geburtsstunde des deutschen Underground-Rock live miterlebt. Im September 1968, bei den „Internationalen Essener Songtagen“, stand sie zusammen mit Amon Düül auf der Bühne und schwenkte Maracas …
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Die 1967 in München von dem Gitarristen und Violinisten Chris Karrer gegründete Kommune war mitsamt Kindern und Hunden beim Essener Festival angereist. Neben den ebenfalls auftretenden deutschen Vertretern The Guru Guru Groove (die späteren Guru Guru), Tangerine Dream und Floh De Cologne machte der kollektive Freak-Out von Amon Düül den Unterschied ums Ganze. Julian Cope beschreibt in seinem Standardwerk „Krautrocksampler“ die frühen Stücke der Band als „extraordinary classics and extremly raw“. Ein Song des 1968 eingespielten, aber erst 1969 veröffentlichten Düül-Debüts „Psychedelic Underground“ gab dem jungen Genre schließlich seinen Namen: „Mama Düül und ihre Sauerkrautband spielt auf“. Die britische Musikpresse, inklusive John Peel, zeigte sich begeistert – der Begriff Krautrock war geboren …
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Trotz damals vernichtender Kritiken gilt „Psychedelic Underground“ heute insbesondere in Neo-Psychedelic- und Psych-Folk-Kreisen als Kultalbum. Die erste echte Krautrock-Platte ist es auf jeden Fall, auch wenn „Phallus Dei“ sicher das bekanntere Album der damals schon in Amon Düül und Amon Düül II zersplitterten Band ist. Wer das Werk heute hört, sollte freilich bedenken, in welchem Zustand diese Musik entstand und konsumiert wurde. Zeitzeugin Obermaier beschreibt den üblichen Bewusstseinszustand der Krautrocker: „Ich war enttäuscht vom ersten Mal Marihuana-Rauchen. Ich dachte, die Wände würden sich bewegen – und nichts ist passiert. Später gab’s dann Acid-Trips, wo sich wirklich die Wände bewegt haben. Lichtexplosionen und so, da hat sich was getan.“
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Dezember 1969: Der Sündenfall – In Altamont verliert der Rock’n’Roll die Unschuld
„Es war das Ende der Unschuld“, sagt Grateful-Dead-Schlagzeuger Mickey Hart über das Umsonst-und-Draußen-Festival am Altamont Raceway in der Nähe von San Francisco, mit dem 1969 die US-Tour der Rolling Stones endete. „Alles, was schiefgehen konnte, ging schief. Es war die Hölle auf Erden, wirklich.“ „Von Anfang an herrschte schlechte Stimmung“, sagte Carlos Santana hinterher. „Bad vibes. Die ganzen Leute schossen sich einfach ab und wollten auch alle anderen schlecht draufbringen.“ Das kann man wohl sagen. Als Mick Jagger in Altamont aus dem Helikopter stieg, schlug ihm ein Teenager ins Gesicht und schrie: „Ich hasse dich, ich hasse dich!“ Und als am Ende die 300 000 Besucher vom Festivalgelände stolperten, waren vier Fans tot und hunderte verletzt. Die Sixties hatten ihre hässliche Seite enthüllt …
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Die Idee war ein Gratiskonzert, organisiert von den Stones und den Grateful Dead, dazu mit Crosby, Stills, Nash & Young, den Flying Burrito Brothers, Santana und Jefferson Airplane. Auf Empfehlung der Dead engagierten die Stones Mitglieder der Hell ’s Angels als Ordner. Über 300 Biker wurden mit Alkohol im Wert von 500 $ bezahlt. Bald hockten sie auf der Bühne, schluckten Acid in rauen Mengen und zielten mit Bierdosen auf die Köpfe der Fans. Santana spielten zuerst, und schon nach ihrem ersten Song wurde es brutal. Einige der Angels traten einen Mann ins Gesicht, der versucht hatte, sich vor der Bühne entlang zu drängen. Während des Auftritts von Jefferson Airplane wies Sänger Marty Balin einen Angel an zu verschwinden, worauf ihn die Biker bewusstlos schlugen. Die Rolling Stones warteten mit ihrem Auftritt bis zum Einbruch der Dunkelheit …
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In der zweistündigen Pause wurde im Publikum gegen die kühlen Temperaturen Feuer aus Müll angezündet, so dass es buchstäblich zum Himmel stank, als Jagger & Co endlich auf die Bühne kamen und mit „Jumpin‘ Jack Flash“ begannen. Es folgte „Carol“, dann „Sympathy For The Devil“, das sie abbrechen mussten, als eine Schlägerei ausbrach. Die Hell’s Angels gingen auf einen 18-jährigen Schwarzen namens Meredith Hunter los, der angeblich mit einer Pistole hantiert hatte. Große Teile des Tumults wurden für die Tourdoku „Gimme Shelter“ gefilmt. Während die Stones „Under My Thumb“ spielten, traten und stachen die Angels auf Hunter ein, bis er tot war. Sonny Barger, Präsident der Oakland-Abteilung der Hell’s Angels, behauptete später, die Biker hätten die Stones lediglich beschützt und seien erst handgreiflich geworden, als einzelne Fans die Harleys vor der Bühne umgeworfen hätten. Eine Jury in San Francisco sprach den des Mordes angeklagten Angel Alan Passaro später frei. Aber die Wunde, die dieser Tag riss, heilte nie.
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Juli 1972: Alien Nation – David Bowie eröffnet die Glam-Rock-Ära
„Hier kommt das Zweitbeste nach Gott“, kündigt der „Master of Ceremony“ an, der britische DJ Kenny Everett, während die „Ode an die Freude“ aus Beethovens „Neunter Sinfonie“ in der altehrwürdigen Londoner „Royal Festival Hall“ aus der PA schallt. Ein einzelner roter Lichtstrahl zielt auf die Bühne und formt einen leuchtenden Heiligenschein um einen dünnen, Außerirdischen mit orangen Haaren, einem grünroten Raumanzug und roten Plateaustiefeln. „Hello“, sagt der Außerirdische in seinem weichen, kultivierten Akzent zur hysterischen Menge. „I‘m Ziggy Stardust, and these“ – Scheinwerfer erleuchten seine drei Mitmusiker – „are the Spiders From Mars.“ Es war der 8. Juli 1972. Ziggy war in Wirklichkeit David Bowie, 25, ein mäßig erfolgreicher Singer-Songwriter aus London mit ein wenig Theatererfahrung, der sich in einen futuristischen, androgynen Messias verwandelt hatte, in den ultimativen, leuchtenden Popgott. Die Spiders waren Bassist Trevor Boulder, Schlagzeuger Woody Woodmansey und der explosive Leadgitarrist Mick Ronson, alle ähnlich grell gekleidet wie ihr Frontmann. Und die Show war ein Fest androgyn-überdrehter Erotik, mit glitzerndem Garagenrock und Songs von Bowies brillanter neuer Operette über seine Kunstfigur, „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars“. Jenes Album läutete den Beginn des Glam-Zeitalters ein und besiegelte überdies Bowies andere Transformation: in einen wahren Superstar …
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„Ich wusste nicht, dass ein Konzept dahintersteckte“, sagt Lou Reed, der an jenem Abend in der „Royal Festival Hall“ Bowies Gast war und in dessen Set drei seiner eigenen Velvet-Underground-Klassiker sang. Auch dem britischen Glamrock begegnete Reed hier zum ersten Mal, diesem aufgedonnert-androgynen Gegengift zum Hippietum der späten Sechziger. „Es war verblüffend anzusehen, wie dieses ganze Ding auftauchte“, erinnert sich Reed. „Es gab irrsinnig viele männliche Gockel – und Frauen, die auf Glitzer standen.“ (Ein britischer Kritiker formulierte es etwas anders und beschrieb die Konzertgänger bei Bowies Ziggy-Shows in den USA Ende ’72 als „wandelnde Weihnachtsbäume“.) Die grandiose Geburt des Glam in der „Royal Festival Hall“ war seltsamerweise ein Öko-Benefizkonzert: Die Einnahmen gingen an die Organisation Friends Of The Earth und deren Kampagne zur Rettung gefährdeter Wale – eine wahrhaft komische Geste für einen so egomanischen Kult. Zu den allabendlichen Höhepunkten der Ziggy-Konzerte gehörte, dass Bowie Mick Ronsons Gitarre einen blies, während Ronson sein schrilles Solo spielte. „Ich erinnere mich vor allem daran, wie viele Paare bei unseren Shows heftigstes Petting betrieben“, merkt Bowie an. „Alle Hemmungen schienen schon am Eingang zu fallen wie Blätter.“ Die Aufregung war ansteckend …
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Reed – den man zu Velvet-Zeiten immer nur ganz in Schwarz sah – ließ sich von Bowie und dessen damaliger Frau Angie bald ein Glitteroutfit verpassen. „Wir gingen zu dritt shoppen, und Angie suchte diese ganzen tollen Schals aus und diese straßbesetzte Jacke“, sagt Reed. „Die Jacke wurde auf der Bühne ungefähr 100 Grad heiß. Ein paar Tage später war Iggy da. Mehr Spaß hätte ich mir nicht ausdenken können.“ Wie Reed gehörte auch Iggy Pop, der sich gerade noch von der Auflösung der Stooges erholte, zu Bowies Idolen. Bei einem Empfang am 16. Juli, den Bowies Manager Tony DeFries im Londoner „Dorchester Hotel“ für amerikanische Journalisten gab, lieferten Bowie, Reed und Iggy einen Spontanauftritt, der kein Stück weniger provokativ war als die Ziggy-Shows. Bowie räkelte sich im bis zum Nabel aufgeknöpften Dress auf einem Sofa und gab viertelstündige Interviews. Reed gab bekannt, Bowie werde sein nächstes Soloalbum produzieren – den Glam-Meilenstein „Transformer“–, dann unterbrach er eines von Bowies Interviews, indem er hinüberging und David ausgiebig auf den Mund küsste. Iggy, mit silbernem Lidschatten und Marc-Bolan-T-Shirt, kündigte an, er werde aus dem Fenster springen, überlegte es sich dann aber anders. Als Mode wie als Sound war Glam bald wieder vorbei. Doch Bowie, Reed und Iggy zogen alle drei ein langes Leben aus seiner Energie und lieferten einzeln wie als Teams großartige Musik. „Ich glaube nicht“, sagt Reed, „dass damals irgendjemand die Sache als ‚Karriere‘ betrachtete. Man hoffte eher, dass man nicht von einer Klippe fiel.“
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Juli 1973: Straight outta Eppendorf – Udo Lindenberg erfindet den Deutschrock
Lässt man den Werdegang Udo Lindenbergs vor „Alles klar auf der Andrea Doria“ Revue passieren, muss einem die Erfindung des Deutschrock fast wie ein Zufall vorkommen. Das Schicksal jener in der Eingangszeile des Titelsongs besungenen Rentnerband dräute dem damaligen Jazz-Schlagzeuger zeitweise selber. Er fürchtete, „lebenslang in weißen Hosen Tango spielen zu müssen“, wie er 1979 dem Autor Steve Peinemann erzählte. Des späteren Plattenmillionärs Lehr- und Wanderjahre als juveniler Knallkopf hatten ihn von einer – abgebrochenen – Kellner-Lehre über einen Muckerjob in Tripolis und ein halbherzig aufgenommenes Musikstudium schließlich nach Hamburg geführt. Nach jahrelanger Tingelei (unter anderem mit Klaus Doldinger) findet Lindenberg in „Onkel Pös Carnegie Hall“ eine Art Zuhause. In dem Jazz-Club am Eppendorfer Lehmweg, im Song „Andrea Doria“ verewigt, formiert sich gerade die später in den Medien ausgeschlachtete „Szene Hamburg“ …
Copyright: Gijsbert Hanekroot/Redferns
Leute wie Otto Waalkes, Inga Rumpf und Udo selbst feiern, musizieren und diskutieren im „Pö“ – und bisweilen schlafen sie auch dort. In diese Zeit fällt die Erfindung der Kunstfigur Udo Lindenberg. Im August 1973 gründet Lindenberg dann in Münster die erste Version seines Panikorchesters. Zuvor hatte er in den Hamburger Teldec Studios sein zweites deutschsprachiges Album aufgenommen, mit dem er beweisen will, „dass es eine Alternative gibt zum angloamerikanischen Rock-Monopol“. Keineswegs selbstverständlich, gilt es doch damals als unmöglich, irgendetwas anderes auf Deutsch zu singen als Schlagerlieder. Doch „Andrea Doria“ verändert im Sommer ’73 auf einen Schlag alles. Innerhalb kürzester Zeit verkauft sich das Werk 70000 Mal und beamt Lindenberg aus der heimeligen Eppendorfer Szene geradewegs auf sämtliche Titelseiten …
Copyright: Gems/Redferns
Eine hierzulande bislang beispiellose Promo-Kampagne führt den frischgebackenen Star von Dr. Sommer-Beratungsstunden bis zu Sitzungen am „Bild“-Telefon, die Zahl der Nachahmer wächst ins Epidemische. Bereits damals wird auch Kritik laut. Doch Barry Graves irrt, als er in der „Welt“ radebrecht, Lindenberg fehle es an der „Technik der skizzenhaften Situationsschilderung, der diskreten Symbolismen“. Der Humor war frisch, die Texte auf spielerische Weise clever – eine frühe Sternstunde der deutschsprachigen Rockmusik. Die Lindenberg zwar nicht komplett im Alleingang erfand – Ton Steine Scherben waren bereits aktiv –, zu deren herausragendem Exponenten er jedoch werden sollte. Eine Pioniertat, ohne die Westernhagen, Grönemeyer und all die anderen vermutlich nie einen Plattenvertrag gekriegt hätten. Sein bis heute bestes Album, „Ball Pompös“ , sollte Lindenberg damals freilich erst noch machen.
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November 1974: Konzeptkunst – Mit „Autobahn“ gelingt Kraftwerk ein bis heute gültiges Referenzwerk elektronischer Musik
Der Produzent Conny Plank war überrascht, als ihm ein Journalist des „Record Mirror“ 1975 mitteilte, Kraftwerk hätten in England Platz elf der Single-Charts erreicht: „Ich wusste gar nicht, dass ‚Autobahn‘ als Single veröffentlicht wurde“, stammelte der 1987 verstorbene Großmeister der deutschen Studio-Elektronik damals überrascht. Auch in den USA erreichte der gut dreiminütige Edit des über 22 Minuten langen Albumtracks die Charts. Erstaunlich, denn die Mischung aus melancholischer Minimal-Musik, Kühlschrank-Atmosphäre und Konzeptkunst widersprach allem, was Mitte der Siebziger als Konsens galt. „Wir versuchen, die Geräusche des täglichen Lebens in Musik umzusetzen …
Copyright: Gijsbert Hanekroot/Redferns
Für ‚Autobahn‘ fuhren wir wochenlang über Autobahnen, nahmen die Fahrtgeräusche auf, und verarbeiteten sie zu Musik“, erklärte Florian Schneider seinerzeit sogar der „Bravo“. „Autobahn“ war das erste der stilbildenden Konzept-Alben von Kraftwerk. Die vorherigen Platten waren noch mit herkömmlichen Instrumenten eingespielt worden, nun leistete sich die Band einen Mini-Moog-Synthesizer. Noch immer gab es wenig Gesang, aber die experimentelle Musik der Anfangstage war einer völlig neuen, minimalistischen Popmusik gewichen. Bowie, Depeche Mode, Joy Division, Giorgio Moroder – alle haben sie von den Düsseldorfern gelernt, die damals aus Florian Schneider, Ralf Hütter, Wolfgang Flür und Klaus Röder bestanden (letzterer wurde bald von Karl Bartos abgelöst) …
Copyright: Gijsbert Hanekroot/Redferns
Was „Autobahn“ so reizvoll macht, ist auch die Auseinandersetzung mit spezifisch deutscher Kultur: Die Zukunft scheint hier schon wieder vergangen, eine sonderbare Wehmut und Romantik klingt an. „Der Krieg hatte die Menschen ihrer Kultur beraubt und ihnen einen amerikanischen Kopf aufgesetzt“, erklärt Ralf Hütter in einem Interview mit der Musikzeitschrift „Creem“. „Wir sind die erste deutsche Gruppe, die für sich selbst eine mitteleuropäische Identität entwirft.“ Derartige Thematisierungen des Deutschtums waren nicht jedermanns Sache – gerade in Verbindung mit der Nazi-Erfindung Autobahn. Doch schon der Titel des nächsten Albums, „Radio-Aktivität“, zeigte, dass Kraftwerk auf intelligente Weise mit Vorurteilen und Erwartungen spielten. Und so ist auch die urdeutsche „Autobahn“ letztlich nichts anderes als eine Metapher für Freiheit und ästhetisches Weiterkommen – Monotonie des Alltags inklusive.
Copyright: Gems/Redferns
Sommer 1975: 17 Songs in 20 Minuten – Die Ramones legen im CBGB den Grundstein für ihre Karriere
Im Sommer 1975 stieg in einem winzigen Rockclub in downtown New York 26 Abende lang das bescheiden getaufte Festival „New York’s Top 40 Unrecorded Rock Talent“. Der Club, CBGB, gehörte einem stämmigen Umzugsunternehmer namens Hilly Kristal, war zuvor eine Biker-Bar gewesen und noch davor ein Bowery-Treffpunkt für Trinker aller Art. Der ROLLING STONE hielt in jenem Herbst fest: „Ein Grundgeruch von Pisse und Desinfektionsmittel bleibt.“ Selten hatte ein einzelner Veranstaltungsort eine so durchschlagende Wirkung auf die Musikgeschichte. Es ist kaum übertrieben, das CBGB den Ground Zero der Punk- und der New-Wave-Bewegung zu nennen. Allein zum Line-up des erwähnten Festivals gehörten Blondie, die Talking Heads (mit einem ihrer ersten Auftritte), Television und natürlich die inoffizielle Hausband des CBGB, die Ramones. „Beim ersten Mal hatten uns Blondie eingeladen, die damals noch Angel And The Snake hießen“, erinnert sich Ur-Drummer Johnny Ramone …
Copyright: Richard E. Aaron/Redferns
„Wir spielten für den Barkeeper, ein paar Betrunkene, Hilly und Hillys Hund.“ „Ich wollte sie definitiv kein weiteres Mal auf die Bühne lassen“, sagt Kristal. „Was soll ich sagen? Sie spielten schlechter als Television, und Television waren zu der Zeit richtig schlecht. Ständig brachen sie ab und machten wieder weiter, ihre Verstärker gingen kaputt, sie schrien sich an. Aber man lernt eben dazu.“ Er lacht. „Als sie sich entschlossen hatten, ohne Unterbrechungen durch ihr Set zu kommen, also durch sowas wie 17 Songs in 20 Minuten, da war das irgendwie… Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Sowas hatte noch nie jemand gemacht. Sie hatten nette Melodien, aber vor allem hörten sie einfach nicht auf. Und das war irgendwie ein Schock.“ Der Club wurde schnell zur Szene, zog Künstler an, Bohemians aus dem Viertel und, wie Tommy Ramone sagt, „jede Menge Neugieriger“. Lou Reed schaute vorbei. Es spielten Patti Smith, die Dead Boys und auch ein Drag-Act namens The Cockettes …
Copyright: Roberta Bayley/Redferns
Was die Mode der Zeit betrifft, sagt Kristal: „Der einzige Unterschied zur Hippie-Ära war, dass sie die Haare generell kurz trugen. Man kleidete sich schmucklos, aber die Löcher in Hosen und Hemden hatten ganz real mit der Rezession damals zu tun. Es gab viele Second-hand-Läden, eine Jeans bekam man für ein, zwei Dollar, ein T-Shirt für einen Dollar.“ Beim Festival rasten die Ramones durch ein Set mit frühen Songs wie „I Don’t Wanna Go Down To The Basement“ und „Judy Is A Punk“ und Sixties-Bubblegum-Covers wie „California Sun“ oder „Let’s Dance“. Wenig später nahmen sie –in nur einer Woche und für 6400 Dollar – ihr Debütalbum auf und gingen auf ihre erste Europa-Tournee. Ein nervöser Johnny Rotten besuchte die Band backstage in London er dachte offenbar, es handle sich bei den Ramones um eine echte Straßengang. Zur Beruhigung lud ihn die Band auf ein Bier ein. Eine zweifelhafte Ehre, wie Dee Dee Ramone später verriet: „Die Ramones tun ein paar Tropfen Pisse in alles, was sie ihren Gästen servieren, als kleiner Scherz. Hahaha!“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
18. Juli 1975: Jah Rastafari! – Bob Marley und die Wailers werden beim Konzert im Londoner Lyceum zum Großereignis
„Näher als bei diesem Gig bin ich einer religiösen Erfahrung nie gekommen“, beschreibt der Filmemacher und Künstler Don Letts das legendäre Konzert von Bob Marley und den Wailers am 18. Juli 1975 im Londoner Lyceum, das Marley als internationalen Superstar etablierte und auf dem Album „Live!“ für die Ewigkeit festgehalten ist. Wailers-Bassist Aston „Family Man“ Barrett erinnert sich gut daran: „Der Gig war etwas ganz Besonderes für uns. Alle auf der Bühne waren high von den Reaktionen, die aus dem Publikum kamen.“ Für Marley stand viel auf dem Spiel. Zum ersten Mal nach dem Abgang von Peter Tosh und Bunny Wailer führte er die Wailers …
Copyright: Andrew Putler/Redferns
Beide Londoner Konzerte, am 17. und 18. Juli, waren innerhalb eines Tages ausverkauft, die Erwartungen groß. Sondereinsatztruppen wurden gerufen, als Tausende Fans, die meisten Jamaikaner, die Halle zu stürmen drohten. „Die rissen die Feuerschutztüren aus der Wand“, erzählt Veranstalter Mick Cater. „1500 Leute kamen so rein. An diesem Abend lernte die Welt Bob Marley kennen.“ Marley begann die Show mit „Trenchtown Rock“, hielt das Tempo mit „Burnin’ and Lootin’“, „Them Belly Full (But We Hungry)“, „Lively Up Yourself“ und kam mit „I Shot The Sheriff” und „Get Up, Stand Up“ zum explosionsartigen Höhepunkt. „Das Publikum war halb schwarz und halb weiß, eine Menge Leute saßen auf dem Boden und reichten Spliffs herum“, erzählt Schriftsteller Chris Salewicz. „Überall roch es nach Haschisch, und die Luft war zum Schneiden …
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Das war das erste Mal, dass wir Bob rufen hörten: ‚Jah Rastafari!‘“ Am stärksten beteiligte sich das Publikum bei einem neuen Song, „No Woman No Cry“, der Gospelschwung mit der spirituellen Intensität des Reggae verband. Marley brachte die Menschen zur Raserei, als er sie deklamieren ließ: „Everything’s gonna be all right“. Als „Live!“ herauskam, wurde der Song zu Marleys Markenzeichen. „Der Chor aus dem Publikum ist echt“, erklärt Chris Blackwell, Boss von Island Records. „Diese Killerversion von ‚No Woman No Cry‘ katapultierte Marley gleich mehrere Stockwerke nach oben.“ In dieser Nacht stieg Reggae zur wahren Weltmusik auf – und Bob Marley wurde zur Dritte-Welt-Ikone. Barrett: „Wir wussten, dass dieser Abend anders war, weil die Leute schon am Anfang eines Songs frenetisch klatschten. Sobald der erste Trommelschlag ertönte.“
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August 1975: Tobender Stier – Bruce Springsteen wird in New York zur Zukunft des Rock’n’Roll
Im August 1975 waren Bruce Springsteen und die E Street Band für zehn Auftritte in dem kleinen New Yorker Club Bottom Line im Greenwich Village gebucht. Weil die Veröffentlichung von Springsteens drittem Album, „Born To Run“, bevorstand, lud sein Label Columbia mehr als 1000 Gäste aus der Musikbranche ein, um zu erleben, was Fans schon lange wussten. Gitarrist Steven Van Zandt: „Die Leute abheben zu lassen, war für uns Routine. Das machten wir seit zehn Jahren. Und in diese Shows steckte Bruce jedes einzelne dieser zehn Jahre.“ Die Band spielte zwei Mal pro Abend, und jeder Gig war von atemberaubender Intensität, jeder ein wildes, lebensbejahendes Fest. „Das war unsere EinstandsParty“, meint Springsteen. „Und wir veränderten uns im Laufe dieser fünf Tage. Wir gingen anders heraus, als wir hereingekommen waren.“ Von den ersten Noten von „Tenth Avenue Freeze-out“ an (mit dem seine Konzerte fast immer losgingen) fegte Springsteen durch den Laden wie ein wild gewordener Bulle …
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„Seine Kraft war unglaublich“, erzählt Stanley Snadowsky, einer der Besitzer des Bottom Line. „Er kletterte auf Säulen, aufs Klavier, auf die Tische. Er stellte sich vor den Leuten aus mit einer Waghalsigkeit, die jeder im Raum spüren konnte.“ „Es war die Energie der Band, die mich auf die Tische trieb“, meint Springsteen. „Wenn man in einem so kleinen Club spielt, fängt der Raum schnell an zu brodeln. Darauf waren wir vorbereitet. Wir hatten endlos Erfahrung damit.“ Springsteen und die E Streeters röhrten durch zweistündige Sets, bei denen die Reihenfolge der Stücke zwar variierte, aber der emotionale Höhepunkt immer derselbe war: eine fesselnde Version von „Thunder Road“, bei der Springsteen – anders als bei der Fassung auf dem Album – ganz allein am Klavier saß. „Die Band konnte den Song nicht so gut“, gesteht er. „Das war der einzige Grund, warum ich es solo spielte.“ …
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Trotz des Jubels aus dem Publikum war Springsteen nicht überzeugt, dass sie wirklich ihr Bestes gegeben hatten. „Nach einem der Sets kam Peter Wolf in die Garderobe“, erinnert sich Springsteens Manager Jon Landau. „Bruce war ein bisschen unsicher, was die Qualität des Auftritts betraf, aber Wolf sprang ihn förmlich an und schrie, wie irre toll es gewesen sei. Eine verrückte Szene – besonders, weil Bruce Peter damals kaum kannte.“ Im Publikum war an einem der Abende auch Robert De Niro, der mit Martin Scorsese „Taxi Driver“ in der Stadt drehte. Das heraufordernde „You talkin’ to me?“ lauschte er bei Springsteen ab. Und was bekam Springsteen zur Belohnung? Eine Lebensmittelvergiftung. „Nach der letzten Show brachte jemand eine Platte Grillhähnchen rein, die wir sofort wegputzten“, erzählt er. „Die müssen schlecht gewesen sein, weil die Fahrt zurück nach New Jersey alles andere als ein Vergnügen war. Eine der größten Band-Kotzereien aller Zeiten.“
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26. November 1976: Anarchie im Königreich – Die Sex Pistols veröffentlichen ihre erste Single
Anfangs war es kein Schwindel, keine Travestie, kein zynischer Rundumschlag, auch wenn es Schwadroneur Malcolm McLaren später genau so geplant haben will. Es war zornig, laut und böse. Es wirbelte tonnenweise Staub auf, der sich auf den saturierten Würdenträgern des Pop niedergelassen hatte. Album-Acts, allesamt. Es sprang die Oligarchen an, sprengte ihr Rock-Biedermeier: „No future!“ Und es kam als 7-inch-Single in einem pechschwarzen Sleeve, aus dem Nichts. Nun, nicht ganz. Der Boden war bereitet. Schon im Juni 1976 hatte Mick Farren im „New Musical Express“ eine vielbeachtete Brandrede gehalten, in der er den Status Quo des Rock’n’Roll beklagte, seine Geldgeilheit und Gigantomanie. Anlass waren Gerüchte, die Beatles würden sich reformieren. Das, so räsonierte Farren, könnte ihn ganz bestimmt nicht retten, den Rock’n’Roll. Vier Teenager, die in einem dreckigen Keller für ihresgleichen spielten, vielleicht schon …
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Auch musikalisch schien London auf dem Sprung. Es wusste nur niemand, wohin. Die einen, von Patti Smiths „Horses“ und dem kontroversen Diskurs darüber erhitzt, meinten, die Zukunft läge in Poesie und Romantik. Die anderen, von den Ramones angefetzt, erwarteten eine Rückkehr zum Drei-Akkorde-Minimalismus. Wiederum andere befanden, der britische Pubrock eröffne doch großartige Perspektiven, man müsse ihn nur härten, beschleunigen und radikal verjüngen. Am Ende bekamen sie alle Recht: „Anarchy In The UK“ schockte, war wild und giftig, gebärdete sich flegelhaft, ja zerstörerisch, knüpfte musikalisch aber nur etliche lose Fäden zusammen, für die im Musikbetrieb der Mitt-Siebziger niemand mehr Verwendung zu haben schien …
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Und verwob sie zu Punk-Rock, schmückte die Lärmattacke mit Safety-Pin-Chic aus der „Sex“-Boutique und unterlegte den ganzen frivolen Nihilismus mit angriffslustiger Lyrik: „I don’t know what I want but I know how to get it.“ „Anarchy In The UK“ wurde kein Hit. Nur ein paar tausend Hipster holten sich die Single im Spätherbst 1976, doch was diese Pop-genialische Explosion auslöste, war nicht weniger als eine kulturelle Lawine, die nicht nur den Rock’n’Roll revolutionierte. Ein paar aufregende Monate währte der Aufstand immerhin, genau vier geniale Singles lang. Erst die Recycling-Charade der Sex Pistols-LP ließ dann die Luft aus dem Punk-Ballon: Never mind the bollocks.
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Silvester 1977: Disco vor der Tür – Nile Rodgers schreibt Chics „Le Freak“
Am Silvesterabend 1977 warten Nile Rodgers und Bernard Edwards darauf, in New Yorks Disco-Tempel „Studio 54“ eingelassen zu werden, wo Mode-Ikonen wie Calvin Klein und Halston mit Rod Stewart, Mick Jagger und Andy Warhol das Tanzbein schwingen. Doch obwohl drinnen Chics Hit „Dance, Dance, Dance (Yowsah, Yowsah, Yowsah)“ läuft, kennt der Türsteher keine Gnade. 30 Minuten später hat Rodgers darüber einen Song geschrieben. Der Refrain lautet: „Aww, fuck off!“ „Ich war früher bei den Black Panthers“, erklärt Rodgers, „aber Bernard war gläubiger Christ.“ Also wurde „fuck off!“ in „freak out!“ geändert. Als „Le Freak“ 1978 an die Spitze der Charts kletterte, kam Rodgers jeden Abend problemlos ins „Studio 54“. Disco entstand in den frühen 70er Jahren in New Yorks Schwulen-Clubs. Dort mussten DJs für Tanzmusik sorgen, weil Live-Bands für dieses Publikum nicht spielen wollten …
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Doch dann befreiten der europäische Produzent Giorgio Moroder und seine Kollegen den Beat aus der Minderheiten-Nische und machten ihn massentauglich, indem sie Pop-Melodien, Rock-Aggressionen und Funkrhythmen mischten. Moroder produzierte 1975 Donna Summers Hit „Love To Love You Baby“. Den orgastischen Gesang nahm sie angeblich bäuchlings und mit rhythmischem Hüftkreisen auf dem Studioboden auf. Was Summer so nicht stehen lassen will: „Ich lag auf dem Rücken. Ich konnte so was nicht singen mit vier Typen im Blickfeld, also legte ich mich auf den Boden. Wir hängten Vorhänge auf und drehten das Licht runter.“ Summer lieferte Disco seine größten Hits, aber die beste Band war definitiv Chic. Nicht zuletzt wegen „Good Times“, in dem Edwards die berühmteste Bassline der Geschichte spielt …
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Und das kam so: Weil Edwards zu einem Studiotermin zu spät kam, spielte Rodgers seinem Schlagzeuger Tony Thompson und dessen Freund, dem Queen-Bassisten John Deacon, das Stück auf der Gitarre vor. Irgendwann kam Edwards reingehuscht und stöpselte ohne Entschuldigung seinen Bass ein. Rodgers, ein bisschen angesäuert, wünschte sich – „Walk! Walk, motherfucker!“ – einen walking bass: Edwards tat wie geheißen und Tontechniker Bob Clearmountain erhielt die Anweisung: „Dreh hoch auf rot!“ Clearmountain reagierte schnell, drückte den Aufnahmeknopf und fing die Bassline ein, die von Hip-Hop („Rapper’s Delight“, Sugarhill Gang) bis Rock („Another One Bites The Dust“, Queen) überall kopiert wurde. Für Rodgers ein Musterbeispiel für Effizienz: „Nach dem ersten Take war das Ding gelaufen.“
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8. Dezember 1980: Der Traum ist aus – John Lennon wird vor dem New Yorker Dakota erschossen
Den Abend des 8. Dezember 1980 verbrachte Produzent John Douglas mit John Lennon und Yoko Ono in einem New Yorker Studio, wo sie an Onos neuer Single „Walking On Thin Ice“ arbeiteten. Lennon war recht aufgekratzt und erzählte, er wolle ein paar Songs für Ringo Starr schreiben und aus den übrig gebliebenen Tracks aus den Sessions für „Double Fantasy“ ein weiteres Album machen. „Am nächsten Tag wollten wir ‚Thin Ice‘ mastern“, sagte Douglas. „Das Letzte, was ich von John hörte war: ‚Bis morgen früh in aller Frische.‘“ John und Yoko verließen das Studio gegen halb elf und fuhren zurück zum Dakota, einem feudalen Wohnblock an der Ecke 72. Straße und Central Park West, wo sie seit neun Jahren lebten. Kurz vor elf stiegen sie aus der Limousine …
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Als sie unter einem Torbogen hindurchgingen, der in den Hof des Dakota führte, rief ein junger Mann namens Mark David Chapman: „Mr. Lennon!“, zog einen Revolver Kaliber 38 und schoss fünf Mal auf Lennons Rücken. Vier Kugeln trafen Lennon, der sagte: „Ich wurde getroffen“, ein paar Stufen hinaufstolperte und dann zusammenbrach. Nach der Ankunft im Roosevelt Hospital wurde John Winston Lennon für tot erklärt. Er war 40 Jahre alt geworden. Die Nachricht von der Ermordung des früheren Beatles verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Hunderte Fans versammelten sich vor dem Krankenhaus und dem Dakota, manche in Pyjama, Bademantel und Hausschuhen. Menschen weinten, hielten Feuerzeuge in die Luft oder sangen „All My Loving“ …
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Am nächsten Tag gab Yoko Ono eine Presseerklärung heraus, in der es hieß: „Es wird keine Trauerfeiern für John geben. John liebte die Menschen und betete für sie. Bitte betet ebenso für ihn. In Liebe, Yoko und Sean.“ Am Sonntag, dem 14. Dezember, sollte eine Mahnwache stattfinden. Die Beteiligung an dieser und vielen weiteren letzten Ehrerweisungen weltweit ging in die Millionen: 30000 in Liverpool, 2000 in Chicago, 4500 im „Red Rocks Amphitheatre“ in Denver, mehrere Tausend in Melbourne. Der größte Trauerzug versammelte sich in Lennons Wahlheimatstadt New York. An einem kalten Winternachmittag um 14 Uhr hielten 100 000 Fans zehn Schweigeminuten im Central Park ab. Danach wurde über Lautsprecher „Imagine“ gespielt.
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1. August 1981: Visuelle Revolution – MTV geht auf Sendung – und schafft eigene Stars
„Wir wussten damals gar nichts von MTV“, erzählt Duran Duran-Sänger Simon Le Bon über die ersten Videos seiner Band. „Es gab diese Firma Rock America, die Videogeräte in Bars aufstellte. Für die machten wir unsere Clips. Deshalb war ‚Girls On Film‘ auch ziemlicher Softporno.“ Doch MTV gierte nach Material, und Duran Duran und eine neue Welle englischer Hochglanz-Bands lieferten es. Als MTV am 1. August 1981 aus den Startlöchern kam, mit „Video Killed The Radio Star“ von den Buggles, nahm kaum jemand davon Notiz. Anfangs hatte der Sender nur 2,5 Millionen US-Abonnenten – verschwindend wenige im Vergleich zu den großen TV-Sendern. „Kabel war, wie für eine Teppichfabrik zu arbeiten“, sagt MTV-Chefin Judy McGrath, die als Redakteurin bei dem Sender anfing. „In New York konnte man MTV gar nicht sehen…
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Man musste nach Fort Lee in New Jersey fahren. Oder Dallas.“ Videos waren damals als Werbemittel noch fast unbekannt. McGrath schätzt, dass es nur für zwei der amerikanischen Top-100-Singles ein Video gab. So mussten englische Bands wie Culture Club und Human League ran. Duran Duran konnte bei den US-Radiosendern nicht punkten, erregten aber mit grellen Clips für „Hungry Like The Wolf“ und „Rio“ Aufsehen. „Die waren ziemlich billig“, meint Le Bon. „Das Einzige, was Geld kostete, waren das Filmteam und das Filmmaterial. Die Mädchen arbeiteten ohne Bezahlung. Einmal flogen wir nach Sri Lanka und drehten gleich drei Videos für zusammen 45 000 Dollar.“ MTV machte aus Duran Duran die ersten Videostars. Plötzlich verkauften Billy Idol, Adam And The Ants und die Stray Cats Platten, obwohl das amerikanische Radio sie links liegen ließ …
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„Als die Marktdaten kamen, hieß es, Duran Duran würden sich in Dallas gut verkaufen“, erzählt McGrath. „Aber nur auf der Seite der Stadt, die verkabelt war. Die Plattenfirmen zählten zwei und zwei zusammen, und der Rest ist Geschichte.“ Ende 1982 hatte sich das Publikum auf 9,3 Millionen Abonnenten vervierfacht. MTV veränderte nicht nur Hörgewohnheiten, es erschloss der Musik auch neue Käuferschichten, die sonst mit ihr gar nicht in Berührung gekommen wäre. Mainstream-Fans bekamen ihre erste Portion Punk, New Wave und Ska serviert, eingefleischte Rockfans ließen sich von Michael Jackson mitreißen. „Es gab ein paar alte, hässliche Gnome ohne Haare, die vor der Kamera einfach schlecht aussahen“, meint Le Bon. „Die beschwerten sich natürlich über Musikvideos.“ Doch für die Fans war MTV eine Offenbarung. „Als ich nach Amerika kam, wollten sie meine Platten nicht im Radio spielen, weil ich stachelige Haare hatte und Punkrocker war“, sagt Billy Idol. „Erst durch MTV bekamen die Leute meine Musik zu hören.“
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21. August 1982: Nur abgeräumt – Nena startet im „Musikladen“ eine beispiellose NDW-Karriere
So eine Karriere hatte Gabriele Susanne Kerner sich bestimmt niemals träumen lassen – damals, als sie im Büro von Jim Rakete die Fanpost der Gruppe Spliff bearbeitete. Doch ein Auftritt in der ARD-Sendung „Musikladen“ genügte, und Nena war der erste (und eigentlich auch einzige) wirklich große Star der NDW. Am 21. August 1982 sang sie im knallengen, knallroten Leder-Mini und mit den üblichen 80er-Jahre-Accessoires (Kreolen, Schweißbänder, Haarspray) das Liebeslied „Nur geträumt“, das bereits zwei Monate zuvor veröffentlicht worden war …
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Die Neue Deutsche Welle war mit Bands wie DAF, Fehlfarben oder Trio ebenfalls schon angerollt, aber keine andere Band sollte dermaßen breitflächigen und relativ langanhaltenden Erfolg haben wie Nena. Nena war eine Band, das zu behaupten wurde Nena, das Mädchen, nicht müde. Immer wieder wies sie darauf hin. Auch, als Nena 1983 mit „99 Luftballons“ weltweit in die Hitparaden stiegen, was tatsächlich vor allem das Verdienst von Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen war, der alle großen Hits von Nena komponierte. Schlagzeuger Rolf Brendel war zunächst eher als Nenas Freund bekannt, Gitarrist Carlo Karges und Bassist Jürgen Dehmel gaben sich mit Rollen im Hintergrund zufrieden. So war es doch meist Nena, die Sängerin, die im Rampenlicht stand. 54-mal zierte sie den Titel der „Bravo“ und ließ locker alle anderen NDW-Stars hinter sich …
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Es lag an ihrer natürlichen Ausstrahlung, sagen Bewunderer wie Johannes B. Kerner (und er meint damit nicht die Achselhaare, die damals halt noch Standard waren) und an dem Selbstbewusstsein, mit dem sie alle Kritiker ignorierte. Auch gelang es Nena, diese flotten Popsongs so lässig zu singen und zwischendurch dermaßen laut Luft zu holen, dass man glatt vergaß, nach dem Sinn mancher Verse zu fragen. Unvergessen bleibt „Nur geträumt“ auch durch jugendlich hirnverbrannte Zeilen wie: „Alles was ich an dir mag, ich mein das so, wie ich es sag/ Ich bin total verwirrt/ Ich werd‘ verrückt, wenn’s heut passiert…“ 1987 brach Nena, die Band, zusammen, doch Nena, die Sängerin, kam – wiederum mit Hilfe von Fahrenkrog-Petersen – 2002 zurück, nervt seitdem gern als Übermutter und Freizeitpädagogin, hat sich aber als bekannteste deutsche Sängerin ins kollektive Gedächtnis der Deutschen gebrannt. In Kerners ZDF-Sendung „Unsere Besten – Musikstars aller Zeiten“ kam sie auf Platz fünf – hinter Grönemeyer und Maffay zwar, aber immerhin noch vor Ludwig van Beethoven.
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