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Die 100 besten Songs der Beatles: Plätze 66 bis 34
Mit "Nowhere Man", "And I Love Her" und "Dear Prudence".
66. „Nowhere Man“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 21. und 22. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, 5 Wochen, Nr. 3
Einer der richtungsweisenden Songs, die er in der frühen Beatles-Phase schrieb, klopfte an Lennons Tür, als er es überhaupt nicht erwartet hatte. „Die ganze Sache flutschte auf einen Schlag heraus“, sagte er 1970 dem ROLLING STONE. „Ich erinnere mich noch, dass ich durch diese paranoide Phase ging, weil ich etwas schreiben wollte, aber partout nichts herauskam. Also schaltete ich komplett ab und versuchte gar nicht mehr, einen Song schreiben zu wollen. Und schon flutschte er heraus.“ Was ihm da rausrutschte, war ein Dokument der Langeweile und Frustration, die das hermetisch abgeschirmte Leben als Beatle bei ihm ausgelöst hatte ...
66. „Nowhere Man“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 21. und 22. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, 5 Wochen, Nr. 3
Einer der richtungsweisenden Songs, die er in der frühen Beatles-Phase schrieb, klopfte an Lennons Tür, als er es überhaupt nicht erwartet hatte. „Die ganze Sache flutschte auf einen Schlag heraus“, sagte er 1970 dem ROLLING STONE. „Ich erinnere mich noch, dass ich durch diese paranoide Phase ging, weil ich etwas schreiben wollte, aber partout nichts herauskam. Also schaltete ich komplett ab und versuchte gar nicht mehr, einen Song schreiben zu wollen. Und schon flutschte er heraus.“ Was ihm da rausrutschte, war ein Dokument der Langeweile und Frustration, die das hermetisch abgeschirmte Leben als Beatle bei ihm ausgelöst hatte …
Die Beschreibung eines Mannes, der „making all his nowhere plans for nobody“ und „knows not where he’s going to“ war, wie Lennon zugab, „vermutlich die Beschreibung meiner eigenen Person“. Der Überdruss in Lennons Stimme wie auch die müde Melancholie der Melodie hielten die Band nicht davon ab, bei der Umsetzung im Studio nach frischen Sounds zu suchen. Lennon, McCartney und Harrison schichteten opulente Harmonien aufeinander, und das wundervoll sparsame Solo – von Lennon und Harrison unisono auf der Stratocaster gespielt – schnitt wie eine Machete durch die Langeweile und Apathie. „,Nowhere Man‘ ist ein wundervoller Popsong mit einem wegweisenden, existenziellen Text“, befand Billy Corgan, der das Stück mit den Smashing Pumpkins coverte. „Er bietet dir die Möglichkeit, ihn für dich selbst zu entdecken.“
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Getty Images
65. „And I Love Her“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 25. und 27. Februar 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, keine Chartplatzierung
McCartney nannte „And I Love Her“ „meine erste Ballade, mit der ich mich beeindruckt habe“, Lennon fand, sie sei McCartneys „erstes ,Yesterday‘“. „Das ‚And‘ im Titel“, so McCartney, „war ein wichtiges Element. ,And I love her‘ kam aus dem Nirgendwo. Der Titel taucht nur einmal auf. Man hätte die Zeile auch totreiten können, aber so klang sie wie eine beiläufige Bemerkung: ,Ach, übrigens… and I love you.‘“ …
Die Beatles brauchten einige Anläufe, um die Nummer in die passende Form zu gießen. In den ersten Versuchen war sie noch ein elektrifizierter Rock-Song, doch als Starr vom Schlagzeug zu den Bongos wechselte, begann sie langsam Gestalt anzunehmen. Der heimliche Motor des Songs, sagte Tom Petty dem ROLLING STONE, war ohnehin Lennons Gitarren-Part: „Wenn man einmal erleben will, was eine brillante Rhythmus-Gitarre aus- machen kann, sollte man ,A Hard Day’s Night‘ auflegen und sich ,And I Love Her‘ anhören. Er schaffte es, eine Band wirklich in Wallung zu bringen.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
64. „I’ve Got A Feeling“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 22. – 24., 27. und 28. Januar, 5. Februar 1969, Veröffentlicht: 8. Mai 1970, nicht als Single veröffentlicht
„I’ve Got A Feeling“ war der letzte große Moment des Songwriter-Teams Lennon/McCartney, gleichzeitig der letzte Beatles-Song, der noch wie eine Kollaboration klang. Beide lieferten für den Song Fragmente, die sich ideal ergänzten. Der Hauptteil („I’ve got a feeling, a feeling deep inside“) wurde von McCartney gesungen, während Lennon dann mit der Zeile „Everybody had a hard year“ einstieg …
Es war tatsächlich ein schweres Jahr für die Beatles gewesen: Die Band und ihre gemeinsame Firma näherten sich dem Ende. Doch während der Büro-Dach-Performance von „I’ve Got A Feeling“ (die für den „Let It Be“-Film mitgeschnitten wurde) sieht und hört man eine Begeisterung, die in die – getrennte – Zukunft zu weisen scheint: Lennon und McCartney singen über ihre neuen Beziehungen mit Yoko Ono und Linda Eastman. Gleichzeitig spürt man einen Hauch von Tristesse – so als ob ihnen plötzlich bewusst würde, dass ihre besten Freunde und Kollegen ab sofort ihre eigenen Wege gehen werden.
Auf dem Album: „Let It Be“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
63. „Dear Prudence“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 28. – 30. August 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Als die BBeatles in Indien eintrafen, um bei Maharishi Mahesh Yogi ihre Kenntnisse der Meditation zu vertiefen, waren Mia Farrow und ihre Schwester Prudence bereits vor Ort. Prudence hatte sich so sehr in ihre Übungen vertieft, dass sie nicht mehr aus ihrer Hütte herauskommen wollte. „In den zwei Wochen, die ich da war, sah ich sie genau zwei Mal“, so Starr. „Alle klopften besorgt an ihre Tür.“ Lennon war sich sicher, „dass sie versuchte, Gott vor allen anderen zu erreichen. Denn das waren nun mal die Spielregeln:
Wer schafft zuerst den Sprung ins kosmische Bewusstsein?“ „Dear Prudence“, das Lennon noch in Indien schrieb, war die fürsorgliche Aufforderung, „to come out and play“. Unterlegt mit klassischem Folk-Fingerpicking – das er von Donovan gelernt hatte, der sich ebenfalls in Rishikesh aufhielt – und versponnenen Kinderlied-Reimen war der Song letztlich eine rührende Erinnerung an die Unschuld der Kindheit. Auf der Aufnahme spielt McCartney die Drums, weswegen Starr verärgert aus dem Studio gestürmt und die Band – kurzzeitig – verlassen hatte.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Andrew Maclear/Redferns
62. „Girl“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 11. November 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, B-Seite („Michelle“)
Wie so viele Love-Songs, die die Beatles für „Rubber Soul“ schrieben, klingt auch diese scheinbar simple Ballade wie das Geständnis eines Mannes, der sich in Anwesenheit einer stärkeren, unabhängigen Frau unsicher fühlt. Doch selbst als sie ihn wie einen Clown aussehen lässt, kann er nicht anders, als seine Bewunderung und Zuneigung auszudrücken: „She promises the earth to me/ And I believe her/ After all this time, I don’t know why.“ „Als ich das als Teenager hörte“, sagte Jackson Browne dem ROLLING STONE, „traf es den Nagel auf den Kopf …
Es drückte genau das aus was ich fühlte: einerseits das brennende sexuelle Verlangen, gleichzeitig aber auch die Scham, von diesem Gefühl derart überwältigt zu werden.“ Die Inspiration für diesen Song kam von Dylan, aber Lennon legt die Latte ein Stück höher: Im Vergleich zu „Girl“ klingt „Just Like A Woman“ wie Kinderkram. Jahre später erzählte Lennon, dass das Mädchen in dem Song eine Fiktion war, ein weiblicher Archetyp, nach dem er sein Leben lang gesucht – und schließlich in Yoko Ono gefunden habe.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Fox Photos/Getty Images
61. „With A Little Help From My Friends“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 29. und 30. März 1967, Veröffentlicht: 30. Mai 1967, nicht als Single veröffentlicht
Nachdem sie die Foto-Session für „Sgt. Pepper“ hinter sich gebracht hatten, gingen die Beatles noch einmal ins Studio, um in der Nacht diesen Track aufzunehmen. Im Morgengrauen stolperte Starr müde die Treppe hinauf, um nach Hause zu fahren, doch die anderen Beatles verdonnerten ihn dazu, noch an Ort und Stelle seine Lead-Vocals einzusingen. Erschöpft und nervös lieferte Starr trotzdem eine beseelte, stimmige Performance ab …
Der Text über Einsamkeit und Unsicherheit bekam durch den Gesang eine Dringlichkeit, die verloren gegangen wäre, hätten Lennon und McCartney den Song für sich selbst geschrieben. Natürlich bauten sie aber einen Scherz ein: „,What do you see when you turn out the light? I can’t tell you but I know it’s mine‘ konnte bedeuten, dass er unter der Decke mit sich selbst spielte, aber auch eine tiefere Bedeutung haben.“
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Copyright: Ian Tyas/Keystone Features/Getty Images
60. „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 1. und 2. Februar, 3. und 6. März 1967, Veröffentlicht: 30. Mai 1967, nicht als Single veröffentlicht
Ende 1966 suchten die Beatles nach einem Weg, das alte „Fab Four“-Image endgültig zu entrümpeln. McCartney hatte gleich eine Idee, er empfahl den anderen eine Zweitidentität und somit die Gründung einer imaginären Band. „Alles auf dem Album erfahren wir aus der Perspektive dieser Leute. Es müssen dementsprechend keine Songs sein, die wir schreiben würden, sondern Songs, die sie anbieten möchten.“ …
McCartney schlug auch umgehend eine viktorianisch angehauchte Kapelle namens „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ vor. Um an dem Konzept des Albums keinen Zweifel zu lassen, schrieb er sofort den Titel-Track, eine psychedelische Hardrock-Nummer, die sich vor Jimi Hendrix verneigte. Zwei Tage vor der „Sgt. Pepper“-Aufnahme hatte McCartney ein Hendrix-Konzert besucht – Hendrix revanchierte sich, indem er zwei Tage nach Erscheinen des Albums seinen Auftritt mit dem Song begann.
Auf dem Album: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“
Copyright: John Downing/Getty Images
59. „I Want You (She’s So Heavy)“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 22. Februar, 18. und 20. April, 8. und 11. August 1969, Veröffentlicht: 26. September 1969, nicht als Single veröffentlicht
Es war der erste Track, der für die „Abbey Road“-Sessions in Angriff genommen wurde – und einer der letzten, die endgültig abgesegnet wurden. In der Tat steckte der Teufel in den Details: Die Gitarren wurden mit diversen Overdubs übereinander getürmt, dazu entwickelte Harrison mit seinem nagelneuen Moog („Er wurde eigens für mich angefertigt, da Mr. Moog ihn gerade erst erfunden hatte“) einen sich verdichtenden „Wall of White Noise“, während Starr eine Windmaschine bediente, die er in der Instrumentenkammer der Abbey-Road-Studios aufgetrieben hatte …
Lennons Lyrics waren ein Lehrstück in Minimalismus: Über weite Strecken des Songs wiederholt er nur die Zeile „I want you/ I want you so bad“. Als der Track endgültig abgemischt wurde, sagte Lennon dem ungläubigen Geoff Emerick, dass der Track mitten im Takt abgeschnitten werden solle. Das Resultat beschließt die erste Seite von „Abbey Road“.
Auf dem Album: „Abbey Road“
Copyright: SSPL/Getty Images
58. „I’ve Just Seen A Face“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14. Juni 1965, Veröffentlicht: 12. August 1965, nicht als Single veröffentlicht
McCartney bezeichnete den Song einmal als „merkwürdige Uptempo-Geschichte“. In der Tat gibt es im gesamten Beatles-Katalog keinen Song, der mit „I’ve Just Seen A Face“ vergleichbar ist. Nur zwei Minuten lang, beginnt die Aufnahme als Lovesong, endet aber in einem atemlosen Galopp. Die akustischen Arrangements (McCartney, Lennon und Harrison auf der Gitarre, Starr spielt Percussion) und auch der Harmoniegesang geben dem Song fast ein Bluegrass-Feeling …
Die Lyrics wirken mühelos und umgangssprachlich, beinhalten aber verschachtelte Reime, die den Song nach vorne treiben. „Die Lyrics erfüllen ihre Funktion“, so McCartney „Sie ziehen dich vorwärts zum nächsten Vers. Sie haben einen Automatismus, der mir gefiel.“ McCartney schrieb „I’ve Just Seen A Face“ für den „Help!“-Soundtrack, doch in den USA erschien der Song auf „Rubber Soul“. Capitol Records war der Meinung, dass man so das Album für Folk-Rock-Freunde attraktiver machen würde.
Auf dem Album: „Help!“
Copyright: Express Newspapers/Getty Images
57. „I’m Only Sleeping“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 27. und 29. April, 5. und 6. Mai 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
Obwohl manche Zeitgenossen in „I’m Only Sleeping“ einen weiteren Drogensong zu erkennen glauben, thematisierte Lennon möglicherweise nur die Irritation, morgens von McCartney zu einer weiteren Songschreibesession geweckt zu werden. Lennon, als bewegungsfaul bekannt, gestand im März 1966, dass „Sex die einzige körperliche Tätigkeit ist, mit der man mich locken kann“ …
Harrisons Solo entstand durch ein Missgeschick: Nachdem das Band falsch in die Multi-Track-Maschine eingelegt wurde, hörten die Beatles plötzlich den inzwischen bekannten verwaschenen, schlürfenden Sound. McCartney erinnerte, dass sich alle an den Kopf fassten: „Das ist fantastisch! Können wir das so spielen?“ Harrison spielte eine Melodielinie, die von indischer Musik beeinflusst war. Er bat George Martin, die Noten in umgekehrter Reihenfolge zu Papier zu bringen. Martin musste Harrison dann durch die Aufnahme leiten, was in einem „endlosen Tag“ endete.
Auf dem Album: „Revolver“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
56. „I’m Down“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 14. Juni 1965, Veröffentlicht: 5. Juli 1965, B-Seite („Help!“)
„I’m Down“ ist einer der druckvollsten Titel, den die Beatles je aufnahmen – ein schlichter Rocker, der am gleichen Tag wie „I’ve Just Seen A Face“ und dem Basistracks für „Yesterday“ entstand. Gerade diese Session demonstrierte die Spannbreite, zu der McCartney fähig war. „I’m Down“, das auf der Rückseite von „Help!“ landete, bewies seine Liebe zu Little-Richard-ähnlichen Klopfern. „Ich habe immer seine Sachen gesungen“, so McCartney, „aber irgendwann kam der Punkt, da ich auch mal eine eigene Nummer haben wollte.“ …
Der Song war fester Bestandteil ihrer US-Tournee 1965. Der Auftritt im New Yorker Shea Stadium lieferte dazu die eindrucksvollsten Bilder: McCartney gerät in Rage und wirbelt auf der Bühne herum; Lennon und Harrison müssen so lachen, dass sie ihre Einsätze am Mikro verpassen; Starr schlägt wild um sich – und Lennon spielt sein E-Piano mit den Ellbogen. Es waren die Beatles, die sich von der Beatlemania freigemacht hatten: vier Jungs in einer Band, die nichts anderes wollten, als zu rocken.
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Donaldson/Michael Ochs Archives/Getty Images
55. „Taxman“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 20. – 22. April 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
McCartney spielte das Raga-ähnliche Gitarren-Solo, Lennon half bei den Lyrics, aber der bittere Zynismus stammte ausschließlich von Harrison. Sein Schlag ins Gesicht der königlichen Steuereintreiber qualifizierte sich nicht nur für das Genre „angry guitar rock“, sondern auch für die begehrteste Position auf „Revolver“: 1. Seite, 1. Track. „Ich schrieb ,Taxman‘“, so Harrison, „als ich zum ersten Mal realisierte, dass wir fast alles an die Steuer weiterreichen mussten. Die Regierung strich über 90 Prozent unserer Einnahmen ein!“ …
Oder, wie es Ringo Starr einmal ausdrückte: „Uns verbleibt gerade mal der neunte Teil eines Pfund.“ „Taxman“ ist das verbindende Glied zwischen dem gitarrendominierten Scheppern der frühen Beatles-Aufnahmen und der psychedelischen Vielfalt der bevorstehenden Klangexperimente. Der Song ist letztlich rudimentärer Funk, doch die Überstunden, die Harrison in den Gitarren-Sound investierte, sollten seine Beschäftigung mit der indischen Musik vorwegnehmen.
Auf dem Album: „Revolver“
Copyright: Doug McKenzie/Hulton Archive/Getty Images
„Wir schrieben uns damals viele Postkarten“, so Linda. Und sie setzten sich auch gerne ins Auto (mit McCartneys Hund Martha auf dem Rücksitz), um irgendwo ins Blaue zu fahren. Die Session, die „Two Of Us“ (als auch die Basic Tracks für „Let It Be“ und „The Long And Winding Road“) abwerfen sollte, fand einen Tag nach dem Apple-Dach-Konzert statt und schloss das „Get Back“-Experiment endgültig ab. Es war ein chaotischer Monat mit stressigen Film- und Plattenaufnahmen, an den die Beatles nicht gerade die angenehmsten Erinnerungen hatten.
Auf dem Album: „Let It Be“
Copyright: Central Press/Getty Images
53. „It Won’t Be Long“
Autor: Lennon/McCartney, Aufgenommen: 30. Juli 1963, Veröffentlicht: 12. November 1963, keine Chartplatzierung
„It Won’t Be Long“ war einer der Songs, die Bob Dylan gemeint haben muss, als er sagte, dass die Akkordwechsel der Beatles „unerhört, einfach unerhört“ seien. „Der Rezensent der ‚London Times‘ schrieb über ,die äolischen Kadenzen in unseren Akkord-Progressionen‘“, amüsierte sich Lennon. „Damit fing die intellektuelle Rezeption so richtig an.“ Abgesehen von seinen überraschenden Akkordwechseln lebt der Song auch von einem fliegenden Start:
In bester Call-Reponse-Manier werden die „Yeahs“ nur so herausgeschleudert. Trotzdem war McCartney von seinen Textbeiträgen mehr als angetan: „Ich hatte mich mit Wortspielen und Onomatopöie beschäftigt. ,It won’t be long till I belong to you‘ war für mich ein Highlight.“ Lennons Urteil fiel harscher aus: „Es war mein Versuch, eine andere Art von Single zu schreiben.“ Aber „irgendwie wurde nichts draus“. Möglicherweise, weil das „Yeah-Yeah“-Element dann doch zu sehr an „She Loves You“ erinnerte.
Auf dem Album: „With The Beatles“
Copyright: Chris Smith/Getty Images
52. „Helter Skelter“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 18. Juli, 9, und 10. September 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Mit dem harten „Helter Skelter“ schlugen sie die inzwischen angesagten Heavy-Bands mit ihren eigenen Mitteln. McCartney hatte in einem Review der Who-Single „I Can See For Miles“ gelesen, dass der Song „a marathon epic of swearing cymbals und cursing guitars“ sei. „Dabei“, so McCartney, „war er überhaupt nicht roh und hatte auch keine schreienden Gitarren …
Also dachte ich mir: ,Dann lass uns mal so eine Nummer machen.‘“
Die Beatles nahmen „Helter Skelter“ in einer Nacht auf, „in der sie sich“, so Toningenieur Brian Gibson, „komplett betrunken hatten“. Lennon traf auf Bass und Saxophon keine Note – und Starr meinte es völlig ernst, als er schrie: „I’ve got blisters on my fingers!“
Der Aufnahme wurde gern mit Charles Manson in Verbindung gebracht (an einer der Mordstätten stand ein blutiges „Helter Skelter“ auf der Wand), doch tatsächlich hatte der Titel eine völlig unschuldige Bedeutung: „Helter Skelter“ ist die Rutschbahn auf einem Spielplatz.
Auf dem Album: „The Beatles“
Copyright: Keystone Features/Hulton Archive/Getty Images
51. „If I Needed Someone“
Autor: Harrison, Aufgenommen: 16. und 18. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
Das kleine Twang-Juwel war das Ergebnis eines kreativen Transfers zwischen den Beatles und einer ihrer liebsten neuen Bands, den psychedelischen Byrds. Nachdem Gitarrist Roger McGuinn im Film „A Hard Day’s Night“ gesehen hatte, dass Harrison eine kirschrote Rickenbacker 12-String-Gitarre benutzte, „nahm ich meine akustische 12-String sowie das Banjo und tauschte sie im Musikladen gegen eine 12-saitige E-Gitarre ein“ …
Lennon und McCartney besuchten Anfang ’65 eins der ersten Byrds-Konzerte in England, und als sie im August eine Pause bei ihrer US-Tournee einlegten, schauten McCartney und Harrison auch bei einer Byrds-Session in Los Angeles vorbei. Zwei Monate später machte ihnen Harrison mit „If I Needed Someone“ allerdings das größte Kompliment. Die Riffs waren offenkundig angelehnt an McGuinns Gitarren-Licks auf „The Bells Of Rhymney“. „George machte gar keinen Hehl daraus“, so McGuinn, der damals den Vornamen Jim benutzte. „Er schickte uns ein Vorab-Exemplar und schrieb dazu: ‚This is for Jim‘“.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
50. „Got To Get You Into My Life“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 7., 8. und 11. April, 18. Mai, 17. Juni 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
Und noch ein Drogen-Song: McCartney schrieb „Got To Get You Into My Life“ nach seiner ersten Begegnung mit Marihuana. „Es ist das Hohelied auf Pot“, erklärte er, „so wie ein anderer vielleicht eine Ode an Schokolade schreiben würde.“ Lennon sagt über den Song, es seien die Beatles, „die gerade ihre Tamla-Motown-Nummer“ durchziehen. Dabei hatte „Got To Get You Into My Life“ eigentlich zunächst als Akustik-Song das Licht der Welt erblickt …
Auf einem frühen Take (auf „Anthology 2“) hört man McCartney im nackten Falsett, während die Bläser erst zum Refrain eingesetzt werden. Der Einsatz der Bläser war noch ein Relikt ihres ursprünglichen Plans, „Revolver“ in Memphis aufzunehmen. Sie hatten sich seit Jahren bemüht, den „Bass & Drums“-Sound zu reproduzieren, doch die dortigen Studios verlangten horrende Gebühren, so dass man am Ende doch lieber zurück in die Abbey Road ging.
Auf dem Album: „Revolver“
Copyright: Roger Viollet Collection/Getty Images
49. „The Night Before“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 17. Februar 1967, Veröffentlicht: 12. August 1965, nicht als Single veröffentlicht
Für jede andere Band wäre ein kleines Meisterwerk wie „The Night Before“ eine Hit-Single gewesen, vielleicht sogar der Startschuss für eine erfolgreiche Karriere. Für die Beatles war es nur einer von vielen Album-Tracks, die kaum noch die gebührende Beachtung fanden, als sie sich mit Lichtgeschwindigkeit von „A Hard Day’s Night“ über „Help!“ zu „Rubber Soul“ bewegten. Selbst ihre Fans hatten Mühe, dem Tempo zu folgen, in dem die Band Klassiker ablieferte …
Ihre Verehrung für Motown schlug sich in einigen Songs nieder, aber nie so nachdrücklich wie in dieser Uptempo-Nummer. Mit emotionaler Dringlichkeit lamentiert McCartney über die Untreue einer Freundin, während Lennon dazu ein übersprudelndes Riff auf dem E-Piano vom Stapel lässt. Im Film „Help!“ präsentieren die Beatles den Song auf der Salisbury Plain, in der Nähe von Stonehenge. Harrison mimt den Gitarristen – auch wenn es McCartney war, der im Studio das Solo einspielte.
Auf dem Album: „Help!“
Copyright: Jim Gray/Keystone/Hulton Archive/Getty Images
48. „The Ballad Of John And Yoko“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 14. April 1969, Veröffentlicht: 21. Mai 1969, 7 Wochen, Nr. 1
Am 16. März 1969 flogen Lennon und Yoko Ono nach Paris, um dort zu heiraten. Es war der Beginn einer zweiwöchigen Odyssee, die sie nach Gibraltar, Amsterdam und Wien führte. Kritische Journalisten warfen ihnen vor, die Friedensbewegung für ihre PR-Aktivitäten zu missbrauchen. „Die Presseleute kamen rein“, sagte Lennon dem ROLLING STONE, „und dachten wohl, wir würden für sie vögeln. Aber wir saßen nur in unseren Pyjamas da und sagten: ,Peace, brother.‘“ …
„Es war eine aufreibende Zeit für uns“, so Yoko, „aber John machte aus dem Song eine Komödie, auch wenn es wohl eher eine Tragödie war.“ Lennon wollte die Nummer schnell veröffentlichen, also spielte er mit McCartney alle Instrumente selbst ein. „Paul war bewusst, dass die Leute damals bösartige Sachen über John sagten“, so Ono. „Er wollte ihm helfen, dass er sich besser fühlte. Paul kann wirklich so etwas wie der große Bruder sein.“
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Gamma-Keystone/Getty Images
47. „Things We Said Today“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 2. Juni 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, nicht als Single veröffentlicht
Im Mai 1964 machten McCartney, Jane Asher, Starr und seine Freundin Maureen Cox Urlaub auf den Virgin Islands. An einem der Tage setzte sich McCartney von der Gruppe ab und schrieb „Things We Said Today“ – einen Song über seine Beziehung zu der 18-jährigen Asher. „Es steckte schon damals ein leicht nostalgisches Gefühl darin“, sagte er über den Song, dessen drückende Moll-Melodie so anders war als seine Love-Songs aus jener Phase …
„Es war eine Wehmütigkeit, die in die Zukunft projiziert wurde: Wir werden uns an die Dinge, die wir heute sagen, irgendwann erinnern. Er schaut in eine Zukunft, in der wir dann nostalgisch an den jetzigen Moment zurückdenken werden. Ich fand, das war ein cleverer Schachzug.“ Obwohl McCartney seiner großen Liebe schwört, dass „we’ll go on and on“, sollte es nicht sein: McCartney und Asher verlobten sich zwar 1967, trennten sich aber im folgenden Jahr. „Vielleicht werden wir einmal, wenn wir 70 Jahre alt sind, uns als alte Jugendfreunde wieder begegnen und dann vor den Traualtar treten“, so McCartney.
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
Copyright: William Lovelace/Express/Getty Images
46. „Don’t Let Me Down“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 22., 28. und 30. Januar 1969, Veröffentlicht: 10. April 1969, B-Seite („Get Back“)
Als die „Get Back“/„Don’t Let Me Down“-Single erschien, wurde sie in England mit dem Slogan „The Beatles as nature intended … The first Beatles record which is as live as can be, in this electronic age. There’s no electronic whatchamacallit.“ beworben. Beide Aufnahmen wurden live im Apple-Studio eingespielt. Der Keyboarder Billy Preston, der gerade bei der Begleitband von Ray Charles ausgestiegen war, unterstützte die Beatles …
1980 fasste Lennon die Aussage des Songs zusammen: „Es geht um mich, und ich singe über Yoko.“ McCartney gab später detailliertere Auskunft: „Es war eine extrem angespannte Phase. John lebte mit Yoko und nahm Heroin – mit all den begleitenden Paranoias. Er befand sich in einem extremen Gefühlszustand. Insofern war ,Don’t Let Me Down‘ ein durchaus ernstgemeinter Hilferuf.“ Lennon musste sich im Studio überwinden, mit der erforderlichen Unverblümtheit zu singen, deswegen bat er Starr, vor seinem Einsatz kräftig auf das Becken zu schlagen.
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Evening Standard/Getty Images
45. „No Reply“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 30. September 1964, Veröffentlicht: 13. November 1964, keine Chartplatzierung
„Beatles For Sale“, das zweite Beatles-Album, war ein Schnellschuss, der in sieben Tagen aufgenommen wurde. Die Sessions erstreckten sich allerdings über drei Monate, da die Band zwischen Tourneen in Amerika und England keine Zeit für konzentrierte Sessions hatte. Und obwohl gerade die Beatlemania auf ihren Höhepunkt zusteuerte, fand Lennon noch die Zeit, weiter an seinen Qualitäten als Songschreiber zu feilen.„No Reply“ war ursprünglich für Tommy Quickly geschrieben, der ebenfalls von Brian Epstein gemanagt wurde …
Die Beatles wollten den Song dann aber lieber doch selbst behalten. Die Vorlage zu „No Reply“ war „Silhouettes“ von den Rays, ein Doo-Wop-Song aus dem Jahr 1957, in dem der Sänger ein Paar hinter einem Fenstervorhang beobachtet und fälschlicherweise glaubt, dass sein Mädchen ihn gerade betrügt. Bei Lennons „No Reply“ betrügt sie ihn wirklich. „Ich stellte mir vor, wie ich die Straße entlang gehe und plötzlich ihre Silhouette hinter dem Fenster sehe, und natürlich geht sie auch nicht ans Telefon!“
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
Copyright: Express/Archive Photos/Getty Images
44. „All My Loving“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 30. Juli 1963, Veröffentlicht: 12. November 1963, 1 Woche, Nr. 32
Es war das erste Lied, für das ich zuerst den Text schrieb“, sagte McCartney über den Song, der einer ihrer unwiderstehlichsten Hits werden sollte. Er brachte den Text im Bus zu Papier, als die Beatles gemeinsam mit Roy Orbison auf Tour waren. Als sie bei der Konzerthalle ankamen, hatte er seine Gitarre nicht zur Hand, fand aber hinter der Bühne ein Klavier, auf dem er den Song vertonte. Die Mär von der schmachtenden Liebe hatte ein leichtes Nashville-Flair, hörbar vor allem in Harrisons Solo, das den Gitarren-Twang von Carl Perkins kongenial nachempfand …
Harrison verehrte den Mann, der „Blue Suede Shoes“ geschrieben hatte. Er war auf einer der frühen Tourneen sogar unter dem Namen „Carl Harrison“ gereist. Insgesamt hatte die Band mehr Songs von Perkins im Repertoire als von jedem anderen Songschreiber. „All My Loving“ wurde ein fester Bestandteil ihres Repertoires. „Es ist eine verdammt gute Nummer“, sagte Lennon respektvoll über McCartneys Komposition, „aber ich spiele auch eine Granaten-Gitarre.“
Auf dem Album: „With The Beatles“
Copyright: David Redfern/Redferns
43. „Drive My Car“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 13. Oktober 1965, Veröffentlicht: 7. Dezember 1965, nicht als Single veröffentlicht
Als er wieder mal zu einer Session nach Weybridge unterwegs war, ging McCartney eine Melodie durch den Kopf, die ihm gut gefiel – während die spontan erdachten Lyrics bloß „Can’t Buy Me Love“ recycleten. Lennon schlug eine sexuellere Variante vor – „drive my car“ – und gemeinsam heckten sie einen Text über ein strebsames Starlet aus. „Für mich kam eigentlich nur ein Mädchen aus Los Angeles in Frage. Mit ,You can be my chauffeur‘“ meinte McCartney, der sich auch die Schluss-Pointe ausdachte:
Das Mädchen gesteht, dass sie überhaupt kein Auto hat.“ „Drive My Car“ ist einer der Beatles-Songs, der seine Wurzeln im R&B nicht verheimlichen kann: Die stilistische Verneigung ging von Harrison aus, der die straffen Gitarren und den funky Bass an Otis Reddings „Repect“ ausrichtete. Von der amerikanischen „Rubber Soul“-Version wurde „Drive My Car“ in letzter Minute entfernt, da Capitol Records versuchte, das Album auf ein akustisches Gesamtbild zu trimmen.
Auf dem Album: „Rubber Soul“
Copyright: Keystone/Getty Images
42. „I Feel Fine“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 18. Oktober 1964, Veröffentlicht: 9. November 1964, 9 Wochen, Nr. 3
„I Feel Fine“ beginnt mit einem dröhnenden Feedback aus Lennons Verstärker. Im Vergleich zu den Geräuschorgien, die wenig später Jimi Hendrix und Pete Townshend auf die Menschheit loslassen würden, war der verzerrte Sound-Schnipsel harmlos – aber: Die Beatles waren auch in diesem Punkt die Ersten. „Ich mache mit jedem eine Wette“, so Lennon, „dass er keine Platte findet – außer vielleicht einer obskuren Blues-Aufnahme von 1922 –, auf der das Feedback so eingesetzt wurde wie hier.“ …
George Martin zufolge war das Feedback bei den Sessions ein ständiges Ärgernis. „John drehte grundsätzlich den Lautstärkeregler voll auf.“ Das Feedback auf „I Feel Fine“ war aber bewusst produziert worden, es befindet sich bereits auf den Master-Bändern des ersten Takes. „I Feel Fine“ demonstriert auch die wachsenden Fertigkeiten der Bandmitglieder, beispielhaft in dem calypso-artigen Dialog, den Starr inszenierte. „Ringo“, so George Martin, „entwickelte sich zu einen musikalischen Denker. Er versuchte immer, neue Ideen auszuprobieren.“
Auf dem Album: „Past Masters“
Copyright: Daily Express/Archive Photos/Getty Images
41. „Get Back“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 23., 27., 28. und 30. Januar, 5. Februar 1969, Veröffentlicht: 10. April 1969, 7 Wochen, Nr. 1
Die Sessions vom Januar 1969 waren anberaumt worden, um die Beatles zu ihren Wurzeln als Live-Rock’n’Roll-Band zurückzuführen. Als McCartney mit einem Song namens „Get Back“ aufkreuzte, schien er perfekt zu passen. Es sollte auch der letzte Song sein, den die Beatles am 30. Januar bei ihrem Abschiedsgig auf dem Dach des Apple-Gebäudes spielten. Die Originalversion des Textes thematisierte die in der britischen Bevölkerung vorherrschende migrantenfeindliche Stimmung …
McCartney ließ seine Rassismus-Parodie dann aber lieber außen vor und konzentrierte sich auf die Geschichte von Jo Jo und der transsexuellen Loretta Martin. Musikalisches Highlights waren Lennons bluesige Lead-Gitarre, dieser nannte „Get Back“ „eine bessere Version von ,Lady Madonna‘.“ Aber er hegte auch die Vermutung, dass der Song heimlich an Yoko adressiert war: „Ich meine: ,Get back to where you once belonged.‘ Wenn Paul die Zeile im Studio sang, schaute er Yoko an.“
Auf den Alben: „Let It Be“ und „Past Masters“
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39. „Day Tripper“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 16. Oktober 1965, Aufgenommen: 22. November 1965, B-Seite („We Can Work It Out“)
„Day Tripper“ war ein „Drogen-Song“, erklärte Lennon 1970 dem ROLLING STONE. „Ich brauchte immer irgendeine Droge. Die anderen Jungs nahmen sie auch, aber ich hatte immer mehr, weil ich auch verrückter bin.“ Mit dem Song wollte Lennon den Poseuren ans Bein pinkeln. „Day Tripper sind die Leute, die auf einen Tagesausflug gehen, eine Spritztour unternehmen. Der Song sagte letztlich: ,Ihr seid doch nur Wochenend-Hippies.‘“ „Wir“, so McCartney, „verstanden uns dagegen als Full-Time-Tripper.“ Es war nicht der einzige Insider-Joke, den die Beatles in den Song packten. „Es gibt einige Anspielungen“, so McCartney, „von denen wir wussten, dass unsere Freunde sie kapieren würden, während sie der englischen Öffentlichkeit verborgen blieben …
,She’s a big teaser‘ bedeutet eigentlich ,She’s a prick teaser.‘ Wir fanden das lustig.“ Lennon und McCartney räumten ein, dass „Day Tripper“ eigentlich eine „Schnellnummer“ war, die unter Termindruck entstand, weil sie schon im Dezember als Single erscheinen sollte. Auch wenn man Lennons bluesiges Gitarren-Hook vielleicht als Replik auf den aktuellen Stones-Hit „Satisfaction“ deuten kann, war „Day Tripper“ doch ein komplexes Gebilde, das einen starken Beat mit kniffligen Arrangements verband. Lennons Riff mündet in der Mitte des Songs in einem wilden Arrangement, das durch aufsteigende Harmonien zum Höhepunkt getrieben wird …
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Harrisons Gitarre folgt dabei Lennons Solo in einer anderen Tonlage – bis Starrs Tamburin den Song wieder zu seinem ursprünglichen Rhythmus zurückführt. Julia Baird, Lennons Halbschwester, die bei der Session anwesend war, wunderte sich später über die Komplexität des oberflächlich so simplen Songs: „Es war, als würden viele Puzzle-Teile zusammengesetzt.“ „Day Tripper“ war als Single-Veröffentlichung geplant, doch als sie einige Tage später „We Can Work It Out“ aufgenommen hatten, war die vorherrschende Meinung, dies sei der kommerziellere Song. Und obwohl „We Can Work It Out“ in den Charts höher kletterte, erwies sich „Day Tripper“ als die populärere Live-Nummer.
Auf dem Album: „Past Masters“
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38. „Blackbird“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 11. Juni 1968, Veröffentlicht: 22. November 1968, nicht als Single veröffentlicht
Thema von „Blackbird“ ist eigentlich die Bürgerrechts-Bewegung in den USA. „Ich hatte ursprünglich an eine farbige Frau gedacht, nicht an einen Vogel“, so McCartney. „Es war damals die Zeit des Civil Rights Movement, für das wir große Sympathien hegten. Insofern war es ein Song über eine schwarze Frau, die mit den Problemen der Rassentrennung konfrontiert wird, und der ich zurufe: ,Du hast meine Unterstützung, verlier nicht den Glauben, es gibt Hoffnung‘.“ Gleichzeitig war „Blackbird“ auch eine indirekte Antwort auf Lennons „Revolution“, den anderen politischen Song auf dem „White Album“ …
„Wie so oft“, so McCartney, „verlagerte sich das Thema dann auf eine überhöhte Ebene. Statt also konkret zu schreiben, nahm der Song die symbolische Kurve – und aus der Frau wurde ein Vogel.“ McCartney nahm den Track im Alleingang auf. Harrison und Starr waren in Kalifornien (wo Harrison für den Ravi-Shankar-Film „Raga“ vor der Kamera stand), während Lennon in einem anderen Studio an „Revolution 9“ arbeitete. McCartney, der den Song nach seiner Rückkehr aus Indien geschrieben hatte, griff für die Gitarren-Melodie auf Bachs „Bourrée in E-Moll“ zurück, die er und Harrison in frühen Jahren gespielt hatten, um ihre Gitarrentechnik zu verbessern. Die Amsel, die auf dem Track zu hören ist, stammte aus einer Datenbank für Soundeffekte …
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„Sie machte ihren Job wirklich prima“, witzelte McCartney. Nachdem er ein paar vergebliche Anläufe unternommen hatte, sagte McCartney zu Ton-Ingenieur Geoff Emerick, dass der Song so klingen solle, als wäre er im Freien aufgenommen worden. „Kein Problem“, sagte der. „Dann lass uns rausgehen.“ McCartney gab die erste halb-offizielle Vorstellung seines neuen Songs für eine Gruppe von Fans, die vor seinem Haus in der Cavendish Avenue standen. „Paul öffnete das Fenster“, so einer der Anwesenden, „und rief: ,Seid ihr noch da?‘ Dann setzte er sich mit seiner Gitarre auf das Fenstersims und sang ,Blackbird‘.“
Auf dem Album: „The Beatles“
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37. „She Said She Said“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 21. Juni 1966, Veröffentlicht: 28. Juli 1966, nicht als Single veröffentlicht
Der letzte Song, der für „Revolver“ aufgenommen wurde, beginnt mit dicker Luft: Lennon geifert gegen Schauspieler Peter Fonda, der ihm auf einem gemeinsamen LSD-Trip mit seinem Todes-Geschwafel auf die Nerven gegangen war. Als Basislager für ihre Konzerte in Oregon, San Francisco und in der „Hollywood Bowl“ hatten die Beatles im August 1965 ihre Zelte in Los Angeles aufgeschlagen. An einem Nachmittag kam Fonda – zusammen mit Roger McGuinn und David Crosby von den Byrds – zu ihrem Haus im Benedict Canyon und hatte LSD mitgebracht. Als Harrison auf seinem Trip das Gefühl beschlich, er müsse sterben, meinte Fonda, er solle sich keine Sorgen machen. Er selbst habe als Kind bei einer Operation eine Begegnung mit dem Tod gehabt:
„I know what it’s like to be dead.“ Lennon, selbst nicht Herr seiner Sinne, wollte Fonda an die Gurgel. Die bitteren Erinnerungen an den Trip blieben. Lennon nannte den Song zunächst „He Said He Said“, zitierte zu Beginn Fondas Worte, um dann zum Gegenschlag auszuholen: „I said ‚who put all that crap in your head?‘“ (Bei der späteren Version klingt er dann etwas konzilianter: „Who put all those things in your head?“) Lennon spürte wohl auch, dass er sich mit dem Affront verrannt hatte. Er ließ den Song ein paar Tage liegen und baute dann ein Element ein, das nicht nur rhythmisch aus dem Rahmen fiel, sondern auch die Aggressivität des Songs mit einem Moment kindlicher Unschuld konterkarierte …
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Untermalt mit süffigen Harmonien und Starrs schwungvollem Drumming entwickelte sich „She Said She Said“ zu einer philosophischen Betrachtung über das Ego und die Unsterblichkeit. Ihr Aufenthalt in Kalifornien war nur kurz, aber in Los Angeles und San Francisco sollte der Flashback dieser psychedelischen Episode noch lange nachhallen. Was immer die Beatles veröffentlichten, hinterließ in der hippen Musikszene einen nachhaltigen Eindruck. Ob Beach Boys, Love oder Grateful Dead: Der Westcoast-Pop-Sound der kommenden Jahre ließ sich direkt auf „Revolver“ zurückführen.
Auf dem Album: „Revolver“
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36. „I Should Have Known Better“
Autor: Lennon, Aufgenommen: 25. und 26. Februar 1964, Veröffentlicht: 6. Juli 1964, 4 Wochen, Nr. 6
Lennon war von dem Song, der auf der B-Seite von „A Hard Day’s Night“ landete, nicht übermäßig angetan. „Nur ein Song“, sagte er. „Er hat keinerlei Wert.“ Es war immerhin Lennons erster Song, der direkt von Dylan beeinflusst war – und der einen musikalischen Wettkampf auslöste, der sich über fast zwei Jahrzehnte hinziehen sollte. Als sich die Beatles im Januar 1964 in Paris aufhielten, drückte ihnen ein DJ das „The Freewheelin’ Bob Dylan“-Album in die Hand, das zwar im Mai 1963 in Europa veröffentlicht worden war, aber nicht allzu große Wellen geschlagen hatte. „In den nächsten drei Wochen, die wir in Paris waren“, so Lennon, „hörten wir es rund um die Uhr. Wir alle fraßen an Dylan einen Narren.“ …
Als die Band einen Monat später „I Should Have Known Better“ aufnahm, stieg Lennon mit einem Mundharmonika-Solo ein, das erheblich rüder war als bei früheren Aufnahmen und definitiv nach Dylan klang. Dylan seinerseits war von den Beatles beeindruckt und bewegte sich instinktiv in eine neue stilistische Richtung. Ein Jahr nach „I Should Have Known Better“ stellte er seine erste elektrische Band zusammen, die beim Newport Folk Festival ihr legendäres Debüt gab. Anfang 1965 nahm Dylan „If You Gotta Go, Go Now“ auf, das sich klanglich vor der British Invasion verneigte, vor allem mit einem Riff, das an „I Should Have Known Better“ erinnerte. Mit „Norwegian Wood“ spielte Lennon den Ball zurück …
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(Ihr freundschaftlicher Wettstreit sollte selbst kurz vor Lennons Tod noch andauern, als Dylan sein religiös angehauchtes „Gotta Serve Somebody“ aufnahm – und Lennon mit „Serve Yourself“ antwortete.) Starr spielte in den 70er- und 80er- Jahren einige Male mit Dylan, aber es war am Ende George Harrison, der zu Dylan den engsten Kontakt entwickelte, regelmäßig mit ihm zusammenarbeitete und 1988 mit Dylan die Traveling Wilburys aus der Taufe hob. Und Harrison war wohl nicht der einzige Beatle, der sich für dieses Projekt erwärmen konnte. Tom Petty berichtete davon, dass Harrison einmal zu ihm gesagt habe: „Klar, John wäre bei den Traveling Wilburys sofort eingestiegen.“
Auf dem Album: „A Hard Day’s Night“
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35. „Paperback Writer“
Autor: McCartney, Aufgenommen: 13. und 14. April 1966, Veröffentlicht: 26. Mai 1966, 6 Wochen, Nr. 1
„Sie waren geborene Sänger und wussten instinktiv, welche Harmonien sie anstimmen mussten“, wusste George Martin. In dem ausladenden Intro zu „Paperback Writer“ aber ließen Lennon, McCartney und Harrison den klassischen Harmoniegesang weit hinter sich. Das Trio transformierte die Lyrics in einen mittelalterlichen Choral, der wie „She Loves You“ auf Acid klang. Eingebettet in einen brillanten Popsong waren es diese Harmonien, die offiziell den Beginn der psychedelischen Beatles-Phase einläuteten. „Die Art und Weise, wie der Song aufgebaut ist, dazu diese langsamen, kontrapunktischen Erwiderungen durch die Backing Vocals – das hatte es in dieser Form noch nie gegeben“, so Martin. Er räumt ein, dass die Beach Boys in diesem Punkt eine Inspiration waren, legt aber ebenso Wert auf die Feststellung, dass seine Schützlinge ihr vokales Handwerk bereits zu Hamburger Tagen perfektioniert hätten …
„Sie standen dort jeden Abend auf der Bühne – und sie hörten amerikanische R&B-Platten und versuchten sie nachzusingen.“ McCartney kam die Idee zu dem ungewöhnlichen Aufbau des Songs, als er wieder einmal auf der langen Fahrt zu Lennons Haus war. „Unterwegs gingen mir oft Gedanken durch den Kopf, die dann der Ausgangspunkt eines Songs waren. Ich kam rein, aß meine Cornflakes und sagte: ,Wie wäre es, wenn wir im Song einen Brief schreiben würden: ,Dear Sir or Madam‘, dann der nächste Satz, der nächste Paragraf und so weiter?“ Lennon selbst beschrieb „Paperback Writer“ später als „der Sohn von ,Day Tripper‘, anders gesagt:als einen Rock’n’Roll-Song mit einem lauten, verzerrten Gitarren-Lick“ …
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Für Toningenieur Geoff Emerick wiederum war das magische Extra der knallige Bums, den er aus Starrs Bass-Drum zauberte: „Wir hatten die vordere Membran der Bass-Drum abgenommen und zur Dämpfung Pullover hineingesteckt.“ Emerick plat- zierte dann ein Mikro direkt vor die Trommel – wofür er sich prompt eine Rüge der Studio-Bosse einfing. „Man durfte nicht näher als 60 Zentimeter an eine Bass-Trommel herantreten, weil der Luftdruck sonst das Mikro zerstört hätte.“ Nach dem Erfolg von „Paperback Writer“ war das eherne Gesetz allerdings Schnee von Gestern: „Ich bekam einen offiziellen Brief von EMI, der mir auch künftig diese Praxis erlaubte“, berichtete Geoff Emerick. „Allerdings nur auf den Platten der Beatles, das war die Einschränkung.“
Auf dem Album: „Past Masters“
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34. „Eight Days A Week“
Autor: McCartney/Lennon, Aufgenommen: 6. und 18. Oktober 1964, Veröffentlich: 13. November 1964, 5 Wochen, Nr. 1
Der Titel ging auf ein Gespräch zurück, das McCartney mit dem Chauffeur hatte, der ihn zu Lennons Haus in Weybridge brachte. McCartney fragte beiläufig, ob er sehr beschäftigt sei. „I’ve been working eight days a week“, antwortete der. „Niemand von uns hatte den Ausdruck gehört“, so McCartney. „Es war ein kleines Geschenk der Götter.“ Obwohl McCartney behauptete, dass der Song ihnen „in den Schoß fiel“, fehlten ein passender Einstieg, die acht Takte in der Mitte als auch ein überzeugender Abschluss. Die Beatles versuchten sich an mehreren Versionen, unter anderem einem gesanglosen Intro, fanden aber keine zufriedenstellende Lösung …
„Wir hatten Probleme mit der Aufnahme, weil wir auch Probleme mit dem Song hatten“, erinnerte sich Lennon. „Aber es war ohnehin eine lausige Nummer.“ Zum Ende des Jahres 1964 arbeiteten die Beatles sogar neun Tage pro Woche. Sie waren konstant auf Tour, hatten „A Hard Day’s Night“ gerade erst im Juni veröffentlicht, sollten nach ihrer Amerika-Tour aber gleich wieder ins Studio, um ein neues Album zum Weihnachtsgeschäft fertigzustellen. „Sie waren müde und ausgelaugt“, sagte George Martin. „Sie wurden 1963 und 1964 wirklich durch den Fleischwolf gedreht.“ Am selben Tag, als sie „Eight Days A Week“ fertigstellten, spielten sie noch sieben weitere Songs ein. Zwölf Tage später kamen sie allerdings noch einmal zurück, um sich auf das endgültige Arrangement zu einigen …
Copyright: Larry Ellis/Express/Getty Images
Das Intro ist nun ein instrumentales Fade-In, das dem Song ein so warmes und positives Gefühl gibt, dass man meint, „es schon vorher einmal gehört zu haben“, so Ray Davies. „Beatles For Sale“ wurde im Dezember 1964 veröffentlicht, während kurz darauf „Beatles ’65“, das amerikanische Pendant, ohne „Eight Days A Week“ veröffentlicht wurde. In den USA wurde die Nummer zwei Monate später als Single veröffentlicht und wanderte wieder einmal schnurstracks auf Rang eins der Charts. Was die Einstellung der Band zu diesem Song aber nicht ändern sollte. In England wurde der Track nie als Single veröffentlicht, und auch live sollten sie ihn in den kommenden zwei Jahren nicht wieder spielen. Seiner Popularität zum Trotz, so Lennon, „war es nie ein gescheiter Song“.
Auf dem Album: „Beatles For Sale“
Copyright: Keystone/Getty Images
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