Tränen für Mum
Sänger, Jazz-Liebhaber, Stilikone: Bryan Ferry kennt sich aus mit dem guten Leben. Seine Tipps: auf Inseln heiraten, Söhne als Entourage verpflichten und niemals die Contenance verlieren. Außer, wenn man einen Orden bekommt
Das Zimmer ist schon überheizt, doch Bryan Ferry trägt eine Daunenjacke mit Pelzkragen, zugeknöpft. Er hat einen langen Tag hinter sich, und die Erschöpfung äußert sich bei dem 66-Jährigen offensichtlich in Frösteln. Auch mit den Manieren nimmt er es jetzt nicht mehr so genau: „Es stört Sie doch nicht, wenn ich mich ein bisschen hinlege?“ Prompt macht er sich in Budapestern auf der Couch lang, fährt noch einmal lässig durch die Haare und blinzelt, von sich selbst belustigt: „Das hat die Musik aus mir gemacht – einen müden Typen ohne Energie!“
Mit „The Jazz Age“ haben Sie gerade ein Album aufgenommen, auf dem Sie Ihre Klassiker im Stil der 20er-Jahre interpretieren – ohne Gesang. Eine ulkige Idee für einen Sänger, oder?
Ich habe dauernd komische Ideen, das gebe ich zu. Ich wollte schon lange ein Instrumental-Album mit meinen eigenen Songs machen, und in den vergangenen Jahren habe ich zu Hause wieder viel Jazz gehört. Ich habe schon mit zehn Jazz geliebt, ihn aber etwas aus den Augen verloren, als die Rockmusik begann. 1972 fing ich dann ja an, selbst Musik zu machen – und 40 Jahre später fiel mir plötzlich ein: Jazz, so könnte es funktionieren! Für mich ist diese Musik sehr beruhigend – so soulful, so melodisch.
Blickt man mit den Jahren zwangsläufig immer mehr zurück?
Wir haben gerade dieses hübsche Roxy-Music-Boxset gemacht, das ist wirklich gut geworden. Eignet sich auch als Türstopper! Aber ich wollte diese 40 Jahre, die ich hinter mir habe, gern noch mit einer Art tribute to myself feiern – und ich wollte hören, wie meine Songs ohne meine Stimme klingen.
Warum?
Wenn ich Alben mache, kommen die Texte immer am Schluss. Manchmal denke ich dann: Ach, schade, dass ich das Lied jetzt mit meiner Stimme ruinieren muss! Deshalb wollte ich mal meine Songwriter-Qualitäten herausstellen, nicht die des Sängers. Und die 20er-Jahre sind nun mal gerade wieder en vogue. Die Details habe ich meinem Arrangeur Colin Good überlassen, ich spiele eher die Regisseur/Produzenten-Rolle – den Impresario mit der dicken Zigarre und dem Pelzmantel, wie Djagilew.
Hören Sie auf andere Leute?
Das hoffe ich doch. Ich bin sehr stolz auf meine Arbeit, aber später möchte man immer Details ändern. Manchmal schaue ich ein Album an, erinnere mich an den Drumsound und denke: „Dich mag ich nicht!“ Aber das sind zum Glück nur ein oder zwei.
Haben Sie in letzter Zeit neue Songs geschrieben?
Einige. Im September 2013 könnte das neue Album fertig sein. Kommt darauf an, wie viel ich live spiele. Auf Tour kann ich nicht schreiben – aber ich möchte nicht aufhören, Konzerte zu geben. Die große Heldenfigur ist in dieser Hinsicht natürlich Bob Dylan, aber auch die alten Bluessänger sind ja immer noch unterwegs. Allerdings haben die dann oft kein richtiges Leben mehr, weil sie nur im Bus hocken. Ich suche die Balance – ich will alle Facetten des Lebens genießen. Ich arbeite gern hart, aber ich freue mich auch auf Urlaub. Eines der Probleme, wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist: Wie bewahrt man sich sein Privatleben? Ich habe viele „normale“ Freunde, die nichts mit dem Showbusiness zu tun haben, das hilft. Und ich meide manche Orte in London, an denen die Paparazzi lauern. Ich bewege mich lieber im Schatten, mysteriös und unsichtbar. (lacht) Wie ein Vampir!
Sie haben im Januar auf den atlantischen Turks-Inseln geheiratet – auch eine gute Idee, um den Paparazzi zu entkommen.
Ja, das war perfekt! Absolut niemand wusste davon – nicht mal Leute, mit denen wir am selben Tag im Hotel zu Abend gegessen haben. Ich fühlte mich wie ein Spion, es war ein herrliches Versteckspiel. Das Highlight dieser Expedition war allerdings, dass ich dort auch noch zufällig einen meiner Helden traf: Prince! Den Musiker! (deutet Gitarrengriffe an) Ich treffe eigentlich nicht so gern Leute, deren Werk ich liebe. Was, wenn man sie dann nicht mag? Aber Prince war sehr charmant. Das war eine wunderbare Dinnerparty – und wir hatten schöne Musik im Hintergrund. Albert King zum Beispiel. Mein Sohn Isaac hatte ein paar Compilations dabei.
Sie mögen Hintergrundmusik?
In den Restaurants, in die ich gewöhnlich gehe, wird meistens gar keine gespielt, aber zu Hause mag ich das. Sie darf nur nicht zu laut sein.
Würde es Sie nicht stören, wenn Leute Ihre Musik im Hintergrund beim Dinner spielen?
Überhaupt nicht. Gerade ohne die störende Stimme sind Songs wie „The Bogus Man“ doch perfekte Hintergrundmusik.
Ihre vier Söhne waren auch dabei, als Sie im Buckingham Palace Ihren Orden als Commander Of The British Empire abgeholt haben …
… und in Paris, als ich die Légion d’Honneur bekam! Die sind jetzt meine Entourage – demnächst statte ich sie mit verkabelten Ohrstöpseln aus, dann sehen sie noch professioneller aus. Aber im Ernst: Ich war ziemlich gerührt, als ich erfuhr, dass ich den CBE bekomme. Ich bin da altmodisch, für mich ist das wirklich eine Ehre. Ich musste gleich an meine Mutter denken, sie wäre so stolz gewesen. Sie hätte geweint.
Ihnen ist das nicht passiert?
Ich habe vielleicht ein Tränchen verdrückt. Für sie. Das muss schon erlaubt sein.