Lennon und Pyjama
Der ewige Geheimtipp Ron Sexsmith lässt seine Krebsangst hinter sich – und bringt ein neues Album mit wunderbaren Balladen heraus
Allein die Albumtitel dieses Mannes lesen sich wie Zeugnisse einer Selbsterkenntnis: Nach dem souligen „Exit Strategy Of The Soul“ und dem vermeintlich am Rock orientierten „Long Player Late Bloomer“ besinnt sich Ron Sexsmith nun wieder auf das, was er am besten kann – nämlich große Balladen, eingebettet in üppige Streicher-Arrangements. Und begreift auf „Forever Endeavour“, dass man nur mit Hilfe dieser unentwegten Anstrengung, die es braucht, um ein Stück Musik zu erschaffen, die eigene Sterblichkeit überlisten kann. „Darum geht es doch beim Songwriting: Man hofft, dass einem etwas gelingt, das noch existiert, wenn man nicht mehr da ist“, meint Sexsmith.
Doch so abgeklärt war er vor den Aufnahmen zu „Forever Endeavour“ nicht – eine Zeitlang befürchtete Sexsmith sogar, es könnte sein letztes Album werden. Ärzte hatten im Sommer 2011 einen Knoten in seinem Hals lokalisiert – Verdacht auf Krebs. Es vergingen knapp vier Monate der quälenden Ungewissheit, in denen Sexsmith einen Großteil des neuen Albums schrieb, bis man schließlich befand, dass es sich um ein vergleichsweise harmloses Geschwür handelte. Nur ein dunkler Fleck der Erkenntnis blieb: „Man gewinnt viele Kämpfe, obwohl man weiß, dass man den entscheidenden am Ende verlieren wird.“ So spiegeln Sexsmith‘ neue Lieder jene Mischung aus Angst und Erleichterung wider und verleihen ihm eine Verwundbarkeit, die er auch bei anderen Künstlern sehr schätzt.
Lennon oder McCartney?
Lennon. Er war einer von denen, die einem das Herz brechen und im nächsten Moment zum Lachen bringen konnten. Er war ehrlich und legte sein Innerstes offen. McCartney behält das meiste für sich. Früher dachte ich oft, dass die beiden coolsten Typen auf der Welt Bob Dylan und John Lennon sind. (lacht)
Elvis Presley oder Roy Orbison?
Roy Orbison. Oder Buddy Holly. Mit solchen Typen fühle ich mich in einem höheren Sinn sehr verbunden. Elvis sah so gut aus, dass ich niemals glauben könnte, wie er zu sein.
Melodie oder Rhythmus?
Ich werde von Melodien angezogen. Und von ihren Rhythmen. Interessant ist doch, dass die meiste rhythmuslastige Musik aus warmen Regionen kommt und die großen Melodien aus kalten Regionen.
Neil Diamond oder Glen Campbell?
Neil war mehr ein Songwriter. Außerdem ist er ein richtiger Showman. Und er ist nicht ironisch, sondern aufrichtig in dem, was er macht. Ich habe mir die DVD seines Konzerts im Madison Square Garden („Hot August Night NYC“) gekauft und sie seither immer und immer wieder gesehen. Ich liebe „Girl, You’ll Be A Woman Soon“ und „Red Red Wine“.
Bier oder Wein?
Ich versuche ständig, Gewicht zu verlieren, um meinen Bierbauch zu reduzieren. Daher: Wein. Ich habe auch noch nie von einem Weinbauch gehört. Aber in den vergangenen Monaten habe ich wenig Alkohol getrunken, um endlich wieder in Form zu kommen.
Beach Boys oder Byrds?
Die Beach Boys wegen ihrer unglaublichen Melodien und ihres Gesangs. Ich habe eines ihrer Reunion-Konzerte besucht. Ich hatte nicht viel erwartet, aber es war eine großartige Show. Von den Byrds mag ich auch einiges, jedoch nicht ihre Country-Songs. I tend to be more of a pop guy.
Melancholisch oder sentimental?
Ich bin ein melancholischer Songwriter, aber es steckt auch viel Humor in meiner Musik. Natürlich werde ich hin und wieder auch sentimental, wenn ich über meine Vergangenheit singe.
Lederjacke oder Pyjama?
In einer Lederjacke sehe ich nicht sehr überzeugend aus. Ich sehe mich eher wie Harry Nilsson im Pyjama (auf dem Cover von „Nilsson Schmilsson“). Max Gösche