Paul Weller – „Nostalgie kapiere ich nicht“
Paul Weller über Konkurrenz, Kinder und die allgegenwärtige Sehnsucht nach dem Früher
Das Jahr begann gut für Paul Weller: Mitte Januar wurde er noch einmal Vater, diesmal von Zwillingen namens John Paul und Bowie. Der 53-Jährige hat jetzt sieben Kinder (von vier Frauen) – und doch noch Zeit zum Songschreiben. Sein elftes Soloalbum, „Sonik Kicks“, entstand wieder im eigenen Black-Barn-Studio in Surrey, als Gastmusiker schauten Graham Coxon, Noel Gallagher und Sean O’Hagan vorbei – und ein paar Familienmitglieder.
„Sonik Kicks“ sollte schon 2011 erscheinen. Was ist passiert?
Wir waren tatsächlich bereits im März vergangenen Jahres mit dem Album fertig. Zumindest dachten wir das. Dann habe ich nach ein paar Wochen Pause gemerkt, dass wir die falsche Richtung eingeschlagen hatten. Ich wollte, dass es eher hard hitting wird, ein bisschen unschärfer als „Wake Up The Nation“, nicht so kompakt. Also mussten einige Songs verschwinden, neue kamen hinzu.
Wer berät Sie bei solchen Entscheidungen, abgesehen von Ihrem Co-Songschreiber und Produzenten Simon Dine?
Vor allem muss ich selbst zufrieden sein. Aber ich lade am Ende der Aufnahmen immer ein paar Freunde ins Studio ein. Wenn man einfach so rumhockt und zuhört, spürt man sofort, ob den Leuten die Musik gefällt oder nicht. Dafür müssen sie nicht aufspringen und klatschen – ich seh’s in ihren Gesichtern.
Bei einem Song spielt auch Ihr Freund Noel Gallagher wieder mit. Gibt es zwischen Ihnen gar keine Konkurrenzgedanken?
Ach nein. Ich freue mich für ihn, dass es so gut läuft. Ich liebe sein Album – und auch das, das demnächst kommt. Auf eine sehr freundschaftliche Weise gibt es vielleicht einen gewissen Wettbewerb, aber ich kämpfe eigentlich immer eher mit mir selbst und meinen eigenen Ansprüchen als mit anderen.
Wann schaffen Sie es – als Vater von sieben Kindern – überhaupt noch, Songs zu schreiben?
Ich sitze schon seit einigen Jahren nicht mehr mit der Gitarre zu Hause rum und denke mir etwas aus. Ich bringe nie fertige Stücke ins Studio mit, nur lose Ideen. Die Songs schreibe ich dann dort, vor Ort, spontan.
Aber vertrödelt man so nicht auch viel Zeit, wenn einem mal gar nichts einfällt?
Die Gefahr besteht. Aber deshalb habe ich ja mein eigenes Studio, damit ich wenigstens nicht auch noch Geld verschwende! Allerdings arbeiten die Band und ich jetzt ohnehin nicht mehr Monate am Stück, sondern eher zwei Tage hier, zwei Tage da, weil alle Familie haben und lieber regelmäßig zu Hause nach dem Rechten sehen, als sich ewig im Studio zu vergraben. Das Gute daran ist, dass man immer wieder Abstand zu den Liedern gewinnt und sie neu bewerten kann.
Bei dem Stück „Be Happy Children“ singen zwei Ihrer Kinder mit, die 20-jährige Leah und der sechsjährige Mac. Wie professionell waren die beiden?
Da ich sie nicht bezahlt habe, mussten sie auch nicht professionell sein! (lacht) Sie lassen sich ungern etwas sagen, aber sie haben schnell verstanden, worum es geht. Das Stück begann damit, dass ich über meinen Vater nachdachte, der vor drei Jahren starb – und dass nun meine eigenen Kindern bei diesem Lied mit mir singen, ergibt Sinn für mich. Da schließt sich ein Kreis, das hat mir am meisten Spaß gemacht daran.
Ihr Vater war ja auch Ihr Manager, Sie sind zusammen um die Welt gereist. Hatten Sie jemals Angst, dass Sie sich mit ihren Kindern weniger gut verstehen könnten?
Nein, da war ich immer zuversichtlich. Mein Dad war mir ein gutes Vorbild – dieses Glück haben weiß Gott nicht viele. Für mich war es immer selbstverständlich, dass ein Vater auch ein Freund sein kann, und so funktioniert das auch mit meinen eigenen Kindern. Sie können über alles mit mir reden. Hoffe ich.
Haben die Kleinen denn schon eine Vorstellung davon, wer Sie sind? Dass Sie der „Modfather“ sind?
Sie wissen, dass ich ihr Dad bin. Das ist das Wichtigste. Und natürlich wissen sie, dass ich Musik mache. Mac hat jetzt auch schon angefangen, Gitarre zu spielen. Ich habe ihn aber nicht gedrängt, wirklich nicht!
Würden Sie ihm heute noch empfehlen, ins Musikgeschäft einzusteigen?
Unbedingt. Sicher hat sich viel verändert, aber im Kern gilt noch dasselbe: Musik zu machen ist wunderbar. Ob man damit gut sein Geld verdienen kann, ist freilich eine andere Geschichte. Aber solange man mit Leidenschaft dabei ist, schert es einen nicht so, ob 200 oder 2.000 Zuschauer kommen. Hauptsache, man darf spielen.
Sind Konzerte für Sie immer noch das Wichtigste?
Auf jeden Fall, aber da gehöre ich wohl zu einer aussterbenden Art. Ich befürchte, Teenagern ist Musik generell nicht mehr so wichtig. Es gibt so viele andere Ablenkungen! Ich sehe das an meiner Tochter Jesamine, die bald zwölf wird: Sie hat gerade einen Blackberry bekommen und verbringt Stunden mit Simsen und solchen Kram. Als ich jung war – vor ewig langer Zeit! – gab es nur Musik oder Fußball, nichts anderes. Keine Wii, keinen Computer, kein Nichts. Nur diese beiden Optionen. Also definierte man sich sehr über die Musik, man drückte seinen Charakter durch den Musikgeschmack aus. Das sehe ich heute nicht mehr. Aber immerhin kommen noch ein paar Kids zu meinen Konzerten.
Angeblich wollen Sie zukünftig nicht mehr so viel touren wie zuletzt. Stimmt das?
Ja und nein. Ich will schon Konzerte geben, aber eher vereinzelt und bei Festivals, keine komplette Tournee. Zum Teil wegen der Kinder, aber auch, weil ich genug davon habe. Die Shows an sich sind toll, aber die Hotelzimmer öden mich an. Ich brauche mal eine kleine Pause vom Trott. Man will nicht betriebsblind werden – und schon gar nicht will man immer dasselbe machen und sich langweilen. Deshalb kann ich auch all die Bands nicht ertragen, die jetzt ihre alten, angeblich „klassischen“ Alben bei Konzerten komplett nachspielen – was soll das? Mich kotzt diese Sehnsucht nach früher an, das ist eine ganz traurige Entwicklung. Nostalgie ist ein Konzept, das ich nicht kapiere.