Soli & Sprüche
Die Kunst der Produktion schaute Klein-Kate sich bei den alten Cracks ab, erklärt Gitarrist Ian Bairnson.
Ian Bairnson, was musste man draufhaben, um 1977 im Studio mit Kate Bush am ersten Album „The Kick Inside“ arbeiten zu dürfen?
Man musste zunächst einmal beim gleichen Label unter Vertrag sein. Wir stammten alle aus dem Umfeld von EMI-Bands: Pilot, Cockney Rebel, Alan Parsons Project. Der Plattenfirma gefiel unsere Musik, und als es galt, eine Band für das Debüt dieser jungen Künstlerin zu finden, engagierte man uns.
Eine Teenagerin und arrivierte Studiocracks zusammen in einem Studio, wie hat das funktioniert?
Bei den ersten Sessions hatte Kate tatsächlich keinen blassen Schimmer, was denn nun passieren sollte. Sie war unsicher, sehr scheu. Da haben wir Männer uns gedacht: Machen wir doch ein paar Witze! Also haben wir Sprüche geklopft, es war ein bisschen wie bei Monty Python’s Flying Circus.
Es gibt junge Frauen, die in solchen Männerrunden noch scheuer werden.
Kate war anders. Sie war dankbar, dass wir in den Pausen das Studio mit unseren Sprüchen füllten. Wenn wir Musik machten, war sie ganz bei sich.
Eine Konstante in Kate Bushs Karriere ist, dass sie ihre Platten auch später zusammen mit älteren Männern aufnahm. Nur wegen der Witze?
Sie müssen sich Kate Bush zu Beginn ihrer Karriere als totale Anfängerin vorstellen, die jedoch schnell den Drang spürte, auch die Kontrolle über Arrangement und Produktion zu übernehmen. Also tastete sie sich langsam an diese Sachen heran – und von erfahrenen Musikern konnte sie ganz einfach am besten lernen. Schon als wir uns kurz nach der Veröffentlichung von „The Kick Inside“ wiedertrafen, um „Lionheart“ aufzunehmen, erschien sie uns allen viel zielgerichteter und selbstbewusster. Kein Wunder, schließlich stand die Single „Wuthering Heights“ auf Platz eins.
Mit Ihrem Gitarrensolo als instrumentalem Höhepunkt.
Das Solo ist eigentlich verunglückt! Ich spielte eine Gibson Les Paul, eine kraftvolle Gitarre. Beim Rumprobieren kurz vor der Aufnahme kam ich aus Versehen an den Tonabnehmer und stellte einen weichen Klang ein. Dafür ist die Gitarre eigentlich nicht gedacht – in meinen Ohren klingt das Solo kraftlos. Aber Kate mochte es sehr. Sie sagte, es komme ihr vor, als zerfließe ihre Stimme im Klang der Gitarre.
Bei den Aufnahmen zu „Never For Ever“ und „The Dreaming“ waren Sie nur noch sporadisch dabei. Was hatte sich geändert?
Kate erreichte ihr Ziel: Sie übte die Kontrolle aus. Dadurch wurde die Sache aber komplizierter – ganz reine Momente wie bei den Aufnahmen zum Debüt gab es nicht mehr. Ich traf sie einmal in den Abbey Road Studios, als sie bei den Aufnahmen zu „Never For Ever“ fünf Bandgeräte im Studio installiert hatte, um damit Unmengen an Instrumenten, Stimmen und Sounds aufzunehmen. Die Sache wurde mit der Zeit immer vertrackter. Gut, sie hatte Erfolg damit. Aber wissen Sie, was ich mir wirklich wünschen würde? Eine Platte mit ihren besten Songs, nur mit Stimme und Klavier. interview: andré Bosse