Ruhm ist ein fettes Wort

Franka Potente

Sie hat sich rar gemacht in den deutschen Medien -— was nicht etwa auf schwindenden Erfolg zurückzuführen ist, sondern auf ihr Misstrauen gegenüber den Fallgruben des Erfolgs. Franka Potente will ihr Privatleben rigoros abschirmen, machte aber für Hubertus Meyer-Burckthardt eine seltene Ausnahme: Im Interview mit dem Talkmaster und Filmproduzenten spricht sie über Kinder und Karriere, die Jugend in der Kleinstadt und ihren „coolnessfactor“ in Amerika.

Franka, du kommst mit einem T-Shirt zum Interview, auf dem steht: „Das Schiff liegt sicher im Hafen, aber nicht dazu wurde es gebaut“. Wozu ist das Schiff gebaut?

Wozu ist das Schiff gebaut…? Also, auf jeden Fall zum Herumfahren, Länder entdecken, vielleicht auch Kentern… Aber es ist zum Fahren gebaut und nicht, um im Hafen zu liegen. Meins jedenfalls.

Ist der Schauspieler-Beruf ein gefährlicher Beruf?

In welche Richtung gefährlich?

Für Leib und Seele. Vor allem für die Seele.

Ich weiß es nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl… wenn ich Interviews mit Schauspielern lese und oder wenn man selber gefragt wird und dann drüber nachdenkt, ist man immer schnell dabei zu sagen: „Ja!“ Weil man sich eben so veräußert. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich mir vorstelle, ich würde – und das habe ich früher ja gemacht, da hab ich in der Fabrik gearbeitet in den Sommerferien – also, das fand ich gefährlich für meine Seele. Das ist doch toll für die Seele, wenn man was machen kann, was man liebt, wo man spielen kann und Spaß hat. Wenn ich am Set arbeite, habe ich zu 80 Prozent das Gefühl, ich werde bezahlt, weil ich mein Hobby ausübe – und das kann doch für die Seele gar nicht schlecht sein. Wo ich manchmal das Gefühl habe, das ist mir zu viel – was vielleicht ja mit der Seele zusammenhängt -, das ist das Drumherum, was mit dem Beruf des Schauspielers erst mal nicht so viel zu tun hat.

Eminem sagte kürzlich in einem Interview über seine Krise: „Der Ruhm übermannte mich, und je erfolgreicher ich wurde, desto mehr glaubte ich mich zu verlieren. Ich war nur noch müde.“

Hmm, bei Musikern ist das vielleicht auch noch einen Zack schlimmer. Seit ich das mache, und ich mache das nun seit 14 Jahren, und weil gleich der erste Film, „Nach Fünf im Urwald“, auch relativ erfolgreich war und es von Null auf Hundert ging, zumindest aus meiner Empfindung heraus, hatte ich damit zu tun… also mit Ruhm, aber irgendwie ist das so ein fettes Wort. Also ja… wenn mir das einer vorher gesagt hätte, dass das so einen großen Raum einnimmt, vielleicht hätte ich es mir noch mal anders überlegt. Aber es ist halt so. Ich muss mich damit auseinandersetzen oder dagegen angehen und mir den Freiraum, wo ich auch sagen kann „Das will ich nicht“, so groß wie möglich zu halten.

Also, „gefährlicher Beruf“ war so gemeint: Ein Schauspieler muss „innerlich“ Türen öffnen. Dahinter verbergen sich Erfahrungen, Wunden aus der Vergangenheit, vielleicht unbewältigte Vergangenheitserlebnisse, die er benutzt, um bestimmte Rollen neu zu formen.

Hmm.

In anderen, bürgerlichen Berufen ist man darauf angewiesen, diese „Türe“ verschlossen zu halten.

Ich weiß, worauf du hinaus willst, aber ich glaube trotzdem, dass jeder normale Mensch, der zu einem Therapeuten geht, gefährlicher lebt als ich. Wir tun das ja innerhalb eines Rahmens, in dem ich aufgehoben bin. Ich hab ’nen Regisseur, ich hab ’ne Kamera, das heißt, ich falle weich. Klar nimmt einen die eine Rolle mal mehr mit als die andere, macht einen nachdenklicher oder saugt einen aus. Aber ich finde es doch schwer zu sagen: diese armen verzehrten Künstler. Ich finde das übertrieben. Sorry. Wir werden feist bezahlt. Jeder ist total nett zu uns, versucht uns alles zu ermöglichen, damit unsere zarte Künstlerseele keinen Schaden nimmt – und letztendlich: Ich mach’s ja gerne. Es liegt auch an mir. Wenn ich etwas spielen muss, wo sich alles in mir dagegen sträubt, dann spiele ich es nicht! Ich bin keine Pornodarstellerin, die dazu gezwungen wird. Ich gehe mit Sachen um, die sehr persönlich sind oder intim, aber letztendlich ist der Prozess des Schauspielerns ja der, dass man das durch so einen „Magic Fleischwolf“ dreht. Das ist mein Geheimnis!

„Ein Schiff hegt sicher im Hafen, aber nicht dazu wurde es gebaut.“ Als dieses Schiff im Hafen von Dülmen beladen wurde: Was war denn die Fracht, die es aufgenommen hat – um noch mal im Bild zu bleiben -, bevor es in die weite Welt fuhr? Was waren deine ersten künstlerischen Einflüsse?

Eigentlich gar nix. Keine Ahnung.

Gab’s nicht so einen „Wake-Up-Call wie im Hotel? Das kann eine Schüleraufführung gewesen sein oder eine bestimmte Musik.

Seit ich denken kann, hab ich mich immer vorgedrängelt, wenn man irgendwas vormachen konnte. In der Grundschule, da hatte ich einen legendären Auftritt, und zwar hab ich aus Strümpfen so Männchen gemacht und – mein Kopf war dazwischen mich mit denen so freestyle unterhalten. Also, da war die ganze Schule aus dem Häuschen, da war jedenfalls der Entertainer in mir geweckt. Und auch zu Hause: Ständig habe ich solche Shows veranstaltet – und ich kam auch immer gut an. Das merkt man sich natürlich, wie man ankommt. In ’ner Kleinstadt ist halt nicht viel los. Und sonst hab ich immer viel gelesen.

Was hast du gelesen?

Als Kind schon viel. Ich hatte ’ne Karte aus der Bücherei und holte mir immer einen ganzen Stapel – das Maximum, was man sich ausleihen durfte. Und ich hab immer irrsinnig schnell gelesen, so’n 200-Seiten-Buch in zwei Tagen. Ich war fast alle zwei Tage in der Bücherei, die kannten mich da schon. Und hab dann selber gerne Geschichten geschrieben. Also, keine Ahnung, das war halt so eine Form: irgendwas vormachen, vorspielen, vorsingen…

Ich kenne das: Kindheit in einer Kleinstadt. Da spielt auch Musik eine große Rolle. Durchs Radio damals, die Musik kam von draußen von weit her. Für mich war’s Radio AFN Bremerhaven, ich höre noch die Stimme…

Ich hab immer „London Calling“ gehört, das waren die London-Charts. Die habe immer auf Kassetten aufgenommen, bis am nächsten Sonntag dann die nächsten Charts kamen. Aber ansonsten war ich natürlich total eingeschränkt, was Musik, Kultur, alles Mögliche angeht. Ich kannte nix. Ich wollte auch überhaupt nicht Kino-Schauspielerin werden, ich wollte Theater-Schauspielerin werden. Es gab noch nicht mal ein Kino da, wo ich wohnte. Das war gar nicht mein Horizont. Also, wenn ich zum Beispiel zum Münster-Stadttheater gekommen wäre, was ich ja kannte, ich wäre happy as a down gewesen. Absolut.

Die unlängst verstorbene Schauspielerin Monica Bleibtreu hat an ihrem eigenen Sohn Moritz gesehen, dass Erfolg doch nicht so unangenehm ist, wie sie das immer befürchtet hatte.

Aha.

…und hat sich im reiferen Alter gedacht: Ach, dann mach ich das jetzt auch. Du warst von Anfang an erfolgreich. Ist der Erfolg etwas, das du genießt und zugleich als Belästigung empfindest?

Hm. Als cool empfinde ich das eigentlich nur, wenn ich in Amerika bin und man sich dort in so einem Art-House-Kontext bewegt. Da denke ich dann: „Oh my god. Lola rennt immer noch.“ Man kommt rein – und hat dann automatisch so ’nen „cool factor“. Den hab ich in Deutschland nicht.

Wie geht das Publikum in Amerika, diese „Art House-Film-Community“, mit dir um, anders als das Publikum in Deutschland?

Das Publikum an sich kann ich nicht so beurteilen, aber die Presse, die Medien, das ist schon was anderes, weil man ja für die ein Exot ist. Dass da so eine ist, die so „Berlin“ ist. Die haben dann auch gleich so Schlagworte auf dem Radar, „so Berlin“… das finden die dann erst mal cool – und dann freuen die sich. Die Amis haben ja so eine tolle Qualität, sich wie Kinder zu freuen, ganz naiv. Aber das ist der Exotenstatus, und so oft wie ich damals „fuck“ gesagt habe im amerikanischen Fernsehen, im Interview -, also wenn ich Amerikaner wäre, wäre ich schon längst unten durch gewesen. Bestimmte Dinge gehen eben nur, weil man nicht Ami ist. Ich glaube, das ist auch so ’n Ding, das haben wir bei uns nicht: so höflich zu sein mit Ausländern, wenn man sie rezensiert, wenn man sich jemanden so einverleibt, ihn fertig macht in der Presse, der nicht Amerikaner ist. Das macht man da nicht. Hab ich zumindest nicht so erlebt.

Noch mal, weil mich immer interessiert, was jemand mitnimmt, wenn er startet: Gab es da einen Moment, wo du gesagt hast: Ich setze mich jetzt in Dülmen in meinen VW-Käfer und fahr nach München und verlasse meine Heimat. Gab’s diesen Moment?

Das war eigentlich ganz banal. Ich hatte in den „Westfälischen Nachrichten“ einen Bericht über die Essener Folkwang-Schule gelesen. Ich wusste bis dato überhaupt nicht, dass es Schauspielschulen gibt, ich wusste überhaupt nicht, wie man Schauspieler wird. Da war ich wohl so 16 Jahre alt. Da habe ich meinen guten Freund Markus Schneider angerufen, der auch mit mir in der Theatergruppe war und habe gesagt: „Guck doch mal in die Zeitung.“ Ich weiß noch: Da war ein Foto von Schülern von der Essener Folkwang-Schule oder aus Bochum, und Esther Schweins war drauf. Und ich dachte noch: Aha, da kann man also… und dann hab ich mich mit dem Markus Schneider beworben. Aber bis dahin, ich wusste ja gar nicht, wie man das anfängt. Ich hatte mal handschriftlich ans ZDF geschrieben, weil die damals gerade einen Weihnachts-Mehrteiler besetzen wollten – und dann haben die so eine Ballettserie gemacht, „Anna“ hieß das…

Produzent war der wunderbare Bernd Burgemeister.

Hm. Ich konnte aber nun mal kein Ballett, und da habe ich denen geschrieben, ich könnte ja vielleicht „eine Freundin“ spielen. Und dann kam dann so ein ganz offizieller Schrieb – Wochen später -, und da stand drin, weiß ich noch genau: „Da Sie nicht in einem Hauptproduktionsort Berlin, München oder Hamburg leben, können wir Ihnen keine Hoffnung auf eine Mitwirkung machen.“ Ich dachte nur: Das heißt wohl Nein.

Eine wunderbar bürokratische Formulierung: „…können wir Ihnen keine Hoffnung auf eine Mitwirkung machen“.

Ja, aber ich hab das lange aufgehoben. Ich dachte, das ist so was wie mein Ticket, weil ich bin ja so nah dran gewesen. Ich hab nur gedacht: Okay, dann muss ich eben nach Berlin oder München ziehen. Und mit 13 hab ich zu meiner Mutter gesagt: Wenn ich 15 bin, dann lass ich mir die Haare wachsen, denn ich möchte Schauspielerin werden – und da muss man lange Haare haben. Und ich hab mir die Haare wachsen lassen.

Das war wohl Esther Schweins, die dich da beeinflusst hat.

Keine Ahnung. Ich glaube, das war auch so eine Ablösung von diesem spießigen Kleinstadt-Kontext, wo man einfach andere Frisuren trug. Auf jeden Fall habe ich gedacht: Eine Schauspielerin muss so aussehen.

Ablösung heißt ja auch Abschied. Konntest du leicht Abschied nehmen?

Ja, mittlerweile sowieso. Ich bin als Kind wahnsinnig viel umgezogen. Mein Vater hatte so eine „wird-Lehrer, wird-Rektor, wird-Konrektor, wird-irgendwann Schulrat-Karriere“. Wir sind immer umgezogen.

Und immer wieder Abschied.

Ja, in Münster geboren, Detmold, Greven… Wir sind alle zwei Jahre umgezogen, und ich war immer das Kind, das mit rotem Gesicht vor der neuen Klasse stand: „Das ist Franke, oder Frauke…“, und ich hab immer gesagt: „Ich heiß Franka!“ Ich kenn das total. Von daher: Ich habe wirklich so ein Zigeunerding in mir drin. Ich kann wirklich Zelte abbrechen und auch in andere Länder gehen. Auch für längere Zeit…

Häufig ist es ja genau umgekehrt: dass jemand, der als Kind keine Heimat hatte, später so ein Schollenmensch wird.

Das ist komischerweise bei mir nicht so gekommen. Ich war immer auch so… neugierig. Wenn ich zum Dreh irgendwo bin. Ich habe heute früh noch mit jemanden darüber gesprochen, als ich zum Beispiel in Melbourne, außerhalb von Melbourne war… das hat mich total angesprochen – Australien. Ich habe wirklich gedacht: Hier will ich leben. Also Melbourne zum Beispiel ja, Buenos Aires nicht, Japan finde ich total spannend, aber zum Leben nicht. Es gibt immer mal wieder so Orte, wo ich denke: Wenn alle Stricke reißen – ist doch super hier! Vielleicht auch dadurch, dass ich durch meinen Beruf viel in Hotels bin und sich Freundschaften, die ich über zehn Jahre habe, im Internet abspielen, weil man sich zwischenzeitlich nicht sehen kann, ist es letztlich auch egal, ob ich irgendwo hinziehe. Die Welt ist so klein! Du wirst das Phänomen ja kennen, du fliegst ja dreimal am Tag. Wenn jetzt jemand reinkommen würde und sagt: Du musst morgen um 8:30 nach Tokyo fliegen, dann scheiß ich mich da nicht ein. Alles klar, ich pack heute Abend ne Tasche – zehn Minuten -, und dann machen wir das. Dann weiß ich, was zu tun ist.

Welches Verhältnis hast du zu dem Begriff „Heimat“.

Kein… enges.

Du würdest auch nicht sagen, dass Heimat sich in einer Landschaft widerspiegelt, die du gerade durchfährst?

Doch, wo du es jetzt sagst. Ich hatte mal eine Idee für ein Fotoprojekt letztes Jahr, das im Traum gekommen ist, weil ich immer wieder geträumt habe von den Äckern meiner Kindheit. In Westfalen gibt es ja dieses platte Land, und ich hab so Erinnerungsfetzen gehabt als Kind, da haben wir viel auf Äckern gespielt, bis einem die Nase gefroren war und man hungrig war. Ich würde gerne auf diese Äcker zurückkehren und sehen, ob es die noch gibt – und das so fotografieren, wie ich es geträumt habe. So was schon. Diese Erinnerungen, die verbinde ich mit Westfalen. Und bestimmte Nahrungsmittel, aber das empfinde ich natürlich viel stärker, wenn ich an einem anderen Ort bin.

Heimat hat auch ganz viel mit Gerüchen zu tun…

Ja. Gerüche – klar. Aber das sind Sachen aus der Kindheit, und vielleicht braucht man eine größere Distanz dazu. Also, wenn ich jetzt aus meiner Gegenwart irgendwelche Dinge nennen müsste, die Heimat für mich verkörpern… ich wüsste nicht, was.

Hildegard Knef hat mal in einem Gespräch mit mir den Satz gesagt: „Ich habe wahnsinnig gut gelernt zu überleben, aber ich bin nicht sicher, ob ich so gut gelernt habe zu leben. “ Ist das eine Gefahr, die du für sich siehst?

Auf einer bestimmten Ebene ist das sicher richtig, was einen bestimmten Aspekt meines Lebens angeht… Ich bin ein wahnsinnig egoistischer Mensch. Ich kann wirklich von mir behaupten, dass ich wirklich nur das mache, was ich will. Worauf ich Lust habe. Und ich versuche auch ständig, es anderen aufzuzwingen, dass sie es so machen müssen, wie ich es möchte. Also von daher… Aber natürlich muss man dann auch was geben. Das mache ich auch, klar. Aber ich glaube, das Überlebensding kann ich auch. Ich kann mich gut versorgen und ich kann gut auf mich aufpassen. Wenn ich krank werde – das kann ich selber, es muss sich nicht jemand um mich kümmern. Ich kann in einem Survival-Boot überleben.

Bist du dir selbst die beste Freundin?

Zeitweilig ja. Früher konnte ich mich auf enge Freunde nicht so gut einlassen, aber das habe ich gelernt. Es gibt auch mittlerweile Leute, die mir wirklich nahe stehen, aber doch: Ich bin mir sicherlich die beste Freundin.

Hat der Schauspielberuf in diesem Sinne auf dich Einfluss genommen?

Das ist schwer zu beantworten. Natürlich prägt das, es kann ja nicht sein, dass es niemanden prägt. Also diese Art zu arbeiten und auch zu reisen. Aber wenn ich über mich spontan nachdenke, dann kommt nicht als erstes: „Ich bin Schauspielerin“, überhaupt nicht. Natürlich, es ist ein total wichtiger Teil meines Lebens, aber es gibt ganz viel Zeit, wo das überhaupt gar keine Rolle spielt. Wo das nicht angesprochen wird, wo das gar nicht vorkommt – und mittlerweile ist das auch wie ein Geschwür, das sich abkapselt, weil ich ja auch in andere Richtungen denke. Ich habe nicht das Gefühl, ich mach das noch 30 Jahre oder so. Da interessieren mich andere Dinge auch noch.

Barbara Rudnik sagte mir, dass sie während ihrer schweren Krankheitsphase die Schauspielerei viel weniger vermisst hat, als sie das vermutet hatte.

Wenn ich was Tolles mache, dann bin ich immer wieder begeistert davon. Und ich habe noch so viele andere Dinge vor… Aber ich kann verstehen, was Barbara meint.

Zum Beispiel?

Wieder Regie zu machen, Drehbücher zu entwickeln, schreiben, Reisen, Familie. Alles Mögliche, was so zwischen 30 und 40 kommt.

Familie kommt?

Kinder, na klar. Also das auf jeden Fall!

Da« wäre dann aber ein radikaler Abschied von deinem jetzigen Leben.

Ja, ja… deshalb ist es auch noch nicht früher passiert, ich bin jetzt 35, es hätte auch vor sechs Jahren passieren können, aber es ist ja auch noch früh im Leben, nicht?

Zweifellos. Hast du in dieser Hinsicht ein Bild von dir oder von deinem, künftigen Leben?

Es sind nur Fragmente, so wie wenn man – ohne nach einem Möbelstück zu schauen – plötzlich etwas ganz Tolles sieht an einem Sonntag, wo das Geschäft nicht aufhat. So, das merke ich mir, schnell mit dem Handy ein Foto machen. In meiner Traumwohnung hätte ich gerne dieses Möbelstück. So hab ich bestimmte Sachen, wo ich denke, das könnte ich mir für mich auch gut vorstellen. Wir hatten ja schon ein Haus in Spanien; das war eine Idee, wo wir dachten, das kommt irgendwie hin, aber das ging überhaupt nicht. Das hatte keinen Sinn. Ganz lustig. Wenn man so denkt, ein Haus auf dem Land mit zwei Hunden und Park, und da kann man schreiben…

Klingt nach Sehnsucht…

Ja, es gibt da offensichtlich eine Sehnsucht – und man hat sich das dann so zurecht gebastelt. Als ich dann merkte, oder wir gemerkt haben, das ist nichts, ist das so ein Moment, wo ich mich im negativem Sinne erwachsen fühle, wo ich denke: „Ey, was machst du denn da jetzt? So ein Quatsch.“ Ich bin ja verlobt, und wir haben auch schon Versuche unternommen, mal ’ne Hochzeit zu planen, so grob. Und am Anfang macht’s Spaß, aber dann denkt man: Irgendwie nervt es jetzt ein bisschen. Also, diese ganzen „erwachsenen“ Entscheidungen, dafür brauchst du eine gewisse Zeit. Ich glaube, wenn man immer das Gefühl hat, man muss einem Bild entsprechen, dann nur, weil man’s nicht besser weiß.

Manifestiert sich da das bürgerliche Elternhaus? Lehrer-Haushalt, Westfalen, Kleinstadt.

Ich weiß es nicht. Ich bin halt diejenige, die sagt: „Ich will in Miami feiern, mit 200 Leuten, Lagerfeuer.“ Dann sagen die aber: “ Du kriegst kein Lagerfeuer – ist nicht erlaubt.“ Scheiße… dann will ich das Ganze eben gar nicht.

Spielt denn der Wunsch, Kinder zu haben, auch eine gewisse Rolle?

Natürlich! Klar.

Und das weiß er auch?! (lacht) Dir ist es auf phänomenale Weise gelungen, trotz des Erfolges dein Privatleben gänzlich außen vor zu lassen.

Na ja, so gut es ging.

Doch schon. Wenn man dich googelt, dann findet man relativ wenig.

Hm.

Ist es das Ergebnis eines klugen Managements? Eines klugen strategischen Verhaltens?

Sicher auch, aber eigentlich ist es einfach das Ergebnis von jemand, der nicht auf jede Party rennt. Und ja… und der… so bestimmte Interviews machen mir Spaß, wenn wir uns wirklich unterhalten. Aber gewisse Magazine und Zeitungen, die gerne über das Privatleben schreiben – das ist für mich keine Unterhaltung. Ich bin da nur auf der Lauer. Und auch überhaupt nicht mitteilsam. Wie soll ich das erklären? Die Leute, die um mich herum sind, sind schon total eingegroovt. Das hab ich schon früher immer so empfunden. Ich weiß noch, wie alle sagten: „Du drehst bestimmt total ab, dann machst du das und machst du das…“ Ich empfind das heute noch immer so. Ich habe das Gefühl, ich sitze im Auge des Sturms, und alle Leute, die Freunde um mich herum, sind alle ganz aufgeregt für einen oder mit einem…

Erfolg verändert einen schon allein deshalb, weil die Menschen, die einen umgeben, sich verändern…

Genau darauf wollte ich hinaus. Meine Freunde – und das sind nach zehn, zwölf Jahren ja immer noch dieselben Freunde und meine Familie, also die sind jetzt alle emotional wieder runtergekommen, und dadurch ist auch alles ein bisschen entspannter. Aber es kommen natürlich auch neue Leute nach, junge Leute… Man gehört ja fast zum alten Eisen.

Dein Vater war Lehrer, später Schulrat, also Beamter. Du bist in sehr geordneten Bahnen groß geworden. Kannst du selbst mit Zukunftsplanung etwas anfangen?

Ja, wenn es nicht um zu lange Zeiträume geht, dann schon.

Und ich erinnere mich an diesen Satz: „Zukunftsplanung ist das Ersetzen des Zufalls durch Irrtum.“

Genau, das hast du mal letztens beim Dreh gesagt. Bei mir gibt’s immer so grobe Pläne, was ich mal gerne machen würde, oder dass man sagt: „Ja, es wäre schön, wenn ich mal dieses Jahr meine Wohnung abbezahlen könnte.“

Wenn…

Ja, nur wenn, das sind ja alles Wünsche… Man kann sich das alles wünschen, aber es passiert nicht unbedingt. Ach, dieses Jahr würde ich gerne dieses lernen oder das machen, ich würde gerne dieses Drehbuch-Projekt machen, ich würde gerne dieses Buch-Projekt abschließen. Das sind Wünsche, aber ich nenne sie jetzt mal Zukunftspläne.

Gibt es ein Drehbuch, das du entwickelt hast?

Womit ich schon angefangen habe? Ja. Was sich dann immer dadurch unterbricht, dass man zwischendurch andere Sachen macht.

Du wolltest auch mal Regie fuhren?

Hm.

Gibt es andere Interessen? Mir ist aufgefallen, dass du manchmal ein trotziges, manchmal ein verspieltes Verhältnis zur Mode hast. Interessiert dich Mode?

Ja, sehr.

Und was genau interessiert dich daran?

Ich mag das Spielerische, ich mag Sachen, die nicht uniformiert sind. Wenn ich jemanden ansehe und das Gefühl habe, dass sich irgendetwas ausdrückt durch die Sachen, die er anzieht. Ich mag es gerne, wenn Leute „mischen“, wenn das nicht wie eine Uniform ist.

Du hast jetzt einen Film mit mir gemacht, Buch Roger Willemsen, das war ein Monolog. Hat dieses Arbeiten mit dem Text deine Lust auf Theaterarbeit entfacht?

Habe ich kein einziges Mal dran gedacht. Was einerseits etwas schwierig war, aber gleichzeitig auch ganz gut, dass die Vorbereitungszeit nicht so lang war. Ich glaube am Theater, wenn man da den King Lear spielt, dann hat man drei, vier Monate oder gar ein halbes Jahr. Bei diesem speziellen Text: Ich glaube, was mir da ein bisschen im Weg stand, war meine anfängliche Skepsis, die ich schon hatte, weil ich dachte: Das kann auch richtig Scheiße werden. Ich wusste es einfach nicht. Ich habe so was noch nie gemacht. Ich mochte den Text. Was auf dem Papier stimmt, muss vom Text auf mich überspringen. Und dann ist ja auch klar: Entweder bin ich das jetzt oder nicht. Du hast halt nicht diese Sicherheit, was es genau wird. Aber inzwischen glaube ich, dass es sehr gut wird, vielleicht etwas skurril Seltsames, aber Spannendes. Nicht unbedingt für jeden, aber egal. An Theater habe ich nicht gedacht. Ich mag schon gerne Sets. Ich mag Film-Sets, ich mag es auch so zu arbeiten, punktuell zu arbeiten. Sich wieder zurückziehen können, mal wieder auftanken können. Nee, Theater macht mich nicht so an. Und als Publikum: Ich seh lieber einen schlechten Film als ein schlechtes Theaterstück. Da tut’s mir physisch weh, wenn ich ein schlechtes Theaterstück sehe.

Der ROLLING STONE ist ja eine Mischung aus Musik und politischem Journalismus. Was ist das politische Ereignis, das dich in den letzten Monaten berührt hat? Sei es positiv, sei es…

Es ist natürlich Obama. Amerika hat einen schwarzen Präsident. Fantastisch! Also dadurch, dass mein Partner auch schwarz und Amerikaner ist, habe ich das noch mal auf eine andere Weise erlebt. Das ist wirklich das, was mich am meisten berührt und was ich immer noch verfolge.

Hat sich das Leben deines Lebenspartners dadurch in irgendeiner Form verändert?

Er hat die letzten zehn Jahre primär nicht in Amerika gelebt, und das hat ihm jetzt wieder Lust auf sein Land gemacht. Wenn man in seiner Familie noch Generationen kennt, die vor nicht allzu vielen Jahren nicht auf der selben Bank sitzen durften wie Weiße – und jetzt ist ein Schwarzer Präsident, das ist schon toll.

James Brown war in den frühen 6Oer Jahren schon ein Star und durfte auf Tournee nur mit Sondererlaubnis in den Restaurants essen, in denen auch Weiße essen.

Krass. Krass.

Und da war er schon „James Brown“.

Das ist für mich das Einschneidendste gewesen. Die Wahl ist ja schon wieder eine Weile her, aber dieses Thema ist ja immer noch in den Medien präsent.

Wenn dieser Flug nach Tokyo, von dem wir eingangs sprachen, morgen stattfinden würde: Was wäre auf deinem iPod, welche Musik hörst du?

Ich habe gar keinen iPod. Was würde ich hören…? Feist, Carla Bruni, dann würde ich hören: Heidi Happy, Jarvis Cocker, White Stripes

Und welcher Film müsste im Entertainment-Programm sein – sei es klassisch, sei es neu?

Ahm… Kann ich mehrere nennen?

Ja, der Flug dauert zwölf Stunden.

Klassiker wie „Lawrence von Arabien“ oder „Deer Hunter“, „Sex And The City – The Movie“ habe ich schon dreimal im Flieger geguckt.

Kein deutscher Film bisher.

Nee. „Hass“, und so was wie „Meet The Fuckers“, wie heißt das auf Deutsch?

Noch mal zum Schiff, das eine Allegorie auf dich ist. Dieses Schaff ist nun, wie jedes gute Schiff“, farbig bemalt. Mit Tattoos. Folgen deine Tattoos einer Dramaturgie, gibt es eine Botschaft?

Ich hab irgendwann aufgehört. Beim ersten Tattoo denkt man sich immer was aus. So ging’s mir. Meine ersten Tattoos sind so „Comedia del Arte“-Masken, und ich hab die machen lassen, als ich gerade vorm Abitur war und noch gar nicht wusste, ob ich je Schauspielerin werde oder nicht. Ich dachte, ich lasse mir das jetzt machen, damit ich mal sagen kann: „Eure Großmutter wollte immer mal Schauspielerin werden, aber hat es nie geschafft.“ Dann kamen irgendwelche chinesische Drachen, und dann dachte ich mir: Jetzt mache ich das nur noch aus Spaß.

Also, du wirst noch weitermachen?

Wenn man drauf steht, macht man es irgendwie weiter.

Jede Körperfläche ist begrenzt, man muss damit haushalten.

Ja, aber bis dahin… Man macht das ja immer in mehreren Jahresabschnitten, aber ich glaube, das hat so was von… dass das auch bedeutet, dass man eher jemand ist, der sich für die Ewigkeit… Klar kann man das auch wieder wegmachen lassen, aber da denkt man dann nicht drüber nach. Orte zu markieren in irgendeiner Form, in denen man das macht: „Guck mal, das habe ich mir hier machen lassen, das hab ich mir da machen lassen… in der Stadt oder in der Stadt.“ So wie wenn man in einem Foto-Album blättert. Nicht mehr und nicht weniger halt.

Bei Hermann Hesse ist der Unterschied zwischen einer Liebe und einer Affäre: In der Liebe findet man sich und in der Affäre verliert man sich. Ist in dieser Allegorie dein Beruf der Schauspielerei eine Liebe oder eine Affäre?

Ganz klar ’ne Liebe. Hat manchmal aber auch was von Affäre.

Und wann macht’s mehr Spaß? Wenn er was von einer Affäre hat…?

Ja.

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