Ein Traumschiff vor San Francisco
Sicher hat man schon immer gewusst, dass der American Music Club zu mindestens 80 Prozent aus Mark Eitzel besteht. Der schreibt die Lieder, der hat die hier charakteristische- und vielgerühmte-Poesie entwickelt, der sieht die Welt durch den sprichwörtlichen bottom of a glass und findet immer neue Brechungen der US-amerikanischen Wirklichkeit.
Auf dem neuen, bereits neunten Werk, „The Golden Age“, ist die herausragende Stellung Eitzels noch deutlicher, weil seit dem Comeback-Album „Love Songs For Patriots“ (2004) die Rhythmusgruppe ersetzt wurde und neben Eitzel nun nur noch Gitarrist Vudi von früher übrig geblieben ist. „Er macht den Unterschied zu einer Eitzel-Soloplatte“, sagt Eitzel und will also von der Alleinherrschaft nichts wissen, „ich glaube schon, dass er die Lieder entscheidend geprägt hat. Er ist im Studio ein Verrückter, der sich in der Musik komplett verliert, unkontrolliert, völlig übertrieben. Niemand anderes, den ich kenne, hat diese Magie.“
Eitzel spricht von seinem Gitarristen mit viel Liebe und warmherziger Freundschaft. Dieser Ton macht ja das Wesen von Eitzel aus, der auf eine romantische Weise immer etwas verzweifelt wirkt. Das findet man wieder in der Musik des AMC, die genauso sanft wie resigniert ist und daraus ihre lyrische Kraft schöpft.
Eitzel wirkt heute allerdings anders als ehedem. Früher hatte er sich öffentlich niedergemacht u nd mit trauriger Clownerie die Schuld am ersten Niedergang seiner Band übernommen. Heute erkennt Eitzel wohl noch immer den „resident fascist“ in sich, sieht sich selbst insgesamt aber anders und will seine Kollegen nicht mehr um jeden Preis decken. Besonders mit Trommler Tim Mooney gibt es böses Blut, es geht offenbar um Geld. Jedenfalls endete eine erste Aufnahmesession im Streit, und Eitzel verlegte — auch Vudi zu Hebe — die Produktion von San Francisco nach Los Angeles.
Weil man sich nun nicht mehr so mochte und alle — bis auf Eitzel- richtige Jobs haben, klappte es mit den gemeinsamen Terminen nicht mehr, weshalb vor Ort ein neuer Trommler und ein neuer Bassist rekrutiert wurden – für die Proben zunächst, doch schließlich fürs feste Line-up. Ein schlimmer Bruch, der noch mehr böses Blut verursachte. „In der Indie-Szene von San Francisco kann ich mich nicht mehr sehen lassen“, sagt Eitzel, „die Leute gucken mich auf Partys schon schief an.“
Natürlich kommt die Stadt, die in diesem Leben und Werk eine entscheidende Rolle spielt, trotzdem auf „The Golden Age“
vor. „San Francisco ist ja buchstäblich von Dieben und Huren gegründet worden, von Verlierern auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Der Geist ist immer noch derselbe: Die Leute kommen dort hin, um sich angeblich selbst zu finden — und scheitern dabei meistens.“ Wer Eitzel schon auf der Bühne gesehen hat, weiß, wie sehr solche Charaktere dessen Lieder bevölkern-herzergreifende Geschichten sind das, vom ständigen Verlieren, von lakonischer Selbstverdammnis und kurzen Momenten der Schönheit.
Aber so, wie Eitzel nicht mehr an allem schuld sein will, so mag er auch nicht mehr nur vom Leid erzählen. „Wenn ich möglichst schlimme Dinge aus dem Leben meiner Freunde erzählt habe, war das doch auch eine manchmal rücksichtslose Suche nach guten Geschichten. Ich möchte grundsätzlichere Wahrheiten finden, mit denen man etwas anfangen kann – das mag ich an Popmusik: dass sie komplexe Dinge auf den Punkt bringt.“