Grönemeyer wagt den Neu! Start

Zwei Jahre nach dem Tod von Frau und Bruder, ein Jahr nach der CD-Compilation "Pop 2000", die er zusammengestellt hat, veröffentlicht Herbert Grönemeyer die DVD "Stand der Dinge", das Dokument seiner Konzerte mit einem Sinfonieorchester im Rahmen der Expo. Wie immer hat Grönemeyer aber auch anderes mitzuteilen: über die garstige Politik, sein Leben in London, Pläne mit der Band Neu! für sein Label "Grönland" und die Last, wieder neu anfangen zu müssen.

Eine Reise zu Grönemeyer, die ist lustig. Er selbst reist auch immer an. Nie sitzt er wie der internationale Gesamtrocker tagelang in einem mehr oder weniger wichtigen Hotel, um im Halbstundentakt die immer gleichen Fragen zu parieren. Auch ist er nicht auf der niederen Stufe der Audienz im Gebäude der Plattenfirma wie mancher Routinier, für den es noch für eine „Album-Launch-Party“ reicht. Die Büffets da sind nicht mehr wie früher, und zum Hören kommt kaum einer. Es sei denn, es gibt Bimbes.

Bei Grönemeyer muss man nur einen kleinen Vertrag unterzeichnen, der ganz spielerisch aussieht auf dem Papier seiner Managerin, obwohl er eigentlich Knebelklauseln enthält, auf die aber niemand zurückkommt. Die Gegenpartei unterschreibt auch gar nicht. Grönemeyer vertraut den Redaktionen bis auf den Beweis des Gegenteils – dem „stern“, einst Verlautbarungsorgan des politischen Denkers Grönemeyer wie des Menschen Herbert, war er nach einem verkürzten Zitat sehr gram, doch nach dem Tod von Frau und Bruder meldete er sich via Roger Willemsen und aus London in eben dieser Illustrierten wieder zu Wort.

Ein erstaunliches Gespräch war das, zumal der Kontrollfreund alle Zurückhaltung fahren ließ. Natürlich weiß er auch, dass solche Offenbarung nur einmal zu leisten ist. Jetzt ist alles gesagt über das Leben mit Anna, über die Jahre, an denen vorher

kaum jemand teilhaben durfte. Es gelang Grönemeyer, die Familie vollkommen herauszuhalten aus Händeln und Eitelkeiten, öffentliche Auftritte gab es fast nie. Um so größer die Überraschung und Pein nach dem frühen Tod der Ehefrau, um so begehrlicher der Blick der Medien. Grönemeyer, der auch vorher schon längere Weilen in London verbrachte, zog sich in seine V&fohnung zurück, die „Bleibt alles anders“-Tournee wurde unterbrochen. Aber er kam kein Jahr später zurück, holte die Konzerte nach und wurde gefeiert wie nur je ein Überlebender, ein Held. Die Andeutungen und Unscharfen der Platte „Bleibt alles anders“ erschienen jetzt wunderbar und tragisch klar, die verschwommenen Bilder und Metaphern teilten jetzt mit, was Grönemeyer anders nicht sagen konnte.

Über sich selbst schien er immer bemerkenswert schlecht informiert zu sein. Das täuschte vermutlich und täuscht noch heute: Er beantwortet tastende Fragen zu seiner Befindlichkeit, seinen innersten Antrieben einfach nicht. Wer in ihm den Romantiker finden will, wird mit einem Lächeln beschieden, das Ungläubigkeit, aber auch Unverbindlichkeit signalisieren kann. Nichts verrät er über die Tage, an denen er nicht öffentlich ist, bestenfalls die väterliche Fürsorge für die Kinder verhehlt er nicht Aber das ist so selbstverständlich und allgemein wie seine tapferen Stellungnahmen gegen Rassismus, Korruption, Großmannssucht und Deutschtümelei.

Dabei ist Grönemeyer der deutscheste Musiker überhaupt, zugleich Solitär und Vorbild: Unverstellt übernahmen Figuren wie Hartmut Engler das Populistische und Zupackende, Leute wie Xavier Naidoo das Musikalische und Gefühlige. Grönemeyer trägt nicht schwer daran; er kennt Verhunzungen von „Flugzeuge im Bauch“ nicht oder spricht wenigstens nicht darüber. Konfrontiert mit Würmchen wie dem Serien-Schauspieler Christian Wunderlich, der als Talentbeweis „Männer“ im Grönemeyer-Bravado grölt wie jeder Schmierenkomödiant, schüttelt er ratlos den Kopf. Die bekannte Parodie „Grönemeyer kann nicht tanzen“ von Wiglaf Droste, auch schon lange her, fand er lustig und freut sich heute noch drüber, dass der eitle Droste sich ärgerte, weil es Grönemeyer nicht provozierte. „Stimmt ja auch gar nicht mehr“, sagt er heute, man müsse sich nur die DVD „Stand der Dinge“ ansehen. Da tanzt er nicht, aber er taumelt und wirbelt.

Die DVD wird in der blitzenden Villa einer Multimedia-Firma in Potsdam vorgeführt. Wichtige Leute mit Weste und Anzug genießen hier den expandierenden Markt der neuen Medien; man fertigt Film um Film auf DVD. Nur der Spezialist für die Grafik ist ein gepiercter Kostüm-Punk aus Hamburg mit zotteligen Haaren, er ist der Kreative. In dem DVD-Schrein erscheint immer wieder das Display, die Fernbedienung fahrt auf die tollen Funktionen, immer wieder schmettert das Orchester los, dann klimpert „Flugzeuge im Bauch“, dann dröhnt „Vollmond“, dann wird auf „Karaoke“ geschaltet, der Text läuft, angeblich synchron, mit Aber Grönemeyer kann man nicht imitieren, er singt gar nicht mit der Musik, er wütet gegen sie an, verschluckt Silben, zerhackt die Worte, brüllt. Das Orchester kann ihn nicht bezwingen. Die Band sowieso nicht. Das Publikum ist gewaltig in der Expo-Halle, die natürlich keine Atmosphäre hat, alles wogt und ist verzückt Grönemeyer läuft durch die Gänge, der Leibwächter hastet hinterher, die Kamera saust mit. Ja, das ist Rock’n’Roll.

Ein paar Journalisten sitzen um den großen Konferenztisch, man langt nach den Häppchen, die nicht mit Lachs oder Mettwurst belegt sind wie bei einer nicht gut gehenden Firma, sondern mundfertig mit Shrimps und Pastetchen und Gedöns, das man nicht identifizieren kann, das aber nach Start-up und New Economy schmeckt. Der Boden ist Parkett, und mit den schweren Sesseln kann man geschmeidig herumrutschen. Grönemeyers Managerin ist auch da und hält mit einem Laptop den Kontakt zur Welt: Das Booklet ist noch nicht fertig, die gesamte Crew muss aufgelistet werden. Hier ist etwas in der Mache. Vor Aufregung fallt ein Glas aufs Parkett und zerbricht – der Chef überprüft die Beseitigung selbst und legt Hand an. Die Männer von der „Woche“ sind noch nicht dran, sie verabschieden sich zum Spaziergang durch Babelsberg. Es ist eine kleine,

waldige Welt; Laub liegt schon herum, die Universität sieht aus wie ein Pensionat, die alten Villen gemahnen an selige „Derrick“-Folgen, Schlöndorfls Filmstadt ist nah.

Herbert Grönemeyer sitzt in einem kahlen Zimmer an einem Glastisch. Er raucht wieder, er glaubt, das tue ihm gut. Trotz der Stimme. Dazu trinkt er Wasser, wenn ihm das Sprechen Zeit lässL Er ist aufgeräumt, freundlich, auch ein wenig neugierig, interessiert sich für die Meinung zur DVD, die hier vermutlich niemanden länger beschäftigt. Ob man was damit anfangen könne? Ja, natürlich. Aber was? Herbert ist grandios, das war er immer, aber man will keine Partituren zum Konzert lesen. Schlimm der Gedanke an Hobby-Gitarristen, die auf dem Sofa „Alkohol“ greifen. Aber Grönemeyer fragt nicht weiter. „Stand der Dinge“ ist ein Nachklapp auf dem letzten Stand der Technik, keine Rede zur Lage der Nation, die Grönemeyer selbst eher von sich erwartet als das Publikum. Schaut man in die Menge, sieht man die verträumten Gesichter allgemeiner Rührung, die sich bei „Gib mir mein Herz zurück, bevor’s auseinanderbricht“ gemeint fühlen, weil es so schön schmerzt – eben „grenzwertig“, so Grönemeyer, an der Grenze zum Kitsch.

Du hast auf dem Höhepunkt der so genannten CDU-Spendenaffäre nochmals Deine beiden Songs JLächeln “ undJAit Gott“ aus den 80er Jahren an Presse und Radio verschickt, versehen mit einer Geschichte von Benjamin von Stuckmd und Wiglaf Droste. Die Lieder geißeln Machtversessenheit und Heuchelei. Wir das eine späte Genugtuung?

Was heißt Genugtuung? Die Stücke stimmten einfach, und es war ein Gag, die noch mal herauszuholen. Kohl ist vorbei, das ist jetzt nicht mehr das Thema. Dabei geht es ja weiter mit dieser Mentalität…

…die Ausgrenzungvon Schäuble, aber Kontinuität innerhalb der Partei…

…Roland Koch. Aber das Augenmerk muss sich jetzt auf die Einheit richten, das ist das große Thema – die Kohl-Jahre sind nur noch hinderlich.

Wie lange wurde für das Expo-Konzert geprobt?

Wir haben schon im Januar mit den Arrangements begonnen – mit Nick Ingman, der auch „Portishead Live In New York „gemacht hat. Der hat über Monate an den Arrangements gefeilt, dann haben wir als Band mit ihm geprobt, und dann hat er mit dem Orchester gearbeitet. Dann stand’s.

Das war ja ein immenser Aufwandfür insgesamt vter Konzerte.

Nee, das kann man eben nicht finanzieren. Bei uns geht das nicht, wir haben gar nicht die Eintrittspreise dafür. Diese Konzerte in Hannover hatte die Expo mitfinanziert, sonst hätten wir das nicht machen können. Wir haben noch einmal vorm Brandenburger Tor gespielt und in Bitterfeld, (aufgeregt) Aber es ist komisch, es macht schon Spaß. Das ist etwas, das man gerne immer hätte. Aber das war s jetzt auch.

Hattest Du Metallica zum Vorbild genommen? Gar die Scorpions?

Ich kenne die Metallica-Platte gar nicht Ich kenne nur diese eine Single, die immer im Fernsehen lief. Nein, ich hatte erstmals bei „Bleibt alles anders“ mit einem Orchester gearbeitet, und die sind schon dankbar für einen Sänger. Dann kam der Kontakt zum „NDR Pops Orchester“ zustande, dann kam das Angebot von der Expo – so ist das entstanden. Das war keine Planung.

Hast Du etwas von der Expo gesehen oder war keine Zeit dafür?

Doch, wir sind einmal über die Expo gegangen. Ich war schon einmal bei einer Weltaussteilung in Vancouver. Schwer zu sagen, was das soll. Das Gelände selbst ist sehr eindrucksvoll, aber wenn man in die Hallen reingeht – warst Du mal da?

Nein.

Ich weiß nicht genau, was das soll.

Manche haben ja am Ende gesagt, es blühe im Verborgenen, und man solle die Expo unterstützen, weil sie nun mal in Deutschland ist. Nationales Pathos…

…es ist nun mal da, dann lasst es uns auch genießen! Ich war in Vancouver, weil ich damals gerade im Urlaub war. Damals dachte ich schon: Was soll das? Blumen-.

…FoUtore…

..Multimedia. Ich fand den Schweizer Pavillon klasse, da drinnen spielten ein Klarinettist und ein Klöppelharfenspieler, das hatte so etwas Schrilles. Aber das ist ja ein wahnsinniger Aufwand. Wir mussten als Promis natürlich nicht anstehen – aber wenn ich mir vorstelle, ich müsste da Stunden Schlange stehen«.

Interessant war es wohl am Abend, da wurde jeden Tag Programm gemacht. Vielleicht war ja der Platz mit dem Teich schön. Aber die Eintrittskarten waren viel zu teuer. Ich kann nicht viel damit anfangen. Das hätte man in reduzierter Form machen können, vielleicht von einer Stadt in die andere. Ich hab’s nicht ganz verstanden.

Wieviel Zeit verbringst Du in London? Ist dort jetzt Dein Lebensmittelpunkt?

Mein Lebensmittelpunkt ist London. Ich bin seit zweieinhalb Jahren dort. Die Kinder wollen aber ganz gern zurück. Ich habe nach wie vor ein Haus in Berlin. In London habe ich mein Label, mein Studio. Kürzlich haben wir angefangen, mit der Band Neu! zu arbeiten, deren Back-Katalog wir jetzt wieder herausbringen. Nach allem, was passiert ist, war das die richtige Entscheidung. Man kann da unbeobachteter sein. Und was die Musik angeht: Dort bekommt man ein anderes Selbstverständnis. Ich nehme da seit zwölfjahren auf, das war also nicht neu. Aber mir fehlt schon die Sprache, vor allem auch, weil Anna nicht mehr da ist, mit der ich den ganzen Tag geredet hatte. Es ist aber gut, Abstand zu gewinnen. Ich bin auch entspannter, differenzierter. Es ist eine unheimlich teure Stadt, total geldbezogen letztendlich. Kranke Verhältnissse. Es fällt schwer, sich damit anzufreunden. Man ist immerzu hyper, wie die das nennen, immer unter Strom. Vielleicht nicht das Gesündeste. Aber man lernt auch vieL Trotzdem will ich wieder zurück – ich plane schon, in den nächsten Jahren zurückzukehren.

Es ist ja eigentlich Deine Art, ungeduldig zu sein und Dinge schnell anzugehen.

Jaja, wenn ich zurückkomme nach Berlin, dann muss ich mich erst mal auf den anderen Speed einstellen. Ich merk das jetzt auch mit der Veröffentlichung von Neu! in London: Da kommen die Journalisten sofort, kennen das alles, das ist alles sehr vital. Es wird in Deutschland auch kommen. Aber es leert einen auch ziemlich aus. Unglaublich hartes Überleben dort. Zigaretten 14 Mark, Zahnbürste 9 Mark. Ein-Zimmer-Wohnung bis zu 3000, 4000 Mark. Das Ende des Kapitalismus. Da ist Deutschland doch bodenständiger. Da erkennt man, unter welchen sozialen Bedingungen man in Deutschland leben kann.

In England ist es Thatcherismus mit Blairs Antlitz.

Absolut. Das Krankensystem ist eine Katastrophe, das Sozialsystem ist marode. Das ist eine Stadt för Reiche.

Zu denen zählst Du ja auch.

Ja, aber das ist ja nicht der Sinn des Lebens. Das kann’s ja nicht sein. Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet, da kannten wir gar keine Klassen. Grundsätzlich hast Du Dir darüber keine Gedanken gemacht, du kanntest halt ein paar reichere Leute. Aber in England ist dieses Klassensystem so extrem. Da wirst Du sofort eingestuft – ab Ausländer schaffst Du’s eh nicht. Die beurteilen nur nach der Sprache.

Du hast da keinen Prominentenbonus, aber das ist Dir wohl lieb.

Das hilft. Nicht nur, dass man nicht unter Aufsicht steht, sondern dass man sich behaupten muss. Man muss sich als Mensch bestätigen. V&nn du da ins Cafe gehst, da guckt kein Mensch. Engländer schauen sowieso niemanden an. Für den Kopf ist das ganz heilsam. So prominent bin ich zwar auch nicht – aber hier wundert es mich, wie ich angeguckt werde.

Jemand hat mir mal von einem Studenten erzählt, der ein Klavier bei Dir angeliefert hat. Du hättest ihm und seinem Kollegen noch zivei CDs von Dir mitgegeben.

Ja, ja, warte mal, das kann sein. Ich bin halt gern in Berlin. Die Leute ähneln denen im Ruhrgebiet, haben eine große Klappe, nehmen sich nicht ganz so ernst Und wir sind hier in Ruhe gelassen worden. Aber durch alles, was passiert war, standen immer sechs Autos vorm Haus, Kamerateams filmten. Ich bin

dann mal durch den Hintereingang ins Haus geschlüpft. Es war die richtige, sinnvolle Entscheidung, nach England zu gehen. Auch für die Kinder, die nicht tagtäglich damit konfontiert werden durften.

Besuchen die Kinder eine internationale Schute?

Ja.

Und sprechen gut Englisch?

Sprechen perfekt Englisch. Sie waren in Berlin auch schon auf der internationalen Schule. In Berlin hatten sie ein funktionierendes Umfeld, wo Kuddels über den Zaun stiegen zum Fußballspielen – das ist da eben nicht. Da bleiben viele nur ein halbes Jahr.

Fährst Du in Berlin selbst Auto?

Ja. Wie?

Ich dachte, Du würdest vielleicht Taxi..

Nö! Nie! Ach nee, die Berliner haben eine liebenswürdige Ignoranz. Ich bin ja nicht Thomas Gottschalk oder was-weiß-ich. Ich glaub, ich hab’s über die Jahre geschafft, eine gesunde Skepsis aufzubauen. Viele Leute erkennen mich vielleicht, finden mich aber blöde. Ich hab keinen Promi-Bonus.

Du machst Dich sehr rar. Anderseits sitzt Du doch manchmal bei Johannes B. Kemer oder trittst im Zuge von „Pop 2000“ bei Gottschalk auf.

Na, ich sehe schon zu, dass ich nicht ständig in der Öffentlichkeit auftauche. Bei „Da, da, da“ war das anders, das war doch lustig. Ich tue mich da auch schwer. Ich war mal in einer Polit-Sendung: Da merkt man, dass man im Grunde nichts erzählen kann, weil die anderen einen nicht zu Wort kommen lassen. Das mache ich sehr reduziert.

Du hast angesichts des jüngsten Terrors nicht sofort die Stimme erhoben. Lindenberg und andere haben sofort gesammelt und gesungen. Von dir war wenigzu hören.

Zum einen lebe ich nicht in Deutschland. Zum anderen habe ich mein Konzert vor dem Brandenburger Tor unter dem Motto „Kein Rassismus -Gegenwehr“ gemacht. Es gab ja auch Pläne für für ein großes Benefizkonzert dort, die tragischerweise zerbröselt sind. Ich denke immer, man sollte sich nicht inflationieren. Ich habe damals die Demo in Bonn gegen die Änderung des Artikels 16 mit den Toten Hosen gemacht, finanziere das Jugendheim in Leipzig – ich muss nicht überall dabei sein, sondern mache gern bei Sachen mit, bei denen ich das Gefühl habe, sie bringen auch was. Auch jetzt in Berlin und Bitterfeld zeigen die Konzerte, dass ich Standpunkt beziehe. Man kann sich darüber streiten, wieviel man sich engagieren muss. Eher muss man von vielen Seiten Druck auf Politiker ausüben, um Strukturen zu verändern. Es kommt ja nicht immer nur auf mich an. Es gehören auch ganz viele andere Menschen dazu, um das umzusetzen.

Arbeitest Du an neuen Songs?

Ich fange langsam an. Es ist eine neue Situation für mich, weil Anna nicht mehr da ist. Sie war der wichtigste Bestandteil meines Lebens und auch für die Musik. Es ist eine ganz neue Zeit, die angebrochen ist. Ich fange zaghaft an, wieder zu schreiben, und gehe jetzt auch wieder ins Studio. Aber das ist ein sehr langsamer Prozess. Ich denke, Ende nächsten Jahres, Anfang übernächsten Jahres. Ich versuche dranzubleiben, aber es ist alles sehr belastet. Ich bin jetzt für meine Kinder allein verantwortlich. Es ist alles noch weit weg. bleibt alles anders“ war so einschneidend, wenn ich es heute höre und bei Konzerten sehe. Die Songs haben tragischerweise vieles vorweggenommen, was ich damals gar nicht gesehen hatte. Es ist ein Trauma, mit dem man zurechtzukommen versucht Dafür gibt es kein Rezept. Die wichtigste Person in meinem Leben ist nicht mehr da. Sie wird immer die wichtigste bleiben, und sie ist es auch, zusammen mit den Kindern. Sich wieder aufzuraffen, ist ein unendlich schwieriger Vorgang.

Muss es andere Themen in Deinen Liedern geben? Die Liebe bleibt ja verkapselt, aber wirst Du Dich wiederöffnen?

Es gibt ja das Lied „Stand der Dinge“, das genau von diesem Eingeschlossensein handelt Das geht auf Anna zurück, die sagte: Schreib doch mal ein Lied über zwei Leute, die wie in einer Seifenblase leben.

Sie hat Euch so empfunden?

Sie wollte, dass ich das mal so konstatiere. Meine Töchter sagt: Schreib doch mal etwas Lustiges! Wenn sie meine neuen Stücke zu Hause sieht, dann will sie, dass ich mal etwas Lustiges schreibe.

Nicht immer so grübeln.

Genau das sagt sie. Vielleicht ist das ein Versuch, neue Luft zu kriegen. Worüber schreibt man? Aus dieser Liebe hat man eben viel Kraft gezogen. Die Zeit wird es mir erzählen: Wenn ich jetzt anfange, lasse ich alles auf mich zukommen. Ich gehe nicht so planerisch heran.

Kannst Du Dir vorstellen, Dich von der Bühne zurückzuziehen und im Hintergrund an Deinem Label zu arbeiten?

Das ist eine Überlegung bei dem Label. Ich kann mir schwer vorstellen, nicht mehr auf die Bühne zu gehen. Aber nach und nach kann das passieren. Das ist mein Bereich, ich fühl mich da wohL Aber es könnte sein wie bei Peter Gabriel: Die Abstände zwischen Platten und Tourneen waren schon lang, jetzt werden sie noch länger. Es kann sein, dass ich weiter in den Hintergrund trete, noch hin und wieder mit Platten komme, dann aber um so intensiver. Das ist die Idee mit „Grönland“. J3

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