Willy DeVille
Rund vier Jährchen nach „Loup Garou“ meldet sich der große Dünne mit dem Goldzahn mit dem Album „HorseOfA Difkrent Cofour“zurück. Klar klingt es total nach Willy rasiermesserscharf, romantisch, drekkig – aber trotzdem anders. Daß der zuletzt gepflegte „Von New York über Frankreich nach Louisiana“-Mix nun auch mit Memphis-Ingredienzen verblüfft, ist kein Wunder, denn zum einen ist der Meister nun Gentleman-Farmer, und zum anderen haben am neuen Werk u. a. die legendäre Muscle Shoals Rhythm Section und der noch legendärere Pianist, Komponist und Produzent Spooner Oldham mitgewirkt.
Pferde im Titel und auf dem Cover der LP – sollen die Deinen Umzug von New Orleans aufs Land dokumentieren?
Nun, ich hab jahrelang im Quarter von New Orleans gelebt, habe die Straßenmusiker und die Freaks geliebt, aber irgendwann wollte ich endlich mein eigenes Ding. Doch als ich das Haus kaufte, da war gleich wieder von Ausverkauf die Rede. So wie damals, als ich plötzlich nicht mehr im Chelsea Hotel hauste und Dope drückte. Nein, ich wollte meiner Frau Lisa endlich ein bißchen Sicherheit bieten. Ich bin schließlich seit 25 Jahren in diesem Business, fahre immer noch auf der Überholspur, so daß jeder Tag auch gut der letzte sein könnte. Lisa hat mich auf Pferde angetörnt. Inzwischen kann ich reiten, liebe die Tiere abgöttisch und besitze heute eine Herde von 13 Stück.
Also ganz der Landedelmann, der frühmorgens ausreitet und nachmittags etwas Holz hackt.
Als ich das erste Mal Pferdeäpfel zusammengeschaufelt habe, da schoß es mir in den Kopf: „Junge, Junge, wenn dich jetzt deine Fans sehen könnten.“ Um ganz ehrlich zu sein: Die Landarbeit liegt mir nicht besonders, und da unsere Farm recht groß ist, haben wir für solche Dinge ein paar Leute engagiert.
Und wie kommen Deine Nachbarn mit Dir klar?
Anfangs meinten sie nur (ahmt einen knarzigen Hillbilly-Akzent nach): „Du bist wohl nicht aus dieser Gegend…“ Im Ort halten mich alle für einen verrückten Rockstatr, speziell seit sie wissen, daß all die Europäer, denen sie hier in den Restaurants begegnen, nur gekommen sind, um mich zu interviewen. Das Gros der Leute hier sind kleine Farmer, brave Kirchgänger und die Türen muß man hier auch heute noch nicht verriegeln. Es gibt sogar Pärchen, die seit 15 oder 16 Jahren zusammen sind, und noch der Hochzeitsnacht entgegenfiebern. Hier ist’s wie in den Fünfzigern – sehr merkwürdig, aber auch sehr ehrlich.
Hatte der Umzug irgendwelche Einflüsse auf das neue Album?
Nein, nicht die Spur, denn ich mache immer noch meine Abstecher ins Quarter. Das war von Anfang an Bedingung – wenn wir aufs Land ziehen, dann darf die Stadt nicht weit weg sein, denn hier langweilt man sich schnell. Außerdem schreibe ich nie etwas mit einem künftigen Album im Hinterkopf, denn ich schreibe eigentlich immer. Nur diesmal hakte es ein bißchen, da ich etwas ganz anderes machen wollte, aber alles wie Altbekanntes klang. Das war dann auch der Grund dafür, daß ich mich mit Sal Bernardi (Mitstreiter von Rickie Lee Jones) zusammentat. Den hab ich dann immer gelöchert: „Klingt das so, als könnte es von mir sein?“ Und er antwortete stets: „Nun ja, es klingt wie Willy De Ville. Wie könntest Du auch je anders als Willy De Ville klingen?“
Bei Songs wie „Lay Me Down Easy“ oder „Gypsy Deck Of Hearts“ kommst Du immer noch wie ein Romantiker der alten Schule rüber.
Ich glaube, ich bin ein hoffnungsloser Romantiker. Und ich bin ein altmodisches Mädchen (lacht), denn ich finde, daß ich zur falschen Zeit auf die Welt gekommen bin. Ich wünschte, ich wäre vor hundert Jahren geboren worden. Also schreibe ich über Dinge, die mir ans Herz gehen oder Dinge, die mich verwirren.
Was ist Dein Lieblingsstück auf dem neuen Album?
Am meisten mag ich „18 Hammers“. Wir hatten im Studio eine philosophische Diskussion über die Frage, welches denn wohl die ersten „Songs“ gewesen sein mögen, die der Mensch zu Ohren kriegte. Viele Leute meinen, das seien garantiert Schlaflieder gewesen, doch die Experten sagen, daß es work songs gewesen sein müssen. Und „18 Hammers“ ist so ein traditioneller chain gangsong der Arbeiter.
Auf „Going Over The Hill“ ist Deine Stimme kaum wiederzuerkennen, so schwarz und intensiv klingt sie.
Der Song ist mein zweiter Favorit – besonders wegen der backgroundvocals. Ich wollte einen ganz simplen Song, der jedoch wie ein Gospel rüberkommen sollte. Zufällig kannte Gitarrist Luther Dickinson eine farbige Familie, mit der er schon mal gearbeitet hatte. Da die guten Leute sich aber nicht ins Studio trauten, haben wir den Song schließlich auf der Veranda aufgenommen.
Was hat es mit dem versteckten Bonus-Track „The Chicken Song“ auf sich?
Das sind Lisa und meine Wenigkeit, die da singen. Lisa wollte unbedingt auch mal ans Mikro, und da hab ich mir gedacht: warum nicht?
Die wohl größte und treueste Anhängerschaft hast Du in Deutschland. Hast Du je daran gedacht, eine LP mit deutschen Texten aufzunehmen?
Ich kann nicht mal Französisch sprechen, obwohl ich dort ja viel länger gewohnt habe. Aber daran sind diese Plattenfirmen-Leute schuld, die mir selbst das Kleingedruckte auf der Speisekarte übersetzen müssen (lacht). Nein, Deutsch hat für mich einen noch kantigeren Klang als die englische Sprache. Mir liegen die romantischen Sprachen aber wesentlich mehr. Sie sind viel wärmer und haben schon von sich aus ihre eigene Melodie. Als ich in Paris lebte und „Le Chat Bleu“ aufnahm, war ich tatsächlich in der Lage, in den nächsten Laden zu gehen, um nach Zigaretten oder Joghurt zu fragen, ohne schief angeguckt zu werden. Doch kaum bist du weg aus dem Land, hast du leider alles in Nullkommanichts vergessen.