THE EDGE – Interview
Über den Bürgerkrieg in Nordirland haben U2 zwei bewegende Songs geschrieben. Den einen, "Sunday Bloody Sunday", haben sie jetzt mit dem "Best Of l980 - 1990"-Album wiederbelebt. Den anderen, "Please", spielten Bono und The Edge zuletzt am 19. Mai in Belfast. Ein Moment, der (Musik-)Geschichte machte: Während Bono die Aussöhnung der verfeindeten Bürgerkriegsparteien beschwor, betraten mit dem katholischen Sozialdemokraten John Hume und dem pro-britischen Unionisten-Chef David Trimble zwei bis dato erbitterte politische Gegner die Bühne, um sich die Hände zu reichen. Vier Monate später wurden beide für ihr Engagement um eine Lösung des Konfliktes mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
U2 sorgen auch ohne Rekord-Tourneen für Schlagzeilen: Die Meldung, Ihr hättet für drei potentielle Greatest-Hits-LPs ca. 30 Millionen Pfund Vorkasse eingesackt, warf die Frage auf, ob Ihr nun völlig abgehoben seid.
Da ist in der Presse mal wieder einiges verdreht worden. Tatsache ist, daß wir einen neuen Vertrag unterzeichnet haben, der sechs Alben beinhaltet, darunter vier Studio-Alben und zwei Best-Of-LPs. Zu glauben, man würde uns für nur zwei oder drei Greatest-Hits-Alben so viel Geld offerieren, ist vollkommen absurd.
Das Polit-Happening mit John Hume und David Trimble brachte Euch ebenfalls -jedoch positiv – in die Schlagzeilen. Was ging Dir durch den Kopf, als die beiden kürzlich mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden?
Ich habe mich wie ein Kind gefreut, denn ich hatte so dafür gebetet, daß dieser Preis an Nordirland geht. Daß man die Vertreter beider Konfessionen auszeichnete, ist eine Geste von großer Bedeutung. In den vergangenen Monaten haben sehr viele Menschen engagiert für das Vorankommen des Friedensprozesses in Nordirland gearbeitet – und sich dabei wie David Trimble sehr weit aus dem Fenster gelehnt.
Bono und Du, Ihr habt Hume und Trimble erstmals gemeinsam auf eine Bühne gebracht. War das schwer?
Zu der Zeit – eineinhalb Wochen vor der Volksbefragung zum Friedenspakt – sahen wir uns mit einer heiklen Situation konfrontiert. Umfragen zufolge lagen Befürworter und Gegner einer friedlichen Lösung Kopf an Kopf. Solch ein Ergebnis hätte ein Debakel für den Friedensprozeß bedeutet und jeden Kompromiß in weite Ferne rükken lassen. Wir hatten vorher schon mit Tom Hume Kontakt aufgenommen; ich habe ihn immer bewundert, da er stets konsequent auf eine Politik des Gewaltverzichts gepocht hatte. Wir fragten ihn, was wir denn tun könnten, um die Leute zu motivieren.
Und da riet Hume U2, sich noch einmal auf ihren Agitpop zu besinnen, den sie längst ad acta gelegt hatten?
Er bat uns, ihn bei einem Auftritt in Belfast mit ein paar Songs zu unterstützen. Er verriet auch, daß er an diesem Abend erstmals gemeinsam mit David Trimble öffentlich auftreten wolle. Das taten sie ja dann tatsächlich. Es war ein historischer Moment. Trotz der angespannten Situation bekam selbst diese an sich eher lächerliche Liaison von Politik und Rock’n’Roll hier eine immens große Kraft und Bedeutung.
Glauben die zum Post-Post-Modernismus konvertierten U2 seitdem wieder an die heilende Kraft der Musik?
Ich denke, daß es – vor allem für Trimble – in jener Konzert-Atmosphäre leichter war, auf Hume zuzugehen, als bei einem politischen Gipfeltreffen. Es war eine wichtige Geste, die die beiden verfeindeten Lager einander näher brachte. Denn anschließend ließ sich ein Umschwung in der öffentlichen Meinung registrieren. Letztlich haben beim Referendum 71% der Nordiren und 94% der republikanischen Iren für eine friedliche Lösung gestimmt Bei unserem letzten Gespräch vor einem Jahr hast Du noch bezweifelt, daß es in absehbarer Zukunft ein vereintes Irland geben werde. Bist Du heute weniger skeptisch?
Ich will es mal so ausdrücken: Ich bin immer noch nicht übertrieben optimistisch. Es geht zur Zeit ja nicht um die Vereinigung Irlands. Heute sieht man, wie falsch es war, daß alle jahrelang verbohrt auf dies eine Ziel fixiert waren.
Als sich die Bürgerrechtsbewegung Nordirlands ’68 formierte, hatte sie sich die Gleichbehandlung von Katholiken in puncto Recht und Arbeitsplatzvergabe auf die Fahnen geschrieben. Keiner forderte damals ein vereintes Irland Diese Frage wurde erst nach dem Einmarsch der britischen Armee und den Aktionen der Hardliner-Unionisten akut erst diese Vorfalle haben ja die 1RA stark gemacht Sicher, es gibt heute in Nordirland immer noch viele Menschen, die nationalistisch eingestellt sind. Der Großteil der Bevölkerung aber hat längst begriffen, daß vor dem Hintergrund eines zusammenwachsenden Europa die Nationalstaaten an Bedeutung verlieren.
Wird die derzeitige Entwicklung auf der Grünen Insel hörbaren Einfluß auf Eurem neuen Album hinterlassen?
Schwer zu sagen. Bono wirft mit Worten ja nur so um sich. Aber wir hatten uns in den vergangenen Jahren ständig mit einem Gefühl der Verunsicherung auseinanderzusetzen. Unsere „Fin de siecle“-Alben wie „Achtung Baby“ oder „Zooropa“ kamen diesbezüglich Jahre zu früh. Das kann nicht ewig unsere Meßlatte sein, soll aber auch nicht heißen, daß es jetzt Richtung Easy Listening geht Nur soviel: Wir sind seit ein paar Wochen wieder mit Brian Eno und Daniel Lanois in Dublin im Studio, und es macht unglaublichen Spaß, erneut mit den beiden zu arbeiten.
Bedeutet die neuerliche Zusammenarbeit mit Eno und Lanois etwa eine Rückkehr zum Panorama-Sound, der U2 groß gemacht hat?
Es tut uns einfach gut, mit Leuten zu arbeiten, die auch ein Teil unserer Geschichte sind. Wir brauchen starke Persönlichkeiten an den Reglern, um selbst abheben zu können. Wir sind halt ’ne sehr eigensinnige Bande, die Produzenten, vor allem den neuen, das Leben recht schwer machen kann.