Townshend
Kann uns ein weiteres Townshend-Interview wirklich noch etwas Neues vermitteln? Uns völlig unbekannte Einblicke in die grauen Zellen hinter den grauen Schläfen eröffnen? Um den routinierten Interviewpartner trotzdem dazu zu bewegen, to see me and to feel me, stellte ich Townshend diesmal Fragen, die seiner eigenen Feder entflossen waren – Zitate aus seinem reichhaltigen Oeuvre. Eine Frage aber blieb: Würde das Hirn der Who mir daraufhin entgegnen, daß er „not gonna take it“? Würde er „go psychoderelict“, „smash a guitar“, „catch a magic bus“ oder „initiate a legal matter“? Nichts davon the kid in besten Mannesjahren was völlig all right. Sollte man also weiterlesen, wenn sich der Proto-Punk mit dem Paten des Konzept-Albums ein Zwiegespräch führt?
You better, you bet.
Who are you?
Wie wär’s mit ’nem asketischen Alkoholiker? In „Who Are You“ schlug sich eine meiner ersten Erkenntnisse nieder, daß nämlich spirituelle Suche und Suff ein- und dieselbe Sache sind. Ich lernte, daß Trunkenheit tatsächlich eine Sinnsuche ist – nur daß man dummerweise am falschen Ort sucht.
Can you explain?
Wie könnte ich! Schließlich handelte dieser Song davon, daß ich nicht mal in der Lage war, zu sprechen und zu kommunizieren. Ich glaube nicht, daß ich in meinem Leben je in der Lage war, irgendetwas wirklich zu erklären. Alles was ich kann, ist analysieren. Es ist schon merkwürdig, daß mein erster Song „I Can’t Explain“ heißt – ich mich aber für den Rest meines Lebens abstrampelte, genau das zu tun.
So can you see for miles?
Nun, ich dachte jedenfalls, ich könnte es. Ich glaubte zum Beispiel, ich könne durchschauen, was in den Köpfen der Frauen vorging, mit denen ich zusammengelebt habe. Heute weiß ich: Ich kann es nicht.
Is a little enough?
Wenn es Liebe ist, dann ja. Ist es Kokain, dann natürlich nie.
Will you get fooled again?
Spielst Du etwa darauf an, daß ich trotz aller Schwüre wieder auf der Bühne stehe und „Quadrophenia“ im Hyde Park spiele? (lacht) Und ob ich mich zum Narren machen lasse!
„Rough Boys“ war Deine Antwort auf die frühen Punks. Was ist mit der jüngsten Welle, mit Green Day zum Beispiel: „You want to bite and kiss them, too“?
Ich verspüre nicht das Bedürfnis, diese Leute zu beißen oder zu küssen, nein wirklich.
Von dem pomadigen „die before I get old“ einmal ganz abgesehen: Was sonst wolltest Du werden, bevor Du alt wirst?
Das ist das perfekte Beispiel für etwas, das ich nicht für mich selbst geschrieben habe. „My Generation“ war etwas, womit ich Roger eine Freude zu machen hoffte. Es ist nur ihm auf den Leib geschrieben.
Also mit anderen Worten: Daltrey should die before you get old?
Ich hoffte, daß Roger hoffte, er würde sterben, bevor er alt würde.
Nein, es geht gar nicht um den Tod, es geht um eine Lebensdefinition.
Wenn wir den Tod mal Tod sein lassen, dann ist es der Sommer, auf den ich mich wirklich freue. Vor einigen Wochen hab ich meinem sechsjährigen Sohnemann das Fahrradfahren beigebracht. Es war großartig, das mitzuerleben. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo in aller Welt ich wohl steckte, als meine beiden Töchter radfahren lernten.
Ist so etwas heute eine größere Befriedigung, als unschuldige Gitarren zu zerschmettern?
Ich würde nicht mal behaupten, daß das Zerschlagen von Gitarren in irgendeiner Form eine Befriedigung oder Befreiung ist. Es war eine Torheit, die mich nur Geld gekostet hat. Und Zeit, weil ich umgehend eine neue Gitarre auftreiben mußte. Ich liebe Gitarren! Es ist eine tragbare Maschine, die man ins Wohnzimmer mitnehmen kann sexier als ein Akkordeon, kleiner als ein Klavier.
Do really all the best cowboys have chinese eyes?
Absolut. Ich habe dieses Phänomen mit äußerster Akribie untersucht. Ich begann bei Charles Bronson und Clint Eastwood und habe sie dann einen nach dem anderen unter die Lupe genommen. Mit diesem Song habe ich allerdings auch auf ein komplexeres Thema angespielt, das ich an dieser Stelle aber nicht breittreten möchte. Nur soviel: Es hatte mit Heroin zu tun.
Hat Dir Kurt Cobain irgendetwas bedeutet?
Viel. Ich glaube, es gab nur einen gravierenden Unterschied zwischen ihm und mir, und zwar, daß er gut aussah. Und das brachte ihm eine Menge Probleme. Attraktive Menschen neigen nun einmal eher dazu, sich das Hirn auszublasen.
Pete, can you hear me? Kann ich nicht beantworten. Ich weiß ja nicht, wer „me“ sein soll.
Was hieltst Du von dem Townshend-Tribute, das Daltrey und Entwistle ’94 auf die Bühne brachten?
Teds, teils. Es war ja eine nette Geste, aber manchmal hatte ich den Eindruck, daß es weniger um Pe-te Townshend ging als um einen ominösen „Whoism“-Kult.
Aber wenn nun „Quadrophenia“ Ende Juni im Hyde Park aufgeführt wird: Bist Du da nicht an der künstlichen Lebensverlängerung dieses Kultes mitschuldig?
Diese Veranstaltung ist immer noch im Rahmen meines Planes zu sehen, mich mehr und mehr zurückzuziehen. Tatsache ist, daß Roger mit dieser letzten Tour fast eine Million Dollar in den Sand gesetzt hat. Wenn man also ein vernünftiges Projekt hat – wie eben „Quadrophenia“ mit Roger Daltrey und ein paar Gaststars -, dann kann man damit durchaus drei Monate in einer festen Location wie etwa Las Vegas wagen.
Wie sind die Beziehungen zu den anderen Who-Mitgliedern?
Schwierig, aber wir haben eine Beziehung. Wobei es keine Annäherung nach einer Trennung ist. Es gab keine Trennung. Ich war unfähig, die Musik zu schreiben, die Roger brauchte. Die Leute erzählen mir ständig, daß es die Stones doch auch noch immer packen, aber das ist kultureller Relativismus. Die Who und die Stones sbd grundverschieden.
Was für ein Gefühl beschleicht Dich, wenn Du auf die „magical journey“ durch Deine eigene Vergangenheit gehst?
Du hast ein Problem, wenn der Zug nur in die Vergangenheit fahrt. Ich nehme es mir zu Herzen, wenn mir ein Henry Rollins sagt, ich solle nicht mehr zurückschauen, sondern endlich meine Vergangenheit auf den Müll werfen.
Hat Dir Henry das gesagt? Nun, er hat’s an dieser Stelle gesagt, im ROLLING STONE. Ich denke mal, was er damit wirklich sagen wollte – und ich liebe Henry, Gott beschütze ihn! -, war das: „Hör endlich auf, an ,Tommy‘
rumzufummeln, dem ,Tommy‘, den ich liebe.“ Nur: An diesem „Tommy“ kann ich gar nicht mehr rumfummeln; den hat Henry auf Platte. Und die kann er sogar mit in den Himmel nehmen.
Was weitere Platten mit den Who betrifft: Da bleibt es aber bei Deinem unwiderruflichen Nein?
Nein. Oder anders gesagt: So würde ich’s nicht formulieren. Dann würde es nämlich so klingen, als seien die Who eine Sucht, die ich bekämpfen müßte. Und das ist partout nicht der Fall.