In Irland ist Mary Black längst ein Star – nun will sie Deutschland erobern
Wenn ich Songs schreiben könnte, die so gut sind wie die, die ich von anderen bekomme dann würde ich sie natürlich längst schreiben“, beantwortet Mary Black die Frage, die sie gar nicht mehr hören mag. Sie habe eben „schon vor langer Zeit realisiert, daß mein Talent eher beim Singen als beim Schreiben liegt“.
Und dann gibt die irische Sängerin den schwarzen Peter auch gleich zurück an jene, die ihre reife Interpretation gern hinter den Mythos des „authentischen“ Singer/Songwriters rücken möchten. Das Problem, so Black, sei „doch aber auch, daß viele gute Songschreiber keine guten Performer sind. Was soll falsch daran sein, wenn man beides zusammenbringt? Einen Schauspieler schaut niemand schief an. Und ein Dirigent wird ja auch nicht in Frage gestellt, weil er die Oper nicht selbst geschrieben hat.“
Auf ihrer Heimatinsel zählt Mary Black nach 13jähriger Solo-Karriere längst zu den etablierten Stars. Kreischen die Menschen im Supermarkt, wenn sie einkauft? „Nein, die Iren respektieren dein Privatleben. Sie bedrängen dich nicht so, wie es Amerikaner sicher tun würden.“ Nach ihren Kooperationen mit Emmylou Harris sowie Joan Baez auch in den USA mit seiner traditionell starken, irischen Gemeinde durchaus präsent, wagt Black allerdings erst mit ihrem aktuellen Album „The Circus“ den Sprung über den Kanal. Ihre kontemplativ-poetische Art von Folk-Musik ist gewiß nicht nur einer heimischen Anhängerschaft zugänglich, aber der Ruf des Traditionellen beschränkt Mary Black in der Wirkung ähnlich wie Emmylou Harris. Quälten sie etwa Selbstzweifel, wie es manchen Iren ihrer Generation eigen ist?
„Dieses reduzierte Selbstwertgefühl ist zweifellos ein Charakteristikum. Vor zehn Jahren hätte ich mir vieles sicher nicht zugetraut, doch inzwischen habe ich genug Selbstbewußtsein. Ich konnte Erfahrungen sammeln und reifen. Das Problem ist heute nur: Jetzt sehe ich zehn Jahre älter aus als damals.“ Sie lacht.
Doch diese behutsame Erweiterung ihres Aktionsradius liegt auch in Blacks Privatleben begründet, das sie nicht auf dem Altar einer großen Karriere opfern möchte, in einem Geschäft, „das dich auswringt wie ein Schwamm“. Das bedeutet nämlich auch: „Lange Tourneen wären unvereinbar mit meiner Familie. Nach drei Wochen lade ich meine Batterien zu Hause wieder auf. Ohne diese Ruhephasen würde ich wohl kollabieren – oder ich wäre nicht mehr mit dem Herzen dabei.“ Derzeit lädt Black wieder mal die Batterien, bevor sie erstmals für eine längere Tournee nach Deutschland kommt. Dann sei sie auch wieder „geselliger und selbstbewußter“, während sie zu Hause „vor allem ganz meine Ruhe“ haben möchte. „Vielleicht aber“, sinniert sie, „ist die Musik auch nur eine kleine Flucht für mich. Denn ich kann mich in den Songs viel besser ausdrücken als im richtigen Leben. Mary Black, die Sängerin, ist zweifellos eine gänzlich andere Person als Mary Black, die Mutter, Schwester und Freundin.“ – Kleine nachdenkliche Pause… Dann fügt sie an: „Aber ich hoffe doch, der Unterschied ist nicht allzu groß.“