Inception :: Regie: Christopher Nolan
Kino kann Träume erschaffen oder auch nur bedienen. Letzteres ist in Hollywood die Regel. Jedes Jahr produziert die Traumfabrik verständliche, konfektionierte Träume von schlichter bis anspruchsvoller Qualität. Rund alle zehn Jahre aber entsteht dort eine Vision, die solche Abstufungen verwischt. Kassenhits, die alle Gesetzte des Kinos befolgen und gleichzeitig aufheben. Zuletzt galt dies 1998 für „Matrix“, ein futuristischer Actionfilm über eine virtuelle Realität, die Freiheitskämpfer letztlich durch die Kraft des Gedankens besiegen. Nun ist es „Inception“, der als Thriller eine ähnliche Prämisse vom falschen Leben durch dynamische Action vorantreibt, aber auf komplexer Vorstellungskraft basiert. „Was ist der gefährlichste Parasit der Welt?“, fragt Dominic Cobb (Leonardo DiCaprio) mit verschwörerischem Ton am Anfang. „Ein Gedanke. Denn er ist hoch ansteckend.“ Setze im richtigen Moment an der richtigen Stelle einen Gedanken in die Welt, und sie wird dir folgen. Dieser Philosophie folgend soll er im Auftrag des ominösen japanischen Industriellen Saito (Ken Watanabe) den jungen Robert (Cillian Murphy) dazu bringen, seinen gerade geerbten Konzern aufzuspalten. Um diese Idee in seinem Kopf einzupflanzen, setzt Copp ihn unter Drogen und dringt ebenfalls schlafend mit seinem Team in dessen Traumphase ein. Dort bewegen sie sich in einer manipulierten, aber vollkommen realistisch wirkenden Umgebung, einem Trugbild unserer Welt. Robert soll glauben, die Entscheidung bewusst gemacht zu haben. Da der sich aber mit mentalem Spezialtraining auf eine solche Attacke eingestellt hat, stellen sich ihnen bewaffnete Sicherheitsleute entgegen. Der Kampf führt in immer tiefere Traumebenen, aus denen alle Beteiligten nicht mehr erwachen könnten.
Als Zuschauer kann man durchaus mal den Überblick verlieren. Die Frage aber, ob dieses Hirngespinst grundsätzlich plausibel ist, stellt sich bald nicht mehr. Denn Christopher Nolan lässt einen glauben, was wir sehen. In immer kürzeren Abständen reiht er zunehmend rasantere und explosivere Actionszenen aneinander: Verfolgungsjagden in Autos und auf Motorrädern, Duelle in Hotelfluren und -zimmern, Feuergefechte auf Skiern um eine verschneite Bergfestung. Wie einen wiederkehrenden Kinotraum zitiert er dabei „Heat“, die „Bourne“-Trilogie und James Bond, während sich Copps Trauma über den Tod seiner Frau Mal (Marion Cotillard) wie in einem Film von David Lynch visualisiert. Der surreale Sog entwickelt sich allerdings vor allem durch die Schwindel erregende Abfolge und geschickt montierte Verknüpfung der handfesten Kämpfe in den verschiedenen Traumebenen.
Nolan denkt und dreht auf altmodische Weise – nur in neuen Dimensionen. So überraschte er mit seinem rückwärts erzählten Debüt „Memento“, entriss der Magie in „The Prestige“ ein makabres Geheimnis, erdete wuchtig wie kunstvoll die Comic-Figur Batman. Als handwerklicher Virtuose erreicht er die Masse und das Feuilleton. Nach einem weltweiten Einspielergebnis von 815 Millionen Dollar werden die Produzenten auf eine Fortsetzung drängen, zumal der Kreisel am Schluss diese Option anbietet. Extras: Making of, diverse Features.