JUSTIN TIMBERLAKE O2 World, Berlin :: Man könnte das ganze Konzert und damit eigentlich Justin Timberlakes weltweit identische Tour mit einem Gimmick erklären. Im zweiten Teil der Show -nachdem er die 14.000 Leute schon eine Stunde lang mit Hit-Höhepunkten begeistert hat – löst sich ein dreißig Meter breiter Catwalk samt Timberlake, vier Sängern und Treppen von der Hauptbühne und schiebt sich zu einer Zweitbühne durch die Halle. Timberlake holt so noch den letzten Fan im Rang in die erste Reihe. Einerseits ist das ein Angebertrick, um die 80 Euro aufwärts zu rechtfertigen; andererseits verzichtet Timberlake damit auch auf jedweden in dieser Klasse -sagen wir: bei Rihanna oder Beyoncé -üblichen Bühnenzauber und verlässt sich allein auf eine quasi handbetriebene Hydraulik, die auch auf der Hauptbühne Band und Chef hoch-und runterkurbelt.
Das zentrale Unterhaltungselement ist zweifellos: er selbst. Und dann seine großartigen Musiker und Tänzer. Gleich zu Beginn steht er lächelnd in Sinatra-Pose vor der tobenden Menge, die Hände lässig in den Taschen des Smokings. Mal versinkt die 15-köpfige Band im Boden, lässt ihm das Rampenlicht ganz allein; dann wieder tummeln Sänger und Bläser sich scheinbar spontan neben ihm. Falls die Vorbildebene nicht deutlich wird, spielt er eben Rat-Pack-Leutseligkeit, Elvis und Michael Jackson mit Moonwalk und einem naturgetreuen „Human Nature“ selbst an.
Timberlake zeigt klassisches Entertainer-Handwerk -nach der Metamorphose vom Retortenboygroupler bei ‚N Sync zum Vokalmedium der Produzenten-Wizards Timbaland und Neptunes der nächste unerwartete Schritt in seiner Karriere. Und auch hier bewährt der 33-Jährige sich exzellent. Ökonomisch und hochpräsent fokussiert er das Publikum, balladiert, schmachtet und singt über kühle Synthies und basslastigen Funk. Statt in Las Vegas 200 Auftritte zu absolvieren, tritt er eben in den Mehrzweckhallen der Welt auf. Aber statt den holografischen Eindruck der technizistischen Kollegen zu erzeugen, zeigt er, wie man den guten alten intimen Bühnenauftritt in den kühlen Hochleistungs-Pop holt. MARKUS SCHNEIDER