George Jones
A Good Year For The Roses
Bear Family Records
Mit der Behauptung, das Ende seiner Musicor-Ära sei eine entscheidende Zäsur in seiner Sangeskarriere gewesen, weil es der Anfang vom Ende seiner größten Jahre als Sänger war, hängt man sich diesmal bei Bear Family sehr weit aus dem Fenster. Denn das („Es gab zwar weitere Hits, aber George Jones klang nie wieder so gut wie zuvor!“) dürften nicht nur die Kollegen von der New Traditionalists-Fraktion vehement bestreiten.
Viele Jahre später erklärte Johnny Cash kategorisch: „In country music George Jones set the standards long ago. His work is still the standard to comparison. No one has compared to him yet.“ Ganz ähnlich äußerte sich Elvis Costello: „George Jones doesn’t sing country songs, he only sings George Jones songs.“
Nach dem Wechsel von United Arists zu Musicor hatte Produzent und Kontrollfreak Pappy Daily seinen „Schützling“ noch geschickter in seinem Sinne manipulieren können. Manchmal mussste er ihn regelrecht beknien, bestimmte Songs aufzunehmen, von deren Qualität George Jones zunächst nicht so recht überzeugt war. Wenn er die stur wieder zu den nächsten Sessions mitbrachte, dann natürlich auch, weil Daily die Verlagsrechte besaß, aber erst die Aufnahme die mögliche Lizenz zum Gelddrucken bedeutete.
Die mehr als nur ein wenig ausbeuterische Beziehung unterschlägt Rich Kienzle in seinen Liner Notes auch gar nicht erst. Immer wieder nahm Jones Songs der drei bei Dailys Firma Glad Music unter Vertrag stehenden Songschreiber Leon Payne, Dallas Frazier und Earl Montgomery auf. Alte Gospel-Klassiker diente er gar seinem Star an, um mit den Aufnahmen das Copyright an denselben- für seinen Verlag natürlich- zu erneuern.
Der nicht annähernd so geschäftstüchtige George Jones machte das alles mit, stolz auf seine 17 Top-Ten-Hits der Jahre 1965 bis 1971. Während viele Kollegen vom Country-Fach längst erkannt hatten, dass deutlich mehr Geld und längerfristig auf Popularität durch LPs zu realisieren war, ließ er seinem Produzenten- von ein paar Duett-Projekten mal abgesehen- für die Langspielwerke die freie Auswahl aus den fast 300 Songs, die er in den Jahren für Daily aufnahm.
Zu entdecken gibt es hier zwischendurch ganz hinreißende Country-Heuler, die nie Hits waren, aber die einsame Klasse des Sängers mindestens so unterstreichen wie die berühmten Ohrwürmer. „I Made Her That Way“ singt er so endlos gefühlvoll wie Jahre zuvor das bekanntere „She Thinks I Still Care“.
Am Ende von „A Good Year For The Roses: The Complete Musicor Recordings 1965-1971 (Part 2)“ (****) klärt Rich Kienzle uns als Fans in den Liner Notes dann doch unverblümt darüber auf, dass die Musicor-Jahre für George Jones „artistically and creatively a decidedly mixed bag“ waren, aber nicht die schlechteste Voraussetzung für seinen „raw and visceral vocal style which only improved with age“, nämlich in der Billy-Sherrill-Ära danach. Davon aber waren Johnny Cash und Elvis Costello ja immer schon felsenfest überzeugt: dass Alter nicht vor noch größerer Klasse schützt. (Bear Family)