Iggy Pop

Preliminaires

E-Label (Name to Be Changed) / EMI VÖ: 22.05.2009

Vor einigen Jahren sah es kurz so aus, als hätte der alte Rostpisser Iggy Pop tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, in Würde zu altern. Pop veröffentlichte damals mit „Avenue B“ ein ambitioniertes Album, auf dem er der Straße im New Yorker East Village mit spoken words und
gediegenen Balladen respektvoll huldigte. Danach ließ der Veteran mit grotesken Lärmorgien wie „Beat ‚Em Up“ und „Skull Ring“ nicht nur alle Hoffnung fahren, sondern setzte seine schlimme Hüfte gar der zusätzlichen Belastung einer Stooges-Reunion aus. Dann starb Ron Asheton. Ein Jammer, aber nun ist es auch gut.

Dass Pop inmitten seiner verspäteten Midlife-Crisis Zeit zum Lesen fand, überrascht uns fast. Nicht hingegen die gewählte Lektüre: „Intense pleasure“ will er erstaunlicherweise beim Studium der philosophisch angehauchten Science Fiction-Schnurre „Die Möglichkeit einer Insel“ von Michel Houllebecq empfunden haben.

Der hanebüchene Band inspirierte Pop zu einer nebelig-verhallten Reflexion über das eigene Altern. Tröstlicher bisweilen als das literarische Vorbild: In „A Machine For Loving“, mit Houellebecq gemeinsam geschrieben, singt er „I don’t know where my spirit went, but that’s alright“. Um im weiteren Verlauf – knurrig wie der Off-Erzähler eines finsteren Melodrams – über die Eigenschaft von Hunden zu sinnieren, sich noch der erbärmlichsten menschlichen Kreatur bereitwillig zu unterwerfen.

Zwar ziehen sich Hunde, zumal räudige Straßenköter, ja durch Pops Werk von „I Wanna Be Your Dog“ bis „Naughty Little Doggy“. Aber hier ist natürlich Fox gemeint- jener treue Begleiter des in der Liebe und am Leben verzweifelten Romanprotagonisten Daniel 1. Der wiederum ein zynisches Sexmonster ist, zu dem Pop offenbar eine Geistesverwandtschaft fühlt.

Man könnte so weiter machen, jedoch: „Preliminaires“ funktioniert auch für Houellebecq-Verächter. Inhaltliche Klammer sind zwei Cover-Versionen von „Les Feueilles Mortes (Autumn Leaves)“. Den sanft swingenden Chanson intoniert Iggy Franko-Klischees evozierend in einer All-American-Sugar-Daddy-Version von Serge Gainsbourg- verzückend geführt von Marc Phaneufs Klarinette.

Auch sonst untermalt der Sänger seine grummeligen Meditationen überwiegend mit Motiven aus New-Orleans-Jazz, Chanson und Blues Noir. Den Rocker im Iggy lässt er nur in sparsamen Dosen von der Leine- von verzichtbaren Stücken wie „Nice To Be Dead“ dachte er wohl, er sei sie sich selbst schuldig. Der Herbst senkt sich über Miami. Iggy Pop hat die Zeichen der Zeit erkannt. Bis zur nächsten Midlife-Crisis? (EMI)

Torsten Gross