Phantom Ghost
Thrown Out Of Drama School
(Dial/Kompakt/Rough Trade)
Das Klavier klimpert zaghaft die Melodie eines langsamen Walzers. Ins andächtig-bange Warten auf die Premiere, ins Lampenfieber hinterm Vorhang mischt sich Weltschmerz: „We stand behind the curtain closed/ Considering our fate/ Wondering which way we choose/ Onward light brigade!“
Wehmütig-verhalten und die Verluste erahnend ist diese Attacke der leichten Brigade, mit der Dirk von Lowtzow (Tocotronic) und Thies Mynther (Superpunk) die vierte Platte ihres Projekts Phantom Ghost beginnen. Statt in eine Schlacht stürzen sie sich in etwas, das die Schulaufführung eines obskuren Musicals sein könnte. Und wenn sich nach dem Vorspiel hinter der Bühne der Vorhang öffnet, präsentiert sich „Thrown Out Of Drama School“ als Fest des Theatralischen, des Prätentiösen und der literarisch-musikalischen Verweisspiele.
Von Lowtzows Gesang und Mynthers präpariertes Klavier eröffnen einen Diskurs, der Minimal Music, Kunstlied und Joss Whedons Musicalscores vereint. Etwa im Eigenbrödler-Showtune „Thrown Out Of Drama School“, der wie das widerständige „All Manner Of Things“ oder das versponnene „The Beautiful Fall“ wie die Rohfassung des Titelsongs einer verloren gegangenen Off-Broadway-Show klingt.
Mal geben sich die Songs impressionistisch („Meshes Of The Afternoon“, mal minimalistisch („Ornithology“) mal verschroben („Miami“). Mal verarbeiten sie Right Said Fred (die ulkige Zugabe „You’re My Mate“), mal einen Klassiker der Moderne: In“The Process“ variieren Phantom Ghost Brion Gysins gleichnamigen Roman, der ein mit Halluzinationen durchsetzter Trip in die Wüste ist. Mit lang nachhallenden Basstönen beginnen von Lowtzow und Mynther die Nacherzählung, verorten sie musikalisch zwischen „Kumbaya“-Spiritual und Keith Jarretts „The Köln Conzert“.
„The process that I am in/ Is a recurring dream“, singt von Lowtzow im Duett mit der Berliner Künstlerin Michaela Meise bevor Mynthers Klavier aufhört, Klavier zu sein und den Reisenden krächzend verschluckt. Gunther Reinhardt