Art Brut
„Art Brut Vs. Satan“
In ihren weniger melodischen Momenten klingen Art Brut wie die Pop-Version von The Fall. Ein stoischer Beat und quengelnd auf der Stelle stampfende Gitarren untermalen die furios egozentrischen Wortkaskaden des Sängers Eddie Argos. Auf „Art Brut Vs. Satan“, dem neuen,
dritten Album der Londoner, überwiegen jedoch die exaltiert hysterisch-hymnischen Pixies-Momente- kein Wunder, denn der Produzent heißt Black Francis, einst Kopf der Bostoner Indie-Legende.
Der Titel des Werks wird in dem Song „Demons Out!“ erklärt, eine wüste Beschimpfung von Plattenkäufern: „The record buying public shouldn’t be voting.“ Weil niemand die Platten kauft, die Art Brut lieben (und selber aufnehmen), weil sich die schlimmen Charts genauso wenig ändern lassen wie die schlechte Welt, wollen die Musiker den Kampf aufnehmen: „It’s our crew versus Satan!“
Und wenn man den umwerfenden Punk-Power-Pop von „DC Comics And Chocolate Milkshakes“ hört, wird man feststellen, dass die Chancen der Band gar nicht so schlecht sind. Wie auch viele andere Stücke des Albums ist der Song ein Bekenntnis zum ewigen Kinderzimmer, eine sanfte Verweigerung und Hymne an die kleinen Freuden des Alltags, denn: „Some things will always be great, even though I’m 28.“
Als wär’s ein Pixies-Song, beginnt „The Passenger“ mit einer dünnen, aber unerbittlich bohrenden Gitarre. Während die Band dann tüchtig Gas gibt, singt Eddie Argos mit unschuldig koketter Stimme seine Hymne auf den öffentlichen Nahverkehr: „Some people hate the bus, not me, I can’t get enough. Some people live in the fast lane, not me, I take the train.“
Art Brut stellen im Lauf des Albums auch die Frage „Am I Normal“, nur um sich immer wieder zu wunderbar kauzigen Dingen zu bekennen. Das ist herrlich britisch, und man ahnt, dass England auch deshalb zum Mutterland der Popmusik wurde, weil es seinen exzentrischen Bewohnern vor nichts graust. Nicht mal vor Platten, „nearly as old as my parents“, wie es in „The Replacements“ heißt, wo sich Eddie Argos wundert, dass er die gleichnamige Band erst so spät entdeckt hat. Köstlich ebenfalls der unheimliche Chorgesang im zweiten Teil des Stücks, zu dem Argos aufdeckt, dass Secondhand-CDs billiger sind als Reissue-CDs. Sehr schön ist auch der Song über „Mysterious Bruises“ und die Zeile „I fought the floor, but the floor won“.
Um es kurz zu machen: „Art Brut Vs Satan“ ist eine dieser zeitlos krachenden Pop-Platten, auf die man immer wieder hofft und die doch so selten sind. Manchen Menschen wird man nie erklären können, was denn nun das Tolle daran ist. Sollen sie halt bei Satan in der Hölle schmoren, wir halten uns derweil an Art Brut. (Cooking Vinyl/Indigo)
Jürgen Ziemer